WALTER ERNST SCHÄFER
Der Dreißigjährige Krieg im "Soldatenleben" Moscheroschs und den simplicianischen Erzählungen Grimmelshausens
An Kriegserfahrung fehlte es beiden nicht: Johann Michael Moscherosch (1601-1669), der bekannteste Satiriker, und Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (ca. 1621-1676), der bedeutendste Erzähler jener Zeit - beide haben den "Teutschen Krieg" am eigenen Leib erfahren und Notzeiten, Erpressungen und Todesdrohungen über sich ergehen lassen müssen. Die Einsichten, die sie im Krieg gewannen, sind ihnen zum guten Teil gemeinsam. Die Akzentuierung allerdings ist nicht immer die gleiche. Ursache dafür ist einerseits der Unterschied zwischen den Generationen - Grimmelshausen ist gut zwanzig Jahre jünger als Moscherosch und wurde anders als dieser schon als Vierzehnjähriger mit dem Krieg konfrontiert - und andrerseits die Verschiedenartigkeit ihrer jeweiligen Lebensräume. [1]

Moscherosch war eine relativ behütete Jugend bis etwa 1622, bis zum Übergreifen des Pfälzischen Krieges auf die Oberrheingebiete, beschieden. Seine Schulbildung und seine akademische Ausbildung an der Universität Straßburg vollzogen sich noch in geordneten Bahnen, auch wenn er sein letztes Bildungsziel, den juristischen Doktorgrad, nicht mehr erreichen konnte. Seine humanistischen und juristischen Fähigkeiten sicherten ihm die Anwartschaft auf Verwaltungsstellen an den Höfen deutscher Landesherren, zunächst im lothringischen Raum.

Das Leben Grimmelshausens war von Beginn an von den Bedrohungen des Krieges, von Angst und Unruhe geprägt. Er wurde 1634 seiner Familie entrissen, seine Ausbildung, wahrscheinlich an der Lateinschule in Gelnhausen, brach jäh ab. So ist es kein Wunder, daß er sich - wortwörtlich - von der Pike auf im Kriegstreiben emporarbeiten mußte. Grimmelshausen, soweit sich sein Lebenslauf aus seinen Erzählungen rekonstruieren läßt, gewann die breitere Erfahrung in diesem Krieg. Er war als Junge bei den Schweden in der Festung Hanau, als Pferdeknecht bei den kaiserlichen Kroaten, als Troßbube bei einem kursächsischen Regiment vor Magdeburg 1636, als Dragoner unter dem Kommando des bayerischen Generals von Götz am Oberrhein, als Musketier und Regimentssekretär bei dem in kaiserlichem Dienst stehenden Kommandanten von Offenburg und dem Obristen von Elter in Bayern und der Oberpfalz. Er stand selbst auf einigen der am meisten genannten Schlachtfelder, wahrscheinlich vor Wittstock 1636, sicher vor Wittenweier 1638. Er lernte fast alle Kriegsparteien und die meisten Waffengattungen mit ihren Taktiken und Techniken kennen. Seine Schreiberfunktion gab ihm Einblick in die höheren Befehlsränge, ihre Gesinnungen und Kriegsziele.

Moscheroschs Gesichtskreis blieb beschränkter. Er, dessen Lebenslauf besser dokumentiert ist, kannte keines der Schlachtfelder, sondern erfuhr den Krieg in den abseits liegenden lothringischen und elsässischen Gebieten, zumeist in befestigten Städten. Doch hat er nicht weniger unter ihm gelitten. Auch war sein Umgang mit regierenden Herren, mit höherrangigen Offizieren wohl enger als der Grimmelshausens. Dennoch diente er - aus Überzeugung - nur einer Seite: lutherischen Reichsfürsten und ihrer Schutzmacht, den Schweden. Angebote von französischer Seite schlug er, mißtrauisch gegen die Kriegsziele des absolutistischen Staates, aus. [2] Grimmelshausen, mittellos und ohne Rückhalt durch eine Familie in den Krieg gestoßen, konnte sich solche Treue zu einer der Parteien nicht mehr leisten. Seine Schriften sprechen fast alle vom Krieg, von der ersten Abhandlung, dem "Satyrischen Pilgram" 1666/67 bis zum zweiten Teil des "Wunderbarlichen Vogelnests" 1675, am meisten freilich sein bekanntester Roman, der "Simplicissimus Teutsch" 1668.

Moscherosch, mit seiner breiteren humanistischen Bildung, seinen historischen, ökonomischen, politischen Interessen, hat nur eine Satire geschrieben, die sich ausführlich mit dem Kriegsgeschehen befaßt, das "Soldaten-Leben" in der Ausgabe seiner "Gesichte Philanders von Sittenwalt" 1644. [3]

Sie geriet im zwanzigsten Jahrhundert in Vergessenheit, zu Unrecht, denn ihre Berichte von den Streifzügen und Räubereien einer marodierenden Bande zwischen Mosel und Rhein in der Endphase des Krieges sind detaillierter, in gewissem Sinn realistischer als die Grimmelshausens im "Simplicissimus". Grimmelshausen hat sie gekannt - schon die räumliche Nähe von Renchen, wo er seit 1667 Schultheiß war, zu Willstätt, dem Heimatort Moscheroschs, und dessen Hauptwirkungsort Straßburg, mußte sie ihm bekannt werden lassen. Er hat dem "Soldaten-Leben" manches Motiv, manchen Gedanken entnommen und weiter entwickelt. Die Deutungsmuster und Erklärungsmodelle, mit deren Hilfe beide Autoren die wirren Kriegserfahrungen ordnen, sind im wesentlichen die gleichen. Geschichtliche Ereignisse werden im Gesamtzusammenhang der göttlichen Heilsgeschichte verstanden und als Auswirkungen der providentia Dei zu verstehen gesucht. Das gilt für den strengen Lutheraner Moscherosch ebenso wie für den konvertierten Katholiken Grimmelshausen.

Nach diesem Verständnisraster ist der Krieg ein Strafgericht Gottes für die Versündigung der Menschen, die größte der drei "Hauptstrafen" neben Hunger und Pest. Frieden kann nur durch Buße und Hebung des moralischen Standards aller Stände herbeigeführt werden. Dieser religiös verstandene Ursachenzusammenhang droht, wie bei allen Autoren der Zeit, die Wahrnehmung der realpolitischen Kriegsursachen und Kriegsziele zu verzerren. [4]

Grimmelshausen suchte in seinen drei Kriegsromanen um die Figuren des Simplicissimus, der Courasche und des Springinsfeld - wie die meisten Menschen seiner Zeit - das Kriegsgeschehen mit seinem religiösen Weltbild zu vereinbaren. Er wollte auch die Kriegsschicksale der einzelnen Soldaten und Kriegsopfer als vorherbestimmte Verhängnisse Gottes und als aus der Konstellation der Gestirne in der Geburtsstunde des einzelnen ("Nativität") sich ergebende Geschicke begreifen. Seine Erzählungen machen aber auch deutlich, daß diese Erklärungsversuche an Grenzen stießen. Der Massentod auf dem Schlachtfeld ließ sich nicht mehr ohne weiteres aus der doch jeweils verschiedenen "Nativität" der Gefallenen erklären. Vor allem aber war für Grimmelshausen das Schlachtfeld ein Zeichen für die Umkehrung aller Ordnungssysteme, die ein geregeltes Miteinander der Menschen ermöglichen.

Er stellte die Schlacht nicht wie der Autor des Panorama-Kupferstichs der Schlacht bei Wittstock als ein geordnetes, gefällig arrangiertes Geschehen dar, sondern als eine Verkehrung aller gottgewollten Beziehungen zwischen Mensch und Mensch, zwischen Mensch und Tier:

 "da sahe man nichts als einen dicken Rauch und Staub, welcher schiene als wolte er die Abscheulichkeit der Verwundeten und Todten bedecken. In demselbigen hörete man ein jämmerliches Weheklagen der Sterbenden und ein lustiges Geschrey der jenigen, die noch voller Muth stacken. Die Pferd selbst hatten das Ansehen, als wenn sie zu Verthedigung ihrer Herren je länger je frischer würden, so hitzig erzeigten sie sich in dieser Schuldigkeit, welche sie zu leisten genötiget waren. Deren sahe man etliche ihren Herrn todt darnider fallen, voller Wunden, welche sie unverschuldter Weis zu Vergeltung ihrer getreuen Dienste empfangen hatten; andere fielen umb gleicher Ursach willen auff ihre Reuter und hatten also in ihrem Todt die Ehr, daß sie von denjenigen getragen wurden, welche sie in währenden Leben tragen müssen [...]" (Simplicissimus, Buch II, 27. Kapitel: Die Schlacht bei Wittstock)

Der Krieg ist für Grimmelshausen ein "Monstrum". Das Kriegschaos wird als das Gegenteil einer Friedensordnung verstanden, es ist "verkehrte Welt". Beide Autoren zeichnen in zahllosen Varianten Bilder auf den Kopf gestellter Ordnungssysteme. Nur so ist es verständlich, daß Moscherosch in seiner Schrift "Soldaten-Leben" dem großformatigen Kupferstichportrait, auf dem er selbst als Amtmann von Finstingen dargestellt ist, so große Bedeutung beigemessen hat. [5]

Sicher, er hat hier einen entscheidenden Moment seiner Biographie ins Bild fassen lassen: den Überfall jener Räuberbande entlaufener Soldaten auf ihn und seine Knechte vor den Toren von Finstingen am 6. September 1641. [6] Er kostete ihn seinen Viehbestand, seinen Lebensunterhalt, und zwang ihn zur Rückkehr mit seiner Familie hinter die festen Mauern Straßburgs. Aber das allein macht nicht die Signifikanz des Stiches aus. Er ist Abbild einer verkehrten Ordnung. Er zeigt, daß der Vertreter des "Lehrstandes", der fürstliche Beamte Moscherosch, durch die Kriegsumstände gezwungen ist, seine Familie als Landbauer durch der Hände Arbeit zu ernähren. Moscherosch hatte seit Monaten keine Besoldung mehr erhalten. Der Krieg stellte die Grundordnung des Ständeaufbaus von Lehr-, Nähr- und Wehrstand auf den Kopf. Grimmelshausen hat eine ganze Schrift dieser "Verkehrten Welt" (1672) gewidmet und dort den kriegsbedingten Umwälzungen breiten Raum gegeben. [7] Er meint nichts anderes, wenn er den Krieg immer wieder als "Monstrum" bezeichnet, als ein Wesen, dessen Gestalt aus menschlichen und tierischen Teilen zusammengesetzt ist. [8]

Die wohl folgenreichste Verkehrung ist die des Menschen zum Tier, des Soldaten zum Räuber. Moscherosch und Grimmelshausen bringen jene Erfahrungen zur Sprache, die bei lang andauernden Kriegen auch noch im zu Ende gehenden 20. Jahrhundert zu machen sind: Soldaten drohen auf ihren Kriegszügen in steigendem Maße zu verrohen, und ihr Seelenleben reduziert sich auf tierische Instinkte. So besteht die Gefahr, daß sie zu Mördern und zu Bestien werden. Beide Autoren schildern detailliert diesen psychologischen Prozeß, Moscherosch als die graduelle Anpassung seines Helden Philander an die verkommene Moral einer Räuber- und Mörderbande, Grimmelshausen in der Beschreibung stets wachsender Weltverfallenheit seines Simplicissimus. Beide deuten ihre empirischen Erfahrungen in den Bahnen ihres religiösen Weltverständnisses. Der zum Tier herabgesunkene Soldat zerstört, was den Menschen in der Ordnung der Lebewesen auszeichnet, seine Gottebenbildlichkeit. [9] Der Mensch sinkt zum Zwitterwesen herab, halb Mensch, halb Tier. Bedeutungsvoll hinweisend ist das Monstrum auf dem Titelkupfer des "Simplicissimus" - ein Zeichen des bedrohten menschlichen Wesens.

Als Satiriker, nach jenem älteren, vom Humanismus übernommenen Verständnis von der Aufgabe der Satire, hatten beide die Pflicht, der "verkehrten Welt", den geschilderten Verzerrungen anthropologischer und sozialer Ordnungen durch den Krieg, Maßstäbe für gerechtere Ordnungen entgegenzustellen. [10]

Beiden gemeinsam ist die tradierte Idee vom "gerechten Krieg", das heißt von einer durch ethische Grundsätze regulierten Kriegführung, die sich nur durch einen dem Rechtsempfinden entsprechenden Kriegsgrund, durch ein gerechtes, den Frieden begünstigendes Kriegsziel und durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel legitimieren kann. Der Rückgriff auf die von Augustinus begründete, von Thomas von Aquin und spanischen Spätscholastikern umfassend entwickelte Theorie war um so dringender, als sie unter dem Eindruck der pragmatischen Kriegspolitik absolutistischer Herrscher mit ihrer Zielsetzung der Arrondierung des Staatsgebietes, der Mehrung der "Reputation", in Vergessenheit zu geraten drohte. Moscherosch läßt bezeichnenderweise einen Bauern in der Runde moralisch verkommener Soldaten die Grundsätze dieser Theorie vorbringen:

 "Ihr Herren, wenn ihr etwas vorhabt, eine Schlacht, ein Scharmützel, einen Streifzug, so bedenkt zuerst, wem ihr dient. Tut nicht wie manche, die da sagen, ich nehme Geld und diene dem Teufel. Denn wer gegen seine Glaubensgenossen dient, der ist schlimmer als ein Heide. Danach denkt nach, ob das Recht auf eurer Seite ist. Drittens, ob es zur Ehre Gottes, zum Dienst eures gnädigen Herrn und zu des Vaterlands Heil sein kann. Wenn das so ist, dann sprecht so: Großmächtiger Gott, himmlischer Vater! Hier bin ich nach deinem Göttlichen Willen in diesem weltlichen Werk und Dienst meines Herrschers, wie ich es schuldig bin, und bin gewiß, daß dieser mein Gehorsam auch dir wohlgefällig ist. [...] Erhalte, oh lieber Gott, und stärke mir solchen Glauben durch deinen Geist und gib, daß ich alle Untugend und Grausamkeit gegen unschuldige Leute vermeide und ein mitleidiges Herz habe, gegen meines gnädigen Herrn Feinde aber ein hartes Mannesherz, Gesundheit, beständigen Mut und Tapferkeit, damit ich streite wie ein Held für deines Namens Ehre und meiner Seele Bestes um Jesu Christi willen. Amen." [11]

Auf der Erzählebene fruchtet die Ermahnung nicht viel. Einer der zuhörenden Marodeure gibt zurück:

"Wenn ich morgens aufstehe dann spreche ich ein ganzes ABC. Darin sind alle Gebete enthalten. Unser Herrgott kann sich dann die Buchstaben selbst zusammenlesen und Gebete daraus machen wie er will. Und wenn ich mein ABC gesagt hab', so bin ich abgewischt und getränkt und an diesem Tag so fest wie eine Mauer." [12]

Und ein anderer:

 "Und ich, [...], ich lasse morgens einen Furz streichen als Morgensegen. Das tut mir den ganzen Tag wohl im Leib."

Moscherosch weiß um die Vergeblichkeit des Versuchs, die Soldateska noch einmal auf Grundsätze gerechter Kriegführung zu verpflichten. Er ist sich wohl auch bewußt, daß sein Rückgriff auf das Ideal des christlichen Streiters, wie es Luther in der Schrift: "Ob Kriegsleute auch in seligem Stand sein können" (1526) umrissen hat, nicht viel an den Fakten ändern wird. Dessenungeachtet rückt er in sein "Soldaten-Leben" ein langes Gedicht unter dem Titel "Der Soldaten Lehr-Brief" ein, das in achtzig Strophen die Verhaltensregeln für einen solchen Streiter entwickelt. [13]

Entschieden weisen Moscherosch und Grimmelshausen alle Versuche zurück, den Krieg - zumindest in seiner späten Phase - als eine Auseinandersetzung zwischen Konfessionsparteien zu verstehen. Die Gesinnung von Soldaten und Offizieren, die in Freundesland nicht weniger plünderten, erpreßten, vergewaltigten als in Feindesland, der bedenkenlose Übertritt von Gefangenen in die Söldnerdienste der jeweils anderen Partei, die selbstsüchtigen Versuche von Heerführern, eigenen Grundbesitz, auch eigenes Territorium, zu erwerben, das alles ließ ein solches Verständnis nicht mehr zu. Immer deutlicher zeichnete sich hinter den Fronten der kriegführenden Parteien der tiefere Gegensatz zwischen seßhaften Bürgern und wehrlosen Bauern einerseits, bindungslosen Soldaten und Marodeuren andererseits ab.

Es gab auch Erfahrungen Moscheroschs und Grimmelshausens, die sich ganz offenbar nicht mehr nach den eingespielten Deutungsmustern lutherischer oder katholischer Glaubenslehre interpretieren ließen. An solchen Punkten der Erzählung stellen die Autoren ihre Zweifel in der Form kontroverser Diskussion zwischen einzelnen Erzählfiguren oder abgemildert durch die Einlage eines fiktiven Traumgesichts, einer anscheinend unverbindlichen Vision, dar.

Zu den quälenden Kriegserfahrungen gehörte der Zweifel an der Vorsehung Gottes, insofern sie Leben und Schicksal des einzelnen Menschen bestimmte (providentia privata). Der Anblick von Tausenden in einem Augenblick hingerafften Toten auf einem Schlachtfeld oder bei einer Pestepidemie nagte an der Überzeugung vom Walten Gottes im einzelnen Leben. In Moscheroschs "Soldaten-Leben" entfacht sich die Diskussion, als auf der Saar ein Schiff in den Grund gebohrt wird, auf dem "an fünfundzwanzig Personen, viel vornehme ehrliche Leute" im gleichen Augenblick zu Tode kommen. Der Erzähler Philander macht sich Gedanken darüber,

 "wie es möglich ist, daß so viele ehrenwerte Leute alle miteinander sterben mußten, in ein und derselben Stunde, an ein und demselben Ort und auf ein und dieselbe Art, wo sie doch ohne Zweifel nicht alle ein und dieselbe Geburtsstunde und dieselben Sternzeichen am Himmel gehabt haben." [14]

Ein Freund Philanders, Doktor der Medizin, besteht auf der These, daß die Umgekommenen alle notwendig ein und dasselbe "Geburtszeichen" gehabt haben müßten, denn die Nativität bestimme Lebenslauf und Lebensende. Vordergründig geht es um Astrologie. Doch in der Gegenargumentation Philanders tritt zutage, daß mehr gemeint ist:

 "Da ist einer von glückverheißender Geburt und unter dem Zeichen eines langen Lebens geboren, zieht aber in eine Stadt oder wohnt schon in einer solchen, über die ein großes Unglück verhängt ist, wie zu unseren Zeiten über die Stadt Magdeburg. Der wird mit der ganzen Stadt zugrunde gehen, wenn er auch noch so gute Zeichen eines langen Lebens in seiner Geburtsstunde gehabt hat. Wie oft sehen wir, daß durch eine allgemein eingerissene Pest Leute wegsterben, die doch ihrer Geburtsstunde nach noch viele Jahre hätten leben können und sollen. Solches ist auch aus der Heiligen Schrift bekannt, daß oft der Unschuldige wegen der Bosheit der Schuldigen sein Leben lassen mußte und frühzeitig sterben, den es doch Gott an der Seele nicht wird haben entgelten lassen."

Es geht um Schuld und Unschuld des einzelnen, um Bestrafung und Belohnung durch Gott hier und im Jenseits, um Gottes Gerechtigkeit bei der Zuteilung des jeweiligen Schicksals. Für Philander ist ein Zusammenhang nicht mehr erkennbar. Gottes Gerechtigkeit bleibt im Kriegsgeschehen verborgen. Das war nun allerdings ein zentraler Glaubensartikel, der hier ins Wanken kam. Kein Wunder, daß der Erzähler die Diskussion abbricht, indem er erklärt:

 "Dieses aber alles in meiner Einfalt zu ergründen oder zu beschreiben ist mir unmöglich. Es ist auch nicht meines Wesens, Willens und Vorhabens. Gelehrter Leute Urteil möchte ich dennoch darüber hören."

Grimmelshausen ging das gleiche Problem auf subtilere Weise an. Er benutzte im "Simplicissimus" den Rahmen eines Göttergesprächs in der Tradition des spätgriechischen Satirikers Lukian, um die Vision eines gerechten Friedensreiches zu entwerfen und sich zugleich von einer solch kühnen Utopie zu distanzieren. [15]

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Jupiter, der "überstudierte" "Erzphantast", erklärt Ganymed - diese Rolle spielt Simplicissimus -, er sei inkognito auf die Erde gekommen, weil Kunde von den Lastern der Menschen in den Götterrat gedrungen sei. Die Götterversammlung habe beschlossen, das Menschengeschlecht in einer zweiten Sintflut auszulöschen. Er fährt fort:

"[...] weil ich aber dem menschlichen Geschlecht mit sonderbarer Gunst gewogen bin und ohne das allezeit lieber die Güte als eine strenge Verfahrung brauche, vagiere ich jetzt herum, der Menschen Thun und Lassen selbst zu erkündigen, und obwohl ich alles ärger finde, als mirs vorkommen, so bin ich doch nicht gesinnt, alle Menschen zugleich und ohne Unterscheid außzureuten, sondern nur diejenigen zu straffen die zu straffen sind und hernach die übrige nach meinem Willen zu ziehen."

Darauf der skeptische Simplicissimus:

"Ach, Jupiter, deine Mühe und Arbeit wird besorglich allerdings unbsonst seyn, wenn du nicht wieder, wie vor diesem, die Welt mit Wasser oder gar mit Feuer heimsuchest; dann schickest du einen Krieg, so lauffen alle böse verwegene Buben mit, welche die friedliebende fromme Menschen nur quälen werden; schickestu eine Theurung, so ists ein erwünschte Sach vor die Wucherer, weil als dann denselben ihr Korn viel gilt; schickstu aber ein Sterben, so haben die Geitzhälse und alle übrige Menschen ein gewonnen Spiel, in dem sie hernach viel erben; wirst derhalben die gantze Welt mit Butzen und Stil außrotten müssen, wenn du anders straffen wilt."

Das Instrumentarium der drei "Hauptstrafen" Gottes, die Simplicissimus auflistet: Krieg, Hunger (mit der Folge der Teuerung) und Pest ("Sterben") erweist sich als untauglich für eine gerechte Behandlung der Menschen. Jupiter scheint dennoch Rat zu wissen. Er trägt im folgenden die Vision eines gerechten Friedensreiches vor, das er zwar mit Gewaltmaßnahmen erzwingen will, aber: ohne Soldaten - das ist wichtig - durch eine Wunderwaffe, ein magisches Schwert, wie es nur ihm zur Verfügung steht. Durch Soldaten, gleichgültig welcher Couleur, läßt sich keine gerechte Ordnung herstellen. Damit fällt aber auch die Idee des "gerechten Krieges" in sich zusammen. Diesen Schluß führt Grimmelshausen nicht mehr aus, suggeriert ihn aber.

Ein spezielles Problem der Kriegführung, das Moscherosch und im Anschluß an ihn Grimmelshausen erörtern, erhält erst im Horizont des bisher skizzierten Themenkreises sein Gewicht. Es geht um die Wirkung von Feuerwaffen, von Geschützen aller Art. Dieses Thema hatte schon Erasmus von Rotterdam und Martin Luther beunruhigt, stellte sich aber nun, in der Epoche der Entwicklung einer durchschlagenden mauerbrechenden Artillerie, wie sie besonders der französischen Armee Ludwigs XIII. zur Verfügung stand, mit neuer Schärfe. [16]

Moscherosch geht in seinem "Soldaten-Leben" auf den Ursprung der Schießtechnik überhaupt zurück und stellt den vermeintlichen Erfinder des Pulvers, Berthold Schwarz (14. Jh.), vor die imaginierte Gerichtsversammlung altdeutscher Helden der germanischen Frühzeit, die noch mit dem Speer in der Hand und dem Schwert in der Faust gekämpft haben. Die Ankläger tragen den Gerichtsherren vor:

"Wahrscheinlich, was kann die alte deutsche Tugend und Redlichkeit noch nützen, wenn der allermächtigste kühnste Held stündlich sorgen muß, daß auch der allerschlimmste, verzagteste Bösewicht und Bube ihm mit einer Kugel von fern her und hinter einer Hecke verborgen das Leben nehmen kann! Einer, der sonst wohl nicht das Herz hätte, einem Helden nur ins Gesicht zu sehen! Wie soll man nun noch einen Unterschied machen können zwischen dem, der Kriegstugend hat und dem, der keine hat, da ja in solcher Weise ein feiger Kerl den beherztesten Mann niederlegen und töten kann! Da früher, zu unserer redlichen Väter Jahren noch Mann gegen Mann mit freier Faust und Stirn gegen Stirn gefochten hat, und man mit den Augen hat sehen und erkennen können, in wem wahre Tugend, Treue und Redlichkeit steckte! Ja, wer ist schuld an so vieler Christenmenschen Blut als dieser verdammte Mönch!" [17]

Die traditionellen Tugenden des Soldaten, körperliche Stärke und Gewandheit, Mut und Redlichkeit im Kampf, sind im Angesicht der neuen Feuerwaffen nichts mehr wert. Noch bedenklicher aber ist, daß die Massentötungsinstrumente keine Chance mehr lassen, Sterben und Tod eines Soldaten als persönliche, von Gott verhängte Bestimmung zu begreifen. Das Vertrauen in Gottes Vorsehung, in die providentia privata, ist auch unter diesem Aspekt im Schwinden. Wir übergehen die - sehr geschickte - Rechtfertigung des Berthold Schwarz vor Gericht und wenden uns Grimmelshausen zu, der in seiner Erstlingsschrift, dem "Satyrischen Pilgram", ein Kapitel "Vom Geschütz" einrückte. Auch kam er im späteren Kapitel "Vom Krieg" noch einmal darauf zu sprechen. Im "Gegensatz", also in jenem Abschnitt des Kapitels "Vom Geschütz", der die bedenkliche Seite der Erfindung aufzeigen soll, schreibt Grimmelshausen als einer "der auch darbey gewesen" ist:

"Ich will jetzt nicht sagen, daß sich die Schüler-Knaben mit Schlüsselbixen und viel Roßbuben, Hirten und Landfahrer mit Fäustlingen oder Pufferten versehen, dardurch offtmal auch ein Schade geschiehet, mehr ists zu bedauern, wann ein redlicher Mann, der seinen Feind nit einmahl gesehen, von einem liederlichen Lumpen ohnversehens todt geschossen wird [...]". [18]

Und in ebenso deutlicher Wiederaufnahme der Argumentation Moscheroschs im Kapitel "Vom Krieg":

"Aber in einer Battalia bringet ein Mensch ein Christ den andern umb, nit durch natürliche Waffen, die ihm durch Gott gegeben, als Fäuste, Nägel, Zähne ect. sonder durch Metall, Bley, Stahl und Eisen; Da verderben und richten einander zu Grund die jenige, die Gott zu seinem Ebenbild erschaffen! die, vor welche der Herr Christus gestorben, damit sie lebten! [...] da mueß einer einen andern umbbringen, den er nie gesehen, vielweniger von ihm belaidiget worden; Da ist kein Mitleidens! da mueß iedwederer durch Uffopfferung eines andern seinem aignen Verderben vorkommen, und ehe sichs ein Soldat versiehet, so trifft ein Geschütz beydes den Schuldigen und Unschuldigen, also daß die, so noch dabey stehen bleiben, mit Blueth, Hirn, Ingweid und gantzen Gliedmassen besprenget und besudelt werden; Dieses seye nur so vor die lange Weile oder im vorüber gehen denen kürtzlich gesagt, die gern im Kriege wären und dahero dessen begehren." [19]

Auch Grimmelshausen geht es um die Zuweisung von Schuld, um Gerechtigkeit den Schuldigen und Unschuldigen gegenüber. Auch ihn läßt das Kriegserlebnis zweifeln, ob Gottes Hand im Spiel ist, wenn Soldaten kämpfen und fallen. Das System der überkommenen religiösen Erklärungsmuster bröckelt ab. Zweifel melden sich, noch verhüllt in fingierten Gesprächen, imaginierten Visionen, von denen der Autor sich distanzieren kann.

Diese Gemeinsamkeiten dürfen nun allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es bei Moscherosch und Grimmelshausen auch deutlich verschiedene Akzentsetzungen gibt, die teils durch Mentalitätsunterschiede, teils auch durch den verschiedenen historischen Standort und die dadurch bedingte Perspektive vorgegeben sind. Moscherosch schrieb sein "Soldaten-Leben" inmitten des Krieges. Er verfaßte die Schrift schon in Finstingen, in Ruhepausen zwischen Überfällen, Plünderungen, Krankheiten. Grimmelshausens "Simplicissimus Teutsch" erschien erst zwanzig Jahre nach Kriegsende, 1668. Er ist im Rückblick aus einer befriedeten Welt verfaßt, wenn auch schon unter drohenden Vorzeichen neuer Kriege, die der Expansionsdrang der französischen Krone am Oberrhein heraufbeschwor.

Auf Mentalitätsunterschiede mag zurückzuführen sein, daß sich durch die Erzählschriften Grimmelshausens eine Serie von manchmal nur angedeuteten Gesellschaftsutopien zieht, in denen das Moment des sozialen und politischen Friedens eine große Rolle spielt. So in der oft genannten, in der Interpretation immer noch umstrittenen Jupiter-Episode des "Simplicissimus" (III,5), von der schon die Rede war. In ihr erscheint dem Titelhelden, der in Westfalen auf Kriegsbeute lauert, ein wohlgekleideter Herr, der sich für den Gott Jupiter ausgibt. Im Verlauf eines Gespräches mit Simplicissimus entwickelt er die Vorstellung von einem deutschen Friedensreich, in dem die Alleinherrschaft eines Mächtigen durch ein Parlament, die Versammlung der Vertreter der Städte des Reiches, kontrolliert wird und in dem die konfessionellen Gegensätze durch eine einheitliche christliche Staatsreligion aufgehoben sind. Die Vorschläge Jupiters entspringen der Tradition spätmittelalterlicher Reformschriften wie der "Reformatio Sigismundi" (um 1440) über die des Oberrheinischen Revolutionärs (um 1495) bis hin zu den Schriften der Rosenkreuzer.

Ähnlicher Herkunft sind auch die Vorstellungen, die Grimmelshausen in der sogenannten Mummelsee-Episode (Simplicissimus V, 13-16) entwickelt. Hier ist die Rede von einer Unterwasserwelt der Sylphen, in der Zwietracht und Krieg schon deshalb nicht aufkommen können, weil die anthropologischen Voraussetzungen dafür fehlen: Die Sylphen, die keine unsterbliche Seele haben wie die Menschen, haben auch keine Anmutungen von Egoismus und Bosheit.

Näher an den Erfahrungen seiner Zeit liegt Grimmelshausens Bericht vom Leben der Wiedertäufer (Simplicissimus V, 19). Bei ihnen herrscht eine wohlorganisierte, strenge Aufgabenteilung. Jeder Stand hat bei seiner Arbeit das Gemeinwohl im Auge. Ihre ethische Haltung wird durch die Förderung religiöser Bindung und durch religiöse Exerzitien, die keinen Müßiggang zulassen, unterstützt.

"Da war kein Zorn, kein Eifer, kein Rachgier, kein Neid, kein Feindschafft, kein Sorg umb Zeitlichs, kein Hoffart, kein Reu! In Summa, es war durchauß eine solche liebliche Harmonia, die auff nichts anders angestimbt zu seyen schiene, als das Menschliche Geschlecht und das Reich Gottes in aller Erbarkeit zu vermehren [...]".

Man könnte noch andere Friedensvorstellungen und Friedenserfahrungen des Simplicissimus nennen, etwa seine Eindrücke von der Schweiz (V, 1). Gemeinsam ist ihnen allen, daß sie noch im Roman selbst in der Art der Satire desavouiert werden, zum Beispiel durch die Herabsetzung dessen, der solche Ideen vorbringt, so wie Jupiter, der "überstudierte Narr", am Ende seine Hose herabzieht und den Läusen, die darin hausen, staatstheoretischen Unterricht erteilt - in der Motivik des oberrheinischen satirischen Tierepos. [20]

Am lapidarsten und deutlichsten aber findet sich dies am Ende des Wiedertäuferberichts, wo der alte Knan, der Ziehvater des Simplicissimus, diesem erklärt, daß er "wol nimmermehr solche Bursch zusammen bringen würde", wie sie eine solche Friedensgesellschaft benötige. [21] Anders gesagt: Der Mensch ist nicht aus dem Holz geschnitzt, um einer solchen Gemeinschaft fähig zu sein. Er ist seit dem Sündenfall selbstsüchtig und deshalb zu Streit und Krieg aufgelegt. Grimmelshausen suchte einen Weg zwischen seiner immer wieder aufkeimenden Friedenssehnsucht und seiner Skepsis gegenüber allen Utopien. Er fand schließlich, ähnlich wie Erasmus von Rotterdam, in seiner Erzählung einen Ausweg - man darf wohl eher sagen einen Notbehelf -, in der Absonderung dessen, der den Frieden sucht, im stets gefährdeten Einsiedlerleben. Der alte Simplicissimus als Einsiedler auf der Kreuzinsel (VI, 22-27) ist die Vorstellung, mit der Grimmelshausen den Leser entläßt.

Der skeptische Grundton Grimmelshausens erklärt sich auch daraus, daß er bei der Niederschrift des "Simplicissimus" auf eine fast zwanzigjährige Friedenszeit zurückblicken konnte, die ihn in mancher Hinsicht enttäuscht haben muß. Moscherosch dagegen hat nach dem Friedensschluß 1648 keine Erzählungen mehr hervorgebracht, die nun auch die Friedenszeit zum Thema gehabt hätten. Grimmelshausen sah die junge Generation, der die Erfahrung des Krieges abging, die nachdrängte und lüstern wurde, auch ihr Glück im Krieg zu versuchen. Im "Stoltzen Melcher" (1672) umriß er das Profil eines Bauernburschen, der, um der Herrschaft seines Vaters zu entkommen und Beute zu machen, holländischen Werbern gefolgt war und im zweiten Eroberungskrieg Frankreichs gegen die Niederlande (1672-1678) gefochten hatte. [22]

Er zeigt ihn als heruntergekommenen, räudigen Bettler, gemäß dem geläufigen Sprichwort "Junge Soldaten, alte Bettler". Überhaupt präsentiert Grimmelshausen seinen Lesern immer wieder das Bild des elend und oft krank gewordenen Invaliden, des Stelzfußes - Springinsfeld ist nur die eindringlichste dieser Figuren. Sie sollen die junge Generation mahnen und schrecken. Auch jener Kaufmann, von dem "Das wunderbarliche Vogelnest", Teil II (1675) erzählt (Kap. 21,22), steht im Begriff, aus Verzweiflung und Langeweile sich anwerben zu lassen, als er in Gesellschaft liederlicher Brüder durch magische Beschwörung ein Zauberbild ("Spektakul") vorgeführt bekommt, welches so beschaffen sein soll, "daß man Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges darbei sehen könnte". Noch einmal erscheint Gott Jupiter, einmal mehr durch die Schlechtigkeit der Menschen aus seiner olympischen Ruhe aufgeschreckt, und sucht die Ursachen für so viel Laster auf der Erde zu finden. Er muß feststellen, daß der Friede - von wenigen Friedfertigen abgesehen - den Menschen nicht bekommt.

"Mancher hingegen, wann er diß Gesichte sehen sollen, hätte zu seiner geistlichen Aufferbauung ohne Mühe begreifen mögen, wie durch die Völle und Genüge deß reichen Segen Gottes, der sich in den lieben Friedens-Zeiten überflüssig verspüren und sowohl von den Menschen nach Nothdurfft geniessen als unnützlich verschwenden läst, bei den Weltmenschen der schädliche Müßiggang und mit ihm alle abscheuliche Laster und Uppigkeiten geboren werden, dargegen die Gottselige diese von andern großgeachte Wollüsten und Ergetzlichkeiten der Welt ganz kaltsinnig vorbeipassieren und sie kaum einigen Anschauens würdigen, geschweige, daß sie sich damit besudlen sollten, wordurch jene den gerechten und unausbleiblichen Zorn Gottes reitzen und erregen". [23]

Jupiter weiß auch hier kein anderes Mittel zur Besserung, als der Menschheit noch einmal, wieder und wieder, Krieg auf den Hals zu schicken, mit ihm Hunger und Pest, in der vagen Hoffnung, sie zur Besinnung zu bringen. Der Leser der vorausgegangenen Schriften weiß im voraus, daß es ein verzweifeltes Mittel ist, zu dem Jupiter da greift. Frieden und Krieg bleiben, was das ethische Verhalten der Menschen betrifft, eins - auch wenn die Laster des Friedens andere sind als die des Krieges. Aus Erfahrungen des Krieges wurde noch selten ein neues Geschlecht klüger.

Alles spricht dagegen, daß der Autor Grimmelshausen selbst in seinen letzten, schlecht dokumentierten Lebensjahren dem erwünschten friedlichen Leben in der Zurückgezogenheit näher gekommen wäre. Im Gegenteil: Als Bürgermeister eines Ackerbaustädtchens war er von den Turbulenzen des Krieges, der mit dem Einfall der französischen Armee unter Turenne 1675 auf die Oberrheingebiete übergriff, von den Kriegsmaßnahmen besonders betroffen. Und er starb, nach dem wenigen, das man aus dem Kirchenbucheintrag des Ortspfarrers weiß, im Wehrdienst, mit rund fünfundfünfzig Jahren noch einmal unter Waffen. [24]

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ANMERKUNGEN

1.Zu den Biographien: Schäfer 1982; Hohoff 1978; Weydt 1979.
2.Vgl. Bechtold 1918, S. 565.
3.Moscherosch 1644. Der originäre Text ist in keiner modernen Ausgabe erhältlich. Der Nachdruck der "Gesichte" im Georg Olms Verlag, Hildesheim, New York 1974, enthält ihn nicht. Ich habe eine gekürzte und sprachlich modernisierte Ausgabe herausgegeben: Schäfer 1996.
4.Das Verständnis von Krieg und Frieden bei Grimmelshausen ist häufiger behandelt worden, zuletzt Breuer 1985; Mannack 1987. Battafarano 1988.
5.Schäfer 1996, S. 37.
6.Schäfer 1982, S. 115 .
7.Grimmelshausen 1975.
8.Grimmelshausen 1970a, S. 160: "Ich gestehe gern, daß ich den hundersten Theil nicht erzehlet, was Krieg vor ein erschreckliches und grausames Monstrum seye [...]".
9.Vgl. zum Beispiel Grimmelshausen 1970a, S. 158: "Da verderben und richten einander zu Grund die jenige, die Gott zu seinem Ebenbild erschaffen!"
10.Die umfangreiche Literatur zur Satiretheorie ist zusammengefaßt in dem Lexikonartikel von Röcke 1993 (mit Bibliographie).
11.Schäfer 1996, S. 70-71.
12."fest wie eine Mauer": durch magische Kraft hieb- und schußfest, nicht zu verletzen.
13.Schäfer 1996, S. 115.
14.Schäfer 1996, S. 32.
15.Grimmelshausen 1984, Drittes Buch, Kap. 3-5. Zur Darstellungsform des Göttersymposions in der Tradition Lukians und Boccalinis: Koppenfels 1981, S. 28-30; Schäfer 1992, S. 156f.; Trappen 1994, S. 160.
16.Luther in einer seiner frühen Predigten: Luther WA, I, 4, S. 651.
17.Schäfer 1996, S. 122-123.
18.Grimmelshausen 1970a, S. 99. Schlüsselbüchsen sind einfache selbstverfertigte Schießwerkzeuge, die dadurch entstehen, daß man in den Schaft eines Schlüssels nahe am Schlüsselring ein Loch bohrt oder feilt und mit Pulver lädt: DWB XV, S. 860.
19.Grimmelshausen 1970a, S. 158.
20.In Johann Fischarts "Flöh-Hatz, Weiber-Tratz" und Wolfhart Spangenbergs "Esel König" werden in ähnlicher Weise staatstheoretische Grundsätze am Beispiel von Tiergesellschaften ironisch behandelt.
21.Grimmelshausen 1984, S. 442.
22.Grimmelshausen 1973, S. 29-50.
23.Grimmelshausen 1970, S. 282.
24.Weydt 1979, S. 13-14.

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