Zwei Kirchen und ein Gott - Reformation und Gegenreformation
Im 15. und 16. Jahrhundert steckte das Christentum in einer großen Krise. Alle Bemühungen, die katholische Kirche umzugestalten und zu erneuern, waren gescheitert. Die Bestechlichkeit und das ausschweifende Leben von Päpsten und Mönchen und die Angst der Gläubigen vor ewiger Verdammnis im Fegefeuer hatten zu einer tiefen Verunsicherung geführt. Die Menschen fühlten sich von ihrer Kirche im Stich gelassen, zumal die Messen in lateinischer Sprache von den meisten nicht verstanden wurden.
Die Reformation ( lateinisch reformatio: Umgestaltung, Erneuerung) der Kirche nahm 1517 in Deutschland ihren Anfang, als MARTIN LUTHERS berühmte Lehrsätze (Thesen) bekannt wurden. Darin prangerte er Mißstände innerhalb der katholischen Kirche an, vor allem das Freikaufen von Sündeenstrafen anstelle der Buße (Ablaßhandel): Wenn der Papst in Geldnöten war, zogen die Prediger scharenweise durchs Land. Sie nutzten die Angst der Menschen aus und ließen sie glauben, man könne sich den Eingang in den Himmel mit einer Geldspende sichern. Luther sah vor allem in der Bibel die wichtigste Glaubensgrundlage. Auch erkannte er den Papst nicht länger als Stellvertreter Christi auf Erden an. Er war der Meinung, jeder könnte anhand der Bibel seinen eigenen Weg zu Gott finden und sprach von der „allgemeinen Freiheit eines Christenmenschen“. Luthers Schriften verbreiteten sich wie ein Lauffeuer im Land und fanden in allen Bevölkerungsteilen so rasch Anhänger, dass sich die Spaltung der Kirche nicht mehr aufhalten ließ. 1521 wurde Luther vom Papst aus der Kirche ausgeschlossen (exkommuniziert), weil er seine Lehre nicht widerrufen wollte. Als Fürsten und REICHSSTÄDTE dagegen protestierten, erhielten die Anhänger Luthers ihren neuen Namen: „Protestanten“. Nach 1530 begann die Organisation der protestantischen Kirche. Damals waren bereits drei Viertel der deutschen Bevölkerung protestantisch. Auch in anderen Ländern fand Luther rasch Anhänger. Neben ihm und ULRICH ZWINGLI gehörte JOHANNES CALVIN zu den drei großen Reformatoren. Er setzte 1541 in Genf eine neue kirchliche Ordnung durch (KALVINISMUS) und verbannte allen Schmuck aus den Kirchen. Der Besuch des Abendmahls wurde Pflicht. Darüber hinaus forderte er Sittenstrenge und unbedingten Bibelgehorsam: Reich verzierte Kleidung, Tanz, Spiele und der Besuch von Wirtshäusern waren verboten. Dabei schreckte er auch vor Gewaltanwendung gegen Andersdenkende nicht zurück. Anders als Luther glaubte Calvin, am Schicksal eines Menschen ablesen zu können, ob er von Gott zu ewiger Seligkeit oder Verdammnis vorherbestimmt sei (Prädestination). Calvin und Zwingli setzten sich in den folgenden Jahren von Luther ab. Aus ihrer Lehre entwickelte sich die reformierte Kirche, womit ein weiteres religiöses Lager entstand. 1555 mußte Kaiser Karl V. die Lutheraner im Augsburger Religionsfrieden anerkennen und den Landesherren freie Religionswahl zugestehen. Die Bevölkerung hatte sich in ihrem Glauben nach dem Landesherren zu richten, konnte aber in ein Gebiet ihres Glaubens übersiedeln („Wessen Herrschaft, dessen Glauben“). Den Kalvinismus erkannte der Kaiser nicht an. Die Reformation sollte ursprünglich eine Erneuerung des Glaubens und der Kirche bringen, zog jedoch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein heftige religiöse Auseinandersetzungen nach sich: Auch nach dem Augsburger Religionsfrieden bekämpften sich Katholiken und Protestanten. Das Land zerfiel in zwei KONFESSIONELLE Lager. Viele Fürsten und Könige sahen ihre Stunde gekommen, sich vom Einfluss der katholischen Kirche zu lösen und ihre Macht zu erweitern. Sie verknüpften religiöse mit politischen und persönlichen Interessen. Aufstände und Kriege waren die Folge, in denen sich Menschen unterschiedlicher Konfessionen und unterschiedlicher Bevölkerungsschichten erbittert bekämpften. (BAUERNKRIEG, HUGENOTTENKRIEGE). Als Gegenreformation bezeichnet man das Bestreben der katholischen Kirche, die Reformation und ihre Ausbreitung aufzuhalten und rückgängig zu machen. Papst Paul III. rief die Bischöfe zusammen zum Konzil von Trient 1545-63). Die katholische Glaubenslehre wurde dort neu untersucht und verändert. Das Streben nach Veränderung und Erneuerung erfasste noch andere gesellschaftliche Bereiche. Neue Kirchen wurden gebaut, alte neu gestaltet. Der Katholizismus breitete sich wieder aus, nicht zuletzt deshalb, weil die Protestanten untereinander so zerstritten waren. Deshalb schlossen sich 1608 die protestantischen Fürsten unter Führung des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zu einer politischen und militärischen Gemeinschaft, der UNION, zusammen. Die katholischen Fürsten dagegen gründeten ein Jahr später die LIGA, deren Führung der bayerische Kurfürst Maximilian I. übernahm. Die Liga wurde zu einer wichtigen Machtstützen des Kaisers zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. MW