ANDREAS TACKE "Der Kunst-Feind Mars". Die Auswirkungen des Krieges auf Kunst und Künstler nach Sandrarts "Teutscher Academie" |
"Die Königin Germania sahe ihre mit herrlichen Gemälden gezierte Paläste und Kirchen hin und wieder in der Lohe auffliegen / und ihre Augen wurden von Rauch und Weinen dermaßen verdunkelt / daß ihr keine Begierde oder Kraft übrig bleiben konte / nach dieser Kunst zu sehen: von welcher nun schiene / daß sie in eine lange und ewige Nacht wolte schlaffen gehen. Also geriethe solche in vergessenheit / und die jenigen / so hiervon Beruff macheten / in Armut und Verachtung: daher sie das Pollet fallen ließen / und an statt des Pinsels / den Spiß oder Bettelstab ergreiffen musten / auch vornehme Personen sich schämeten / ihre Kinder zu so verachteten Leuten in die Lehre zu schicken." [1] |
Daß Joachim von Sandrarts (1606-1688) Einschätzung der Situation der deutschen Künstler im Dreißigjährigen Krieg, sie hätten die Wahl zwischen "Spiß oder Bettelstab" gehabt, nicht vollständig der Grundlage entbehrte, werden wir zu zeigen haben. Nichtsdestoweniger sind aber bisherige Vorstellungen, der Krieg habe insgesamt die Kunstproduktion des 17. Jahrhunderts zum Erliegen gebracht, zu revidieren. [2] Schon Sandrarts eigener Werdegang, der im Vergleich mit weiteren zeitgenössischen Künstlern eingehender betrachtet werden soll, belegt genau das Gegenteil dieser oft vorgetragenen Auffassung vom Niedergang der Künste: "Das gnädige Schicksel erbarmete sich dieser Finsternis / und ließe der Teutschen Kunst-Welt eine neue Sonne aufgehen: die die schlummernde Freulin Pictura wieder aufweckte / die Nacht zertriebe und ihr den Tag anbrechen machte. Dieser ist / der Wol-Edle und Gestrenge Herr Joachim von Sandrart / auf Stockau / Hoch-Fürstl. Pfalz-Neuburgischer Raht: welchen die Natur mit einem solchen Geist begabet / der nicht anders als leuchten konte / und / durch seine Liecht-volle Vernunft-Strahlen / die der Edlen Mahlerey-Kunst entgegenstehende schwarze Gewölke / auszuheitern vermochte." [3]
Mit der zu untersuchenden Frage nach den Auswirkungen des Krieges auf Kunst und Künstler betreten wir das für die Kunstgeschichte unbekannte Gebiet der Migrationsforschung. [4] Dazu soll hier ein quellenbezogener Beitrag geleistet werden.
Unterstrichen werden muß zuvor, daß Migration als Funktion individueller Künstlerkarrieren schon eine lange Tradition hatte. Zudem war in vielen Ländern, so z.B. auch durch die deutschen "Malerordnungen", die Wanderzeit nach der Lehre zur Erlangung der Meisterwürde unerläßlich. Ein Beispiel sei herausgegriffen: Nach seiner (in der Regel) vierjährigen Lehrzeit begab sich der Malergeselle auf Wanderschaft, der entsprechende Punkt der Nürnberger Ordnung lautet dazu: "Item der Jung, der Gesell ist worden, soll 5 Jahr nach seinem 4. Jahrn wandtern undt etwaß versuchen oder beÿ einen Maister gesellenweiß, biß die 9.Jahr verflossen, sich aufhalten undt von dem Probstuckh zu machen oder vor sich selbst zu arbeitten verbodten sein. Da aber die 9.Jahr umb seindt undt er sich redtlich undt wohl verhalten in der Wanderschafft, hat er dan Macht, von den 4 Vorgehern die Größ deß Brobstücks zu begehren, [...]." [5] Nicht diese, für die Ausbildung zum Maler unerläßliche, Wanderzeit soll hier unter dem Gesichtspunkt der Migration betrachtet werden, sondern vielmehr jene, die der Krieg dem Künstler auferlegte - also, inwieweit der Krieg die Künstler zu Orts- und gar Berufswechel nötigte. Der Ortswechsel konnte einmal in Hinblick auf die eigene Sicherheit vorgenommen werden, zum anderen, um an neue Aufträge zu gelangen. Denn nicht nur der Künstler "wanderte", sondern auch die Kunstzentren. Und dieser durch den Kriegsverlauf bedingte ständige Wechsel der Orte, an denen kurzfristig auch größere Aufträge zu erlangen waren, nötigte den Künstler zur Mobilität. Auch für diese 'wechselnden Kunstorte' sollen im weiteren Belege angeführt werden.
Auf Sandrarts "Teutsche Academie" greifen wir als Quelle zurück, da noch keine systematische Untersuchung über schriftliche Selbstzeugnisse von Künstlern vorliegt. Daß eine solche Zusammenstellung über schriftliche und künstlerische Selbstaussagen zum Krieg auch für unsere Fragestellung aufschlußreich wäre, belegen einige Beispiele. Der Augsburger Bildhauer Georg Petel (um 1601/02-1634) hielt auf der Beschriftung seiner Zeichnung "Sklave am Sockel des Standbildes Ferdinands I. de Medici in Livorno" einen bemerkenswerten Vorgang fest: "Diß gleichen Figur / stet zu Levorno, vnd / in werendtem Zaichne / bin ich gefeinhtlich ein / gefiert worten, in / mainung als dete ich / die Fordelo in grundt legen Ao 1623: GP" [6], also der Künstler wurde während des Zeichnens als Spion verhaftet, mit dem Vorwurf, er wolle einen Grundriß der Befestigungsanlagen anfertigen. Der Schweizer Maler Rudolph Meyer (1605-1638) schenkte 1636 seinem in der Malerausbildung befindlichen jüngeren Bruder Conrad Meyer (1618-1689) die Zeichnung "Die schlafenden Musen". [7] Das Blatt dedizierte er dem Bruder mit einem kurzen Gedicht. In diesem rät er Conrad, "ob gleich der Marß jetz uns regiert, [...]", sich auch weiterhin mit dem gründlichen Studium der Malerei zu beschäftigen, damit er für die Ausübung des Berufes in Friedenszeiten wohlgerüstet sei. Rudolph Meyer wußte wovon er sprach, denn bei seiner Gesellenwanderung - welche ihn auch im Winter 1631/32 nach Nürnberg geführt hatte - blieb ihm wegen der Belagerung dieser Stadt im 'Schwedischen Krieg' selbst nichts anderes übrig, als sich durch Nach- und Abzeichnen von Kunstgegenständen, die sich in der Kunsthandlung seines Meisters Johann Hauer (1586-1660) befanden, fortzubilden. Über diese schwere Zeit berichtet wiederum Conrad in der Familienchronik: "Weil Er mein geliebter Bruder Seelig, in Nörenberg war, ware Gustdavus Adolfus König in Schweeden [1594, König 1611-1632] mit seiner Armehe, auch in Nörenberg, und auch die Keiserische Armehe umb Nörenberg und war damahlen in Nörenberg deüre und Hunger." [8] Der Nürnberger Maler Michael Herr (1591-1661), über den Sandrart schreibt, daß er "tiefsinnige Gedanken" gehabt habe [9], dokumentiert mit seinem Gemälde "Der Stadt Nurnberg achtzehen wöchentliche Belägerung im Jahr 1632" [10] die damalige Belagerungssituation. Aufschlußreich ist seine Signatur auf dem Gemälde: "Mich: Her: pictor coævus fecit". Der Maler bezeichnet sich also selbst als Zeitzeuge ("coævus") des Dargestellten. Weitere Beispiele für die Selbstreflexion des Künstlers in seinem Werk während des Dreißigjährigen Krieges verdienten eine nährere Untersuchung [11] - so die Michael Herr-Zeichnung "Allegorie auf die Gerechtigkeit, Kunst und Krieg" [12] von 1630 und vom gleichen Künstler die Handzeichnung "Allegorische Darstellung: Gesetz, Kunst und Krieg als Herrscher der Welt" [13] oder weitere Zeichnungen von Rudoph Meyer, wie "Die ruhenden Künste und Wissenschaften des Dreißigjährigen Krieges" [14] von 1632 und "Merkur als Friedensbringer weckt die schlafenden Künste nach dem Krieg" [15] von 1632 -, doch soll, am Beispiel Sandrarts, auf die Kunstliteratur selbst eingegangen werden.
Der kurzgefaßte Vortitel, nach dem man das Werk zu zitieren pflegt, lautet "Teutsche // Academie // der // Bau- Bild- und Mahlerey- // Künste". Es folgt ein ganzseitiger Kupferstich mit den weiblichen Personifikationen der Bildhauerei, Malerei - diese erhöht - und der Architektur. Nachfolgend das Haupttitelblatt, "das weniger durch seinen barocken Wortschwall und die typographische Gestaltung mit den verschiedensten Schriftgraden überrascht, als dadurch, daß die Teutsche Academie eigentlich einen italienischen Titel hat. Es beginnt mit den in großer Kursive gedruckten Zeilen: L'Academia Todesca // della Architectura, Scultura & Pittura: // Oder // Teutsche Academie [...], womit der Verfasser offenbar betonen will, daß sich das Werk in die von Vasari begründete große Tradition der europäischen Kunstliteratur einreihe." [16] In "LebensLauf und Kunst-Werke // Des // WolEdlen und Gestrengen // Herrn // Joachims von Sandrart // auf Stockau / Hochfürstl. Pfalz-Neuburg=//gischen Rahts:" erreicht die "Teutsche Academie" ihren Abschluß und Höhepunkt. Auf 24 Folioseiten wird Sandrarts Biographie dargelegt. Sie selbst erlaubt eine Darstellung über die Auswirkungen des Krieges auf Kunst und Künstler.
Schon Sandrarts Eltern mußten ihre Heimat als Glaubensflüchtlinge verlassen und haben "wegen der Niderländischen Kriegs-Unruhe / sich nach besagter Stadt Frankfurt verwandelt". [17] Am 12. Mai 1606 wurde er in Frankfurt am Main als Sohn des vermögenden Kaufmanns Laurentius Sandrart und der Antonetta de Bodeau geboren und am 18. Mai dort getauft. Offensichtlich durch das Schicksal der eigenen Familie besonders sensibilisiert, verweist Sandrart in den Künstlerviten immer wieder auf den Vorgang der Vertreibung von niederländischen Glaubensflüchtlingen. So bei der Vita von Hendrik van Steenwyck (Heinrich von Steinwig) (um 1550-1603): "Der Kunst-Feind Mars triebe ihn aus Niederland nacher Frankfurt am Mayn / daselbst er auch sein Leben Anno 1603. geendiget." [18] Oder die Eltern des Malers Cornelis Janssens van Ceulen (1593-1664), "aus den Spanischen Niderlanden bürtig", haben "sich wegen damaliger Kriegs-Unruh nach Londen begeben / und allda diesen Sohn gezeuget". [19]
Sandrart entstammte einer aus Wallonien nach Frankfurt ausgewanderten Calvinistenfamilie und gehörte damit einer kulturell aufgeschlossenen Schicht an. Später läßt sich immer wieder in seinem "LebensLauf" die für seine Malerkarriere ausschlaggebende Einbindung in die internationale calvinistische Diaspora festmachen. Schon in seiner Jugend in Frankfurt lernte er bereits wichtige Traditionen und Entwicklungen kennen: die Stadt bediente mit heute noch beeindruckenden enzyklopädischen Monumentalausgaben den Buchmarkt; die Stillebenmalerei wurde mit großem Erfolg in der modernen Flachmalerei ausgeübt, und nur unweit entfernt arbeiteten die Frankenthaler Exulanten, die ihre niederländische Kultur importierten, wie z.B. Heinrich von der Borch d.Ä. (1583-1660). Borch "ware zwar ein geborner Brüßler / der aber / wegen der Niederländisch= und Spanischen Kriege mit seinen Eltern nach Teutschland verreist". [20] Seine Ausbildung zum Maler erhielt Borch von Gillis von Falckenburg (gest. 1622), über dessen Familie selbst noch weiter unten zu berichten sein wird, in der niederländischen Künstlerkolonie Frankenthal. Nach einer Italienreise ließ er sich dort wieder nieder, bis ihn die Unruhen des Dreißigjährigen Krieges erneut zur Wanderschaft nötigten: "Nachdeme er sich verheuratet / hat er sich zu Frankenthal etliche Jahr aufgehalten / endlich aber / wegen damaliger Kriege zu Frankfurt gesetzt". [21]
Sandrart selbst erhielt seine erste Unterweisung im Zeichnen, eigener Aussage zufolge [22], bei Sebastian Stoskopff (1597-1657) in Hanau. Dieser leitete nach dem Tod "des aus Welsch-Niderland gebürtigen Daniel de Soriau [nachweisbar ab 1586, gest. 1619] / der sich mit vielen andern fürnehmen Leuten des Spanischen Kriegs halber herauf / und zu Erbauung dieser schönen Stadt begeben" [23], noch für eine kurze Zeit dessen Werkstatt. 1620 begann Sandrart eine Lehre bei dem Nürnberger Kupferstecher Peter Isselburg (um 1580-1630). Auch bei der Wahl dieses Ortes dürfte, wie schon bei Hanau, die Tatsache mitgespielt haben, daß Nürnberg zahlreiche calvinistische Künstler aus den Niederlanden aufgenommen hatte. Die vom Krieg ausgelöste Emigrantenbewegung aus den Niederlanden hatte schon um 1560 Maler nach Nürnberg geführt. Als Sandrart zu Ausbildungszwecken in die Stadt kam, lebten sie dort schon in der zweiten oder gar dritten Generation. Einer der ersten unter ihnen war der aus der Grafschaft Bergen im Hennegau gebürtige Nikolaus Neufchatel (um 1527-um 1590). Zu nennen sind auch die weit verzweigten Familien der Juvenels und der Falckenburgs.
Stammhalter der aus den Niederlanden kommenden Künstlerfamilie der Juvenels war Nicolaus d.Ä. Dieser Maler aus Dünkirchen wird 1561 Bürger in Nürnberg und verstarb dort 1597. Über mehrere Generationen arbeiten seine Nachkommen in der Reichsstadt; geheiratet wurde anfänglich nur innerhalb der niederländischen Exulantenkreise. Als Maler sind aus der Familie der Juvenels in Nürnberg nachweisbar: Friedrich (1609-1647), Hans (1564-1632), Hans Philipp (geb. 1617) und Paulus d. Ä., (1579-1643), letzterer verstarb in Preßburg. Als Goldschmiede waren in Nürnberg tätig: Heinrich (vor 1562-1634) und Jacob (1594-1634), sowie als Schmelzmaler Paulus Juvenel d.J. (1634-1692). [24]
Die Valckenborchs - in Nürnberg haben sie ihren Namen in Falckenburg eingedeutscht - flüchteten kriegsbedingt aus Antwerpen nach Frankfurt. Erst in der zweiten Generation - in Frankfurt bestehen auch familiäre Beziehungen zu dem schon genannten Exulanten Hendrik van Steenwyck - gingen einige von ihnen zeitweise nach Nürnberg. Als Sandrart bei Isselburg lernte, arbeiteten in Nürnberg aus dieser Familie als Maler der um 1570 in Antwerpen geborene Friedrich von Falckenburg d. Ä., gestorben in Nürnberg 1623, sowie Friedrich d.J. (1598-1653) und Moritz von Falckenburg (1600-1632). [25] Wie die Juvenels - so ist z.B. Paulus Juvenel d.Ä. im Jahre 1613 an der Restaurierung des Nürnberger Rathauses beteiligt [26] - arbeiteten auch die Falckenburgs in der Reichsstadt erfolgreich. Im Zusammenhang mit dem für die Anfänge der deutschen Barockmalerei ungewöhnlichen, aber leider nicht signierten Spinettdeckel des Nürnberger Patriziers Lucas Friedrich Behaim von Schwartzbach (1587-1648) aus dem Jahre 1619 wird als Maler immer wieder Friedrich von Falckenburg genannt. [27] Das Bild entstand kurz bevor Sandrart zum ersten Mal in den Stadtmauern von Nürnberg weilte.
Die genauen Daten über die Juvenels und Falckenburgs dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß unser Wissen um die Nürnberger Verhältnisse dieser Künstler - abgesehen von der jüngsten Quellenedition der Nürnberger Malerbücher [28] - weitgehend nicht existent, die Nürnberger Barockmalerei selbst ein Stiefkind der kunsthistorischen Forschung ist. [29] Wenig Beachtung fand bisher auch die Auftraggeberschaft dieser ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Daß ein erhebliches Potential vorhanden gewesen sein muß, belegt die Tatsache, daß sich unter ihr Bartholomäus I. Viatis (1538-1624) befand [30], von dem gesagt wird, daß er "von fürstlichen Persönlichkeiten" abgesehen "der reichste Mann Nürnbergs, wahrscheinlich auch von Deutschland" gewesen sein soll. [31] Wie ergiebig die Erforschung jener Jahrzehnte sein kann, führen zwei ertragreiche Publikationen über die Sammelleidenschaft des Nürnberger Handelsmanns Paul II. Prauns (1548-1616) vor Augen. [32]
In Prag erhielt Sandrart von Sadeler den Rat, "er solte das mühsame Kupferstechen auf= und dafür zur Mahlerey sich begeben". [37] Dieses beherzigend, begann er bei dem Utrechter Caravaggisten Gerard van Honthorst (1590-1656) eine Malerlehre. Im Jahre 1627 besuchte Peter Paul Rubens (1577-1640) die Honthorst-Werkstatt und nahm Sandrart auf eine 14tägige Reise nach Holland mit, während der sie namhafte Künstlerkollegen aufsuchten. Im Jahre 1628 begleitete Sandrart seinen Lehrmeister Honthorst als Gehilfe nach London, wo dieser für Karl I. (1600, König 1625-1649) arbeitete. Nachdem Honthorst wieder in seine Heimat zurückgekehrt war, verblieb Sandrart in den Diensten des englischen Königs. Wegen Kriegswirren suchte er aber bald nach einem "Vorwand", um "beurlaubt" zu werden, worüber er ausführlich berichtet: "Es würde zwar unser H.[err] von Sandrart / der Gnade eines so großen Potentatens sich nicht entzogen haben / wann es ohne den gefährlichen Zustand selbiges Königreichs gewesen wäre. Dieser fienge sich damals an A. 1627 mit seinem sondersgnädigen Patron / dem Herzog von Buckingham: [1592-1628] welcher / als er / mit der großen Englischen Flotte die Stadt Roschelle entsetzen wollen / von seinem eigenen Leutenant / (Jan Felton genannt) im Schlafzimmer jämmerlich [am 2. 9. 1628] ermordet worden. Diese unversehene Begebnis erschreckte viel Fremde: indeme man besorgen mußte / daß der König und andere ein gleiches möchten zu befahren haben. Daß diese Sorge nicht vergeblich gewesen / hat sich nachmals geäusert: indeme / wie welt-kundig / A. 1648, auf Befehl des Parlaments / dieser große König (der an Hoheit der Tugend keinem Christlichen Monarchen gewichen / auch aller Orten beliebt gewesen) in Process gezogen worden / und zu Londen / nächst seinem Königlichen Palast / auf einem erhobenen Traurgerüste / nach verlesenem Urtheil / sein Königliches Haupt / über einem hölzernen Block / dem grausamen Justiz-Beil / unter vieler tausend / theils in Onmacht sinkenden / Menschen Seufzen und Threnen / darreichen müßen. Nachdem Herr von Sandrart / mit Vorwand / daß Er in Italien seine Studien zu perfectioniren / und hernach bey Sr. Majest. sich wieder einzufinden / gesonnen wäre / Urlaub erhalten". [38]
Ende Dezember konnte er aus dem krisengeschüttelten London abreisen. Über seine Heimatstadt Frankfurt ging Sandrart nach Venedig, wo er im Frühjahr 1629 bei dem deutschen Maler Johann Liss (um 1600-1631) wohnte. Im Frühsommer 1629 reiste er mit seinem Vetter Le Blon (gest. 1656) - dessen Eltern das gleiche Schicksal nach Frankfurt verschlagen hatte, wie Sandrarts Eltern ("Michael le Blon, von Frankfurt / deßen Eltern aus Monts / wegen langwürig= und verderblich= Spannischer und Französischer Kriege sich dahin begeben" [39]) - nach Bologna. Über Florenz zogen sie weiter nach Rom. Im Herbst 1631 war Sandrart in Neapel und ging von dort aus nach Messina und Malta. 1633 erscheint er in den Einschreibungslisten der römischen Accademia di San Luca. "Nachdem aber nun sieben Jahre vorbeygestrichen / daß er allein in Rom / anderer Oerter zu geschweigen / sich aufgehalten / nahme Er / im anfang des Junii, nachdem Er alle Rariteten nochmals besehen / und alles / was nöhtig / annotirt / auch alle virtuose Künstler höflich beurlaubet / seinen Weg über Florenz / Bologna, Venetia, und durch ganz Lombardien / nach Meyland. Teutschland / ware durch die drey Furien / Krieg / Hunger und Pest / damals / sonderlich im Elsaß / Franken und am Rheinstrom / ganz umgekehret und verheeret / und überall von dem blut= und glut-wütenden Mars unsicher und wüst gemacht: weswegen unser Herr von Sandrart / nachdem Er Teutschland wieder erreichet / mit höchster Gefahr Leibs und Lebens / über Breisach / Speyer / Frankenthal und Oppenheim / gegen Frankfurt gereiset. Weil damals A. 1635 dieses sein Vatterland / von Ihr. Kayserl. Majest. General Grafen von Gallas [1584-1647], mit 13000 Mann blocquirt war / als mußte er / in der Pfingst-Nacht / durch das Croatische Lager / sich zu fuß hinan wegen: da Er dann / ein Gestrauße zum Schirm habend / bey anbrechendem Tag / mit verwunderung der Schildwacht / am Thor glücklichen angelangt". [40]
In Frankfurt heiratete er 1637 Johanna Milkau (Mulkeau) (1618-1672), eine Erbtochter aus calvinistischen Bankierskreisen [41], und nimmt den ältesten Sohn Merians, Matthäus Merian d.J. (1621-1687), als Lehrling an. Als Sandrart 1635 aus Rom in das vom Krieg unterjochte Deutschland zurückkehrte - vielleicht einem trügerischen Gerücht von den Friedensverhandlungen in Prag folgend und auf Beendigung des 'Schwedischen Krieges' hoffend - hatte er gerade den schlimmsten Zeitpunkt getroffen. [42] Sein Bericht über die kannibalistischen Vorkommnisse in Frankfurt, bei denen ausgehungerte Bauern versucht hatten, seinen Lehrling zur "Schlachtbank" zu führen, belegen diese Einschätzung nur allzu drastisch: "Weil aber der Teutschen Lande Wolstand je mehr und mehr ab= und die Hungersnoht / neben der Pest / so stark überhand genommen / daß man Ihme seinen Scholarn / den jungen Matthæum Merian / als er denselben / gegen abends / zu seinem Schwager in einer Verrichtung gesendet / mit anwurf eines Stricks um den Hals / erwürgen und zur Schlachtbank liefern wollen / dessen sich etliche hungerige Bauren unterstanden / denen er aber glücklich entronnen: hat dieses ihn [Sandrart] so perplex gemacht / daß Er sich / samt den Seinigen / zu mehrer Sicherheit / nach Amsterdam verwandlet. Daselbst hat Er einen Kunst-vollen Parnass der Edlen Mahlerey aufgerichtet [...]." [43]
Nach Ostern 1637 zog das junge Paar über Utrecht nach Amsterdam, wo beide Verwandte hatten und alsbald Kontakte zu den wichtigsten Kreisen hergestellt waren. Verglichen mit dem vom Krieg gezeichneten Deutschland (im 'Schwedisch-Französischen Krieg' stand man kurz vor den großen Schlachten am Ober- und Mittelrhein), waren die Verhältnisse in dem aufblühenden Amsterdam glänzend. Schon die Tatsache, daß überlegt wird, ob das 1637 von Sandrarts Vetter Michiel le Blon an der Keizersgracht gekaufte Haus bei der Westerkerk für das junge Paar bestimmt gewesen sei, belegt, daß Sandrart an dem "Gouden Eeuw" teilhatte. Sandrart verlegte sich in Amsterdam ganz auf die Portraitmalerei, nach der, durch den Zustrom der Südniederländer, eine starke Nachfrage herrschte. Im Sommer 1641 war Sandrart in München, wo er für den bayerischen Kurfürsten Maximilian I. (1573-1651, Herzog seit 1597/98, Kurfürst seit 1623) arbeitete. [44]
Nach dem Tod seines Schwiegervaters Philipp Milkau (1583-1644) im Jahre 1644 erbte Sandrarts Frau Johanna die Hofmark Stockau bei Ingolstadt: "Es wolte aber / die Göttliche Vorsehung / unsern H.[errn] von Sandrart auch daselbst [in Amsterdam] nicht lassen. Dann als Ihme / das Landsaßen-Gut Stockau / bey Ingolstadt im Pfalz-Neuburgischen Gebiet / erblich angefallen / hat Er / mit großem Leid aller Kunstliebenden Amsterdamer [...] sich dahin begeben müßen / um diesen Adelsitz zu bewohnen / und demselben vorzustehen. Er hat aber daselbst [in Amsterdam] / alle seine Kunstwerke / auf inständiges Bitten und anhalten der Kunst Liebhabere in Amsterdam / gegen hochwichtigem baarem Wehrt / hinterlassen [...]; worauf Er / in ausbegleitung vieler Personen / sich auf die Reiße begeben." [45] Sandrart hatte bei seiner Heirat mit seinem Schwiegervater die günstig zwischen Augsburg, München und Nürnberg gelegene Hofmark Stockau [46] als zukünftiges Erbe eingekauft. Nun (1645) trat er als Landsasse dieses an der Donau im Bereich des kunstsinnigen Herzogs von Neuburg und Jülich-Berg, dem Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm (1578-1653, seit 1609 Herzog) gelegene Erbe an. 1645 erhielt er vom Pfalzgrafen das Privileg der Religionsfreiheit und bezeichnete sich von da ab als pfalz-neuburgischer Rat; ein Jahr später erhielt er die Patrimonialgerichtsbarkeit. Bereits im Herbst 1646 besuchte ihn Erzherzog Leopold Wilhelm (1614-1662) in Stockau. In dessen Begleitung reiste der Maler Jan van den Hoecke (1611-1651), der bei Rubens gelernt und sich anschließend mehrere Jahre in Italien - vorwiegend in Rom - aufgehalten hatte. Sandrart berichtet, und damit gibt er erneut Auskunft über die Auswirkungen des Krieges auf Kunst und Künstler, über dessen Heimreise: "da er auf dem Ruckweg in sein Vatterland begriffen gewesen / er unterwegs von Ihro Erz-Herzoglichen Durchleucht / Leopold Wilhelm / aufgehalten worden / und viel Jahre bey ihm im Krieg verblieben seye / maßen / als erstgedachte Herzogliche Durchleucht Anno 1637. [sic!, 1646 [47]] mir [Sandrart] die Gnad gethan / daß sie mich auf meinem Schloß Stockau heimgesuchet / auch dieser Künstler bey ihme gewesen / dem ich die Stuck / welche ich für ihr Churft. Durchl. Maximilian in Bayern und das Stift Würzbürg / unter Handen gehabt / gezeigt." [48 ]Sandrart mußte mit erheblichem finanziellen Einsatz die ererbten Besitzungen instandsetzen. Doch der anhaltende Krieg machte bald wieder alles zunichte: "In so betrübten Zeiten" fand er "sein Land=Gut ganz verderbt / und muste Er seinen gepressten Unterthanen mit eigenen baaren Mitteln wieder aufhelfen / auch alles von neuem in Bau führen und repariren: welches Er gern thäte / in Hoffnung / dasselbe desto eher anzubringen und zu verkauffen. Aber es erfolgte weit ein anders. Dann / als nun alles wieder in flor und gutem Wesen stunde / kame im letzten Bayrischen Krieg A. 1647 ein neues Ungewitter / und wurde / unangesehen Stockau neutral und im Pfalz-Neuburgischen Gebiete / das Schloß / samt der ganzen dazu gehörigen schönen Hofmark / auch der Unterthanen 37 schönen Gebäuden und Mühlwerken / aus Bosheit und ohne einige Ursach / von den daselbst durchziehenden Franzosen / wieder angesteckt / verbrannt und in die Aschen geleget: welches Er / von einem Thurn zu Ingelstadt [Ingolstadt] / dahin er seine Mobilien geflehet hatte / nicht ohn herzbrechenden Wehmut / ansehen müßen. Als aber / im folgenden Jahr / der langgewünschte Friedens Bote angeländet / hat Herr von Sandrart sich aufs neue daran gemacht / und alles viel herrlicher und bequemer aufgebauet / als es zuvor gestanden." [49]
Die erheblichen Mittel dazu kamen auch aus den Einnahmen der Nürnberger Portraitaufträge anläßlich des Nürnberger Friedensexekutionskongresses. Ab 1649 arbeitete Sandrart, wie viele weitere Künstler von den großen Auftragsmöglichkeiten angelockt, in der Reichsstadt: "Als unlang hernach A. 1649, nach dem leidigen dreißig-jährigen Kriegs-Ungewitter / die liebe lang-verlangee güldene Friedens-Sonne das betrübte Teutschland wieder angeblicket / und die Stände des Reichs / samt den hohen Generalen der inn= und ausländischen interessirten Cronen / theils in Person / theils durch ihre fürtreffliche Abgesandten / zur Execution und Vollziehung des Friedenschlußes / sich nach Nürnberg versammlet: hat auch die / mit vollen Ruhmstrahlen das Reich durchleuchtende Kunst-Sonne / unser Herr von Sandrart / von hoher Hand dahin beruffen [50] / daselbst sich einfinden müßen. Allhier bekame nun sein unvergleichlicher Kunst-Pinsel volle Arbeit / und Gelegenheit / sich der Welt verwunderbar zu zeigen." [51] Die Menge der Gemälde gibt Sandrart selbst mit "allein auf Swedischer Seite wol Achzig" [52] an! An Sandrarts Seite stand u.a. Daniel Preisler, über dessen Schicksal - "Ao. 1628 den 3 Junii wegen der Religion halber meine Eltern von Prag entwichen" [53] - schon berichtet wurde: "An. 1650. bey dem Friedenschlus=Tag allda [in Nürnberg] alle hohe Potentaten durch unsern von Sandrart in Lebens=Grösse / theils zu Pferd / theils anderer Gestalt / nach dero hohe Würden abgecontrafäet worden / und er Preißler diese Art von Mahlen ersehen / Er endlich durch abcopiren des Königs in Schweden [Carl X. Gustav; 1622, König 1654-1660] / Herzogens von Amalfi [Ottavio Piccolomini, 1599-1656] und vieler anderer Potentaten / Contrafäten so weit gekommen / daß er hernach andere und bessere Manier an sich genommen / und also mercklich empor gestiegen / daß er darauf mit seinen schönen und wolgleichenden Contrafäten Hohe und Niedere aufs fleissigste bedient / so / daß er auch bey einigen umligenden Fürsten hierinnen aufzuwarten beruffen worden." [54] Daniel Preisler wurde der Stammvater einer über mehrere Generationen tätigen Nürnberger Malerfamilie, sein Sohn Johann Daniel (1666-1737) wurde Nürnberger Akademiedirektor. Ebenfalls in Nürnberg war der durch Sandrart selbst ausgebildete Matthäus Merian d. J., der in Frankfurt nur mit knapper Not "hungerigen Bauren" entkommen war. "Wie er dann Ihro Excellenz Herren Feldmarschall Wrangel [1613-1676] / mit seiner Kunst / so wol im Feld / als zu Nürnberg / Anno 1650. bey dem gehaltnen Friedens-Executions-Tag aufgewartet; auch die Käyserliche / Königliche Schwedische und Französische höchste Kriegs-Officier / neben dem meisten Theil der Obristen in Lebens-Größe und bäster Perfection, ganz wolgleichend / abgebildt / und in sehr kurzer Zeit gecontrafätet / worfür er in die 5000. Reichsthaler Verehrung überkommen." [55] Gleichfalls durch die Aufträge angelockt wurde der Bildhauer und Wachsbossierer Georg Pfründt (1603-1663), über dessen Schicksal im Dreißigjährigen Krieg Sandrart berichtet: "Bey folgender eingerißner Kriegs-Unruhe hat er sich unter Herzog Bernhard von Weimar etc. [1604-1639] Armee in Kriegs-Dienste begeben / und auf 2. oder 3. Pferde Bestallung gehabt / hernacher aber ist er in der Nördlinger-Schlacht [1634] und Niderlag der Schwedischen gefangen / jedoch über einige Zeit / nach vielen erlittnen Elend und Todes-Gefahr / wieder ledig gelaßen worden / und zu seinem vormaligen Herrn / Herzog Bernharden kommen / auch demselben in wärender Belägerung Breysach [1638] gedienet / und sonderlich lieb und angenehm gewesen." [56] Nach einem Aufenthalt in Paris ist Pfründt "wieder in Teutschland nacher Nürnberg / bey wärendem Friedens-Executions-Convent, kommen / allda hat er sich / nach Verfärtigung vieler schöner Arbeit / auch Absterbens seines Weibs / nacher Regenspurg zu den Reichstag / und erfolgender Krönung [57] begeben." [58]
Auch Sandrart ging zu dem Reichstag 1653 nach Regensburg, wo ihm von Ferdinand III. (1608, Kaiser 1637-1657) der Adelstitel verliehen und das Wappen verbessert wurde. Ab dem Frühjahr 1654 hielt er sich vorwiegend auf Stockau auf und verreiste in den folgenden Jahren nur noch, um auswärtige Aufträge wahrzunehmen.
1670 verkaufte Sandrart den Adelssitz an den kurbayerischen Geheimrat - er war kurbayerischer Gesandter auf dem Regensburger Reichstag gewesen - Franz von Mayr, "letzlich / weil Er zu einigen Leibs-Erben keine Hoffnung hatte" [59] und zog nach Augsburg. Auch hier sammelt er Nachrichten über Künstler und weiß über Matthäus Gundelach (1566-1653/54) und dessen Augsburger Tätigkeit zu berichten: "Also hat sich Gondolach in Augstburg seßhaft gemacht / und daselbst viele schöne Werke [...] verfärtiget / würde auch ohne Zweifel seine Tugend und fürtrefliche Wißenschaft noch mehr an Tag gegeben haben / wann nicht theils selbiger Zeiten betrübter Zustand / theils sein schon reifes Alter / ihme den Lauf längeren Lebens und fernerer Arbeit gesperret". [60] Nach dem Tod der ersten Frau Sandrarts in Augsburg 1672 heiratete er ein Jahr später in der Nürnberger St. Lorenzkirche die 1651 geborene Esther Barbara Blomert. Anfang 1674 übersiedelte Sandrart nach Nürnberg, wo er als Leiter des Bauwesens für die evangelisch-reformierte Gemeinde in Stein bei Nürnberg tätig war.
Hier in Nürnberg erschien nun in dicht Folge sein schriftstellerisches Werk, für das er schon lange vorher das Material zusammengetragen hatte. Nicht immer berücksichtigt Sandrart darin die Auswirkungen des Krieges auf die individuellen Künstlerbiographien. So bleibt in der "Teutschen Academie" unerwähnt, daß nach 18 Jahren in Italien Johann Schönfelds Heimkehr im Herbst 1651 nach Deutschland auffallend mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zusammenfällt. Dafür weiß Sandrart aber von der glücklichen Rückkehr des aus Prag vertriebenen Carolo Screta zu berichten, der über Bologna und Florenz 1634 nach Rom kam. Er "perfectionirte sich daselbst durch Aemsigkeit und Fleiß dergestalt / daß er sich reich genug schätzte / wieder in sein Vatterland Prag zuruck zu kehren / und daselbst die Früchte seines Füll-Horns aus zuschütten. Als er daselbst von denen Anverwandten und Kunstliebenden bewillkommet worden / fand er die edle Mahl-Kunst in einem tieffen Schlamm äußerster Verachtung stecken / und gleichsam gar aus der Stadt verbannisiret / dannenhero bemühte er sich möglichst / dieselbe durch fürtrefliche Kunstwerke wieder zu erheben / und den Schmutz von ihrem Gesichte abzuwaschen / wie er dann sie wieder auf ihre vorige Stelle gesetzet / und in Flor gebracht / sich selbsten aber durch seine schöne Qualitäten / Freundlichkeit und löblichen Tugendwandel / bey hohen und niedern Stands-Personen beliebt und geehrt gemacht." [61] Bei der Aufzählung der Werke von Jacques Callot (1592-1635) hebt Sandrart das "verwunderliche Büchlein / genant 'Le Misere della Guerre', als ein besonder ausgesonnenes Werk / von des Kriegs Jammer / Elend und Noht (wornach von vielen sehr getrachtet worden)" hervor. [62] Aber auf den Augsburger Radierer Hans Ulrich Franck (1603-1675) geht Sandrart gar nicht erst ein, und damit erfährt der Leser der "Teutschen Academie" auch nichts von dessen beeindruckendem Graphikzyklus über die Greueltaten und Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, den Franck zwischen 1643 und 1656 schuf. Über den kriegsbedingten "Berufswechsel" des Malers Jacob Ernst Thoman von Hagelstein (1588-1653) lesen wir jedoch: Er "hat die fürtrefliche Kunst der Mahlerey erstlich zu Costanz und Kempten in etwas ergriffen. [...] Als nun das Teutschland mit Krieg überschwemmet worden / hat er sich in der Kayserl. Majestät Kriegs-Dienste begeben / und ist viele Jahre Kayserl. Commissarius und Proviantmeister gewesen / unter welcher Zeit er dann auch / wie leicht zu erachten / sich der Mahler-Kunst entschlagen müssen". [63] Und Wallerant Vaillant (1623-1677) "befande sich auch ein Zeitlang bey der Chur-Pfalz. Aber die Kriegs-Unruhen selbiger Landen / machte ihn nacher Amsterdam gehen." [64] Über die Kriegserlebnisse ("viel ausgestanden") Leonhard Kerns (1588-1662) [65] berichtet Sandrart kurz, aber beeindruckend. Kern "ist aus einem Ort im Ottenwald gelegen / bürtig gewesen / hat sich lange in Italien aufgehalten / und sowolen in der Bildhauer-Kunst / darinn er bekannter maßen excellirt / als auch in der Architectur geübet / hernach aber in Teutschland in währender Kriegs-Unruh viel ausgestanden." [66] Vielleicht sind Kerns eigene Kriegserlebnisse eine Erklärung für die Anfertigung der ungewöhnlichen Plastik "Szene aus dem Dreißigjährigen Krieg". Denn die Verarbeitung des Themas in der Bildhauerkunst ist, anders als bei der Malerei und Graphik, ausgesprochen selten. Die Kleinplastik aus Alabaster in den Kunsthistorischen Sammlungen in Wien (Inv. Nr. 4363) ist bereits im Inventar von 1659 des Erzherzogs Leopold von Österreich genannt: "Ein nackhentes Weibspildt, welche von einem Soldaten hinderwerts mit einem Degen durchstochen wirdt." [67]
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