FERNANDO SÁNCHEZ-MARCOS Freiheitsbestrebungen in Katalonien und Portugal* |
Seit 1640 kämpften Katalonien und Portugal, zwei Völker mit einem starken historischen Bewußtsein, um ihre Befreiung von der Vorherrschaft Kastiliens. Dennoch darf man die um die Mitte des 17. Jahrhunderts stattfindenden Ereignisse nicht allein auf dieses Unabhängigkeitsstreben zurückführen: In beiden Ländern, vor allem aber in Katalonien, blieb ein Gutteil der Bevölkerung, besonders die Angehörigen der Führungsschicht, König Philipp IV. treu. Auf der anderen Seite gab es in Katalonien erhebliche sozialen Unruhen, besonders zu Beginn des sogenannten Krieges der Schnitter (katal. segadors). Die politischen Unruhen in Portugal, die zu der Restauration (port. Restauraçao) einer aus dem eigenen Lande stammenden regierenden Dynastie führten, waren dagegen von geringeren sozialen Spannungen begleitet. Die Aufstände des Jahres 1640 gegen den Hof von Madrid, die sogleich von Frankreich unterstützt wurden, trugen entscheidend zum Machtverfall des spanisch-kaiserlichen Blocks bei. Neben den Auswirkungen auf die Entwicklung des Krieges in Europa und auf die Friedensverhandlungen von Münster hatten die im Jahre 1640 begonnenen Feindseligkeiten auch eine grundsätzlich nationale Dimension. Beide Aspekte haben tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis sowohl der Katalanen als auch der Portugiesen hinterlassen sowie auch die Einstellung der nicht-katalanischen Spanier gegenüber den Katalanen und Portugiesen und umgekehrt beeinflußt.
Laut der Mehrzahl der Chronisten der Zeit Philipps IV. wurde die spanische Monarchie von den Katholischen Königen, Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon, gegründet, eine sich aus verschiedenen historischen Gebieten zusammensetzende [1] und der Verfassung nach pluralistische Monarchie, deren verschiedene Gebiete je eigene Verwaltungen und Gesetze besaßen. Mit der Heirat Isabellas und Ferdinands wurden zwei ungleiche Königreiche zusammengeschlossen. [2] Kastilien, auf der einen Seite, war ein großes und dicht bevölkertes Gebiet mit einer einheitlichen politischen Struktur; seit 1492 waren auch das Königreich Granada und die amerikanischen Kolonien Teile des Königreichs. Nach seiner Eroberung durch Ferdinand den Katholischen im Jahre 1512 wurde ein Großteil von Navarra - auf das auch Frankreich Anspruch erhob - in das Königreich von Kastilien eingegliedert und erhielt eine besondere rechtliche Ordnung. Das Königreich Aragon, auf der anderen Seite, war dagegen von der Struktur her ein Staatenbund (Katalonien war Teil dieses Bundes) und hatte seit dem frühen Mittelalter erheblichen Einfluß auf das Westliche Mittelmeer ausgeübt.
Noch bevor der Sohn Philipps des Schönen und Enkel der Katholischen Könige als Karl V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt wurde, kam durch Erbschaft Philipps des Schönen noch ein weiterer Staatenblock unter spanische Herrschaft: die Niederlande und die übrigen zum Burgundischen Reichskreis gehörenden Gebiete. Das Zusammenhörigkeitsgefühl dieses Verbands von Völkern und Staaten gründete sichauf die dynastische Treue den Habsburgern gegenüber sowie, mit Ausnahme des nördlichen Teils der Niederlande, der Zugehörigkeit zum Katholizismus.
Das Königreich Portugal und seine bedeutenden überseeischen Besitztümer in Afrika, Ostasien und Brasilien waren nach dem Tod des jungen portugiesischen Königs Sebastian 1578 in der Schlacht von Alcázarquivir (arab. Alkassar-el-Kebir) im Jahre 1580/1581 an Philipp II. von Spanien übergegangen. Nach der nur kurzen Herrschaft des Kardinals Heinrich, der ohne Nachwuchs verstarb, machte Philipp II. als Sohn Isabellas von Portugal, der zweitältesten Tochter Emanuels I., sein Anrecht auf den portugiesischen Thron geltend. Da es aber noch weitere Thronanwärter gab [3], unterstrich er seinen Anspruch militärisch. Im Jahre 1581 wurde er von den Cortes (Ständeversammlung) von Tomar zum König von Portugal eingeschworen und versprach dabei, alle Gesetze des Königreiches zu achten. [4] Zu einer wirklichen Anerkennung Philipps II. und seiner Nachfolger durch das portugiesische Volk kam es jedoch nie. Der Mythos des "Sebastianismus", die Hoffnung auf die Rückkehr des im Kampf gegen die Mauren umgekommenen ritterlichen Königs trug dazu bei, daß sich in Portugal das Gefühl der nationalen Identität aufrecht hielt. [5]
Philipp IV. nun war, so besagen die feierlichen Dokumente der Katholischen Kanzlei, der König Spaniens oder der Spanien [6] sowie Graf von Barcelona und König von Portugal, den Algarven, von Kastilien, Leon, Aragon, Valencia und Granada, Herr von Biskaya, usw. Die damals geltende Staatstheorie erwartete, daß der König über jedes seiner Reiche regieren solle, als sei er nur König dieses einen. Seine fast ständige Abwesenheit jedoch und die wachsende Identifizierung der Habsburger mit ihrer kastilischen Umwelt blieben nicht ohne Folgen: Obgleich die spanische Monarchie in der Theorie pluralistisch war, wurde sie in der Praxis von einer vorwiegend kastilischen regierenden Klasse dominiert.
Unter der Herrschaft Philipps IV. plante sein Vertrauensmann, Gaspar de Guzmán, Conde Duque de Olivares, und Vorkämpfer des katholischen Neoimperalismus in Spanien, die Macht der Krone mittels einer Reihe von Reformen zu vermehren [7]: Anstatt König von verschiedenen Gebieten zu sein, sollte Philipp IV., in Anlehnung an das Vorbild Kastiliens, über ein vereintes Spanien herrschen. Eines seiner größten Vorhaben war die Waffenunion (1625), die festsetzte, daß sich jedes Königreich mit einer gewissen Anzahl von Soldaten und einem bestimmten Geldbetrag an der Verteidigung der übrigen Gebiete beteiligte. Als Gegenleistung würden Staatsämter, ohne die regionale Herkunft der jeweilgen Kandidaten zum Kriterium zu machen, besetzt. Diese mit der Waffenunion angestrebte Vereinheitlichung wurde von Katalonien abgelehnt. Die Entfremdung zwischen der regierenden Schicht Kataloniens, Verfechtern eines konstitutionellen Bündnisses, und Philipp IV. zeigte sich auf den katalanischen Parlamentsversammlungen von 1626 und 1632. [8] Die erhebliche Entfernung vom Madrider Hof beschränkte zudem die Möglichkeit des katalanischen Adels, an der königlichen Gunst teilhaben zu können. Auch gab es seit 1620 einen strittigen Punkt zwischen dem Barcelona regierenden mächtigen Consell de Cent (Stadtrat) und der Krone bezüglich der Zahlung der quintos (des fünften Teils der eingetriebenen Steuern). Darüber hinaus hatte sich die Diputació del General de Catalunya (Abgeordnetenversammlung von Katalonien), der ständige Ausschuß der Cortes des Fürstentums Katalonien und der Grafschaften Roussillon und der Cerdagne, wiederholt beim König über die Verletzung der katalanischen Verfassungen durch die verschiedenen Vizekönige beschwert. [9]
Die offene Intervention Frankreichs seit dem Jahre 1635 in den Dreißigjährigen Krieg, verbündet mit den Niederländern und Schweden gegen den habsburgischen Block, stellte die Madrider Regierung vor neue Fronten und Herausforderungen. Die Steuern wurden weiter erhöht, und die zur Eintreibung eingesetzten Mittel verletzten häufig die Verfassungen sowohl Kataloniens als auch Portugals. [10] Mit der Eroberung von Salses durch die Franzosen im Jahre 1639 wurde Katalonien zum Kriegsschauplatz zwischen Frankreich und Spanien. Der Kampf um die in den nördlichen Pyrenäen gelegene Grafschaft Roussillon - eines der vorrangigen Ziele Ludwigs XIII. und Richelieus - erforderte die Einquartierung vieler Terzios Philipps IV. im Norden Kataloniens. Das arrogante und oft brutale Verhalten dieses Heeres in den Dörfern, die ihm Unterkunft zur Verfügung stellen mußten, führte unter den Bauern zu großem Unmut [11], der von den katalanischen Regierenden manchmal verdeckt, häufig aber auch offen ausgesprochen wurde. Die Konflikte zwischen den Bauern und den königlichen Truppen nahmen an Intensität und Ausmaß zu. Sie erhielten sogar, vom katalanischen Standpunkt aus betrachtet, religiöse Legitimität, als Soldaten Philipps IV. die Kirche von Riudarenas entweihten und der Bischof von Gerona den Kirchenbann über die Täter verhing.
Im Frühjahr des Jahres 1640 führten die sozialen Spannungen und die allgemeine Ablehnung des "kastilischen" Heeres zusammen mit den bereits länger anstehenden Verfassungskonflikten zu einer vorrevolutionären Situation in Katalonien. [12] Seinen Anfang nahm der Aufstand dann in Barcelona, der Hauptstadt des Fürstentums, in zwei Phasen: Am 22. Mai kamen mehr als 2.000 Aufständische in die Stadt, was die Consellers (Räte) weder verhindern wollten noch konnten, und befreiten Francesco Tamarit, Abgeordneter der Generalitat Kataloniens, aus dem Gefängnis, der am 18. März auf Befehl von Olivares inhaftiert worden war. Die Aufständischen riefen "Visca la fé!" [Es lebe der Glaube], "Visca le rey" [Es lebe der König] und "muyran los traydors y el mal gobern" [Tod den Verrätern und der schlechten Regierung]. Legendäre Berühmtheit erlangte jedoch der 7. Juni 1640, das Fronleichnamsfest (Corpus Christi), in Katalonien von nun an bekannt als "Corpus de Sang" [Corpus des Blutes]. [13] An diesem Tag pflegten große Scharen Schnitter (segadors) auf der Suche nach Arbeit nach Barcelona zu kommen. Zusammen mit ihnen kamen diesmal aber auch bewaffnete Aufständische und bald gab es, trotz der Bemühungen verschiedener Vertreter der Kirche und Räte, den Konflikt zu schlichten, die ersten Toten. Als das Gerücht umging, einer der Räte sei von Bediensteten eines hohen königlichen Offiziers umgebracht worden, richtete sich der Zornesausbruch des Volkes gegen einige Minister der Audiencia (wichtigstes Gericht und dem König in Katalonien zur Seite stehender Rat) und erreichte auch den katalanischen Vizekönig, den Grafen von Santa Coloma, der bei seinem Fluchtversuch erstochen wurde. Die Schnitter herrschten einige Tage lang über die Stadt. Sowohl in Barcelona als auch in einigen Gebieten Kataloniens war die Auflehnung des Volkes gegen die Reichen von Feindseligkeiten gegenüber den Vertretern der kastilischen Regierung begleitet. Obgleich die katalanischen Obrigkeit die Situation in der Stadt beruhigen konnte, blieb doch eine Frage offen: Wie würden sich die Ereignisse in Katalonien weiterentwickeln und wie würde Madrid auf die Nachricht des Todes des Statthalters Philipps IV. reagieren?
Es folgte eine Zeit gespannten Wartens. Die regierende Schicht Kataloniens versuchte, die Brücken zum Madrider Hof nicht völlig abzubrechen. Sie gaben ihrem Bedauern über den Tod Santa Colomas Ausdruck, betonten aber die Rechtmäßigkeit der Verteidigung der Katalanen gegen die Übergriffe des königlichen Heeres. Zugleich erinnerten sie an die von den Ministern des Königs begangenen Verfassungsbrüche, machten aber den Conde Duque de Olivares dafür verantwortlich. In Madrid führte die Nachricht vom Tode des Vizekönigs zu schweren Unruhen. Die Verwaltung des Königs in Katalonien war gescheitert, insbesondere nach dem krankheitsbedingten unerwarteten Tod des neuen Vizekönigs von Katalonien, des Herzogs von Cardona, einem Mitglied des katalanischen Hochadels, der sein Amt am 20. Juni 1640 angetreten hatte. Nach langen Auseinandersetzungen in den beratenden Gremien beschloß die Regierung im Oktober, ein Heer nach Katalonien zu entsenden. Während dieses Heer unter der Führung des neuen Vizekönigs, dem Marquis von Los Vélez, langsam gegen Barcelona marschierte, begann eine geschichtlich-juristisch und propagandistisch geführte Polemik. Auf der Seite der Generalitat von Katalonien sind unter den Klerikern und Juristen insbesondere Gaspar Sala Berart und Francesc Martí Viladamor zu erwähnen. Letzterer betonte in seiner "Noticia Universal de Catalunya" die Bedeutung des Verfassungspaktes und verteidigte das Recht der Katalanen, ihren König frei wählen zu können, und, falls notwendig, ihre Treue auf einen anderen zu übertragen. [14]
In dieser angespannten Situation übernahm der Domherr Pau Claris [15], Präsident der Generalversammlung Kataloniens, die Führung. Unter seinem Vorsitz wurde eine, die Volksgemeinschaft Kataloniens repräsentierende Junta de Braços (Ausschuß der Reichsstände) einberufen, die am 16. September 1640 zusammentrat, um angesichts des möglichen Angriffs des spanischen Heeres [16] über die Politik des Fürstentums zu entscheiden. Diese Corts (Ständeversammlung) gaben den sozialen Unruhen eine gewisse Wende und institutionellen Rückhalt. Claris war sich bewußt, daß er militärische Hilfe benötigte und verhandelte mit Richelieu, der ihm auch gleich Hilfstruppen schickte. [17]
Die Nachrichten von der Einnahme der Stadt Tarragona durch das Heer Philipps IV. und der sich in Cambrils zugetragenen Grausamkeiten führten zu einem erneuten Ausbruch der Volkswut in Barcelona. Angesichts der drohenden sozialen Revolution einerseits und der Nähe der königlichen Truppen andererseits sahen die katalanischen Führer als einzigen Ausweg, sich unter den Schutz Frankreichs zu stellen. Nach dem vergeblichen Versuch, unter französischem Schutz eine katalanische Republik zu begründen, entschied sich die Junta de Braços am 23. Januar 1641, Ludwig XIII. als Grafen von Barcelona und somit als Herrscher über Katalonien anzuerkennen. Der genaue Wortlaut dieses Abkommens wurde jedoch erst etliche Monate später in dem am 19. September desselben Jahres unterzeichneten Vertrag von Péronne festgelegt, mit der Aufzählung der "Pakte und Bedingungen, zu denen die Generalversammlung des Fürstentums Katalonien [...] das Fürstentum und die Grafschaften von Roussillon und Cerdagne dem König von Frankreich unterstellen und welche in dem Schwur aufgenommen werden müssen, den seine Majestät sowie seine Nachfolger zu Beginn ihrer Herrschaft ablegen müssen." [18]
Am 26. Januar 1641 versuchten die Truppen des Marquis von Los Vélez, den Barcelona dominierenden Berg Montjuich zu erobern, wurden jedoch von den katalanischen und französischen Truppen zurückgeschlagen. So wurde der Bruch Kataloniens mit Philipp IV. endgültig und machte gleichzeitig die Hoffnungen Madrids auf ein schnelles Ende der Rebellion in Katalonien zunichte. Paradoxerweise kämpften am Montjuich einige hundert katalanische Adlige und portugiesische Soldaten auf der Seite Philipps IV. [19] Sehr wahrscheinlich ist, daß sie noch keine Nachricht von dem sich am 1. Dezember 1640 in Lissabon zugetragenen großen Ereignis hatten: der relativ friedlichen Proklamation des Herzog von Braganza zum König von Portugal. Diese Proklamation kam für Spanien - bis zu einem gewissen Punkt - überraschend [20], besonders für die Vizekönigin Margarete von Savoyen, der Witwe des Herzogs von Mantua und Enkelin Philipps II. Dennoch, wie wir gleich sehen werden, hatte sich die Unzufriedenheit der Portugiesen mit der spanischen Regierung bereits vorher bemerkbar gemacht.
Von 1630 an, insbesondere gegen Ende des Sommers und im Herbst 1637 war es in der Stadt Evora (und in fast dem ganzen Alentejo, der Algarve und dem Ribatejo) zu Volksaufständen gegen die von Olivares geplante Besteuerung gekommen. [21] Die Madrider Regierung befürchtete, der bedeutendste Adlige Portugals, der achte Herzog von Braganza, könne sich den Aufständischen anschließen. Der Herzog war jedoch nicht gewillt, sich in den Konflikt einzumischen. Ebenso wies er, wie auch andere portugiesische Adlige, die Aufforderung des Conde Duque de Olivares zurück, sich im Sommer 1638 in Madrid mit dem portugiesischen Klerus und Adel zu versammeln. Einige jedoch folgten dieser Aufforderung. Von dieser Versammlung ermutigt, beschloß Philipp IV., den Rat von Portugal, eine die spezifische Identität des Königreiches wahrende Einrichtung, abzuschaffen. Obgleich ein Großteil des portugiesischen Adels sich gut in das spanische System integriert hatte, gab es doch andere, die mit der Arroganz der Regierung Olivares' und ihrem mangelnden Respekt gegenüber bestehenden Institutionen unzufrieden waren. Zusätzlich hatten die Portugiesen weiteren Grund zur Unzufriedenheit mit dem spanischen Regime: Es zeigte sich zunehmend unfähig, das große portugiesische Reich im Atlantischen und Indischen Ozean gegen die Niederländer zu verteidigen [22], und konnte die wirtschaftlichen Einbußen nicht kompensieren.
Die Nachricht vom Ausbruch der Rebellion in Katalonien im Juni 1640 und die Anweisung aus Madrid an die Portugiesen, sich an der Niederschlagung zu beteiligen, haben anscheinend in Portugal die Vorbereitungen zum Sturz der spanischen Regierung beschleunigt. Eine in Lissabon zusammengetretene Versammlung portugiesischer Adliger bot am 12. Oktober 1640 dem Herzog von Braganza die Krone Portugals an. Da dieser - wenn auch außerehelich - vom Gründer der Avis-Dynastie, Johann I., abstammte, nahm er eine klare Sonderstellung unter den portugiesischen Adligen ein und konnte den Mittelpunkt für den proto-nationalistischen Legitimismus Portugals darstellen. Zudem verfügte er über ein enormes Vermögen.
Am 1. Dezember 1640 stürmte eine Gruppe Verschworener, ohne große Gewalt, den Palast des Vizekönigs in Lissabon. Eines der Opfer war der verhaßte Sekretär der Vizekönigin, Miguel de Vasconcelos, der schwerverletzt aus dem Fenster gestürzt und der Wut des Volkes überlassen wurde. Mit dem Ausruf "liberdade, Portugueses" (Freiheit, Portugiesen) und "viva El Rey Don Joao IV" (Es lebe der König Johann IV.) wurde der Herzog von Braganza zum König Portugals mit dem Namen Johann IV. ausgerufen. Obgleich die Bevölkerung Lissabons, anders als beim "Corpus de Sang" in Barcelona, keinen bedeutenden Anteil an diesem Umsturz hatte, wurde er dennoch nur aufgrund der stillen Duldung, wenn nicht gar Sympathie durch das Volk möglich. [23]
Am 15. Dezember fand in der portugiesischen Hauptstadt die feierliche, offizielle Proklamation des Herzogs von Braganza zum König statt. Am 28. Dezember traten die Cortes der portugiesischen Restauraçao [24] zusammen und ratifizierten konstitutionell die Ernennung des Königs, der anschließend den Eid auf die portugiesischen Gesetze ablegte. Vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus festigten die Cortes ihren Einfluß auf die Steuergesetzgebung und ihre Rolle als Repräsentanten des Königreiches und aller seiner Gebiete, denn in gewisser Weise verstand Portugal sich selbst als eine Republik der Republiken. Laut der offiziellen Auslegung, die so auch in der zeitgenössischen "braganzistischen" Presse ausgedrückt ist, war die rechtmäßige Dynastie und die Freiheit Portugals wiederhergestellt worden. [25] Die übrigen Städte Portugals schlossen sich Lissabon an. In den überseeischen Besitzungen erfolgte die Anerkennung des Königs in verschiedenen Phasen, vom Februar 1641 an in Brasilien bis zum September 1641 in Indien. [26] Eine fehlgeschlagene Verschwörung unter der Führung des Erzbischofs von Braga und einigen Adeligen brachte der neuen portugiesischen Regierung erneute Bestätigung.
Bei der Begründung der Legitimität des Dynastiewechsels in Portugal waren die Predigten und Mahnungen der Priester von großer Bedeutung. [27] Unter den religiösen Orden und Kongregationen muß der Jesuitenorden wegen seiner klaren Identifizierung mit der Restauraçao besonders erwähnt werden. Ein Vertreter dieses Ordens, Pater Ignacio de Mascarenhas, wurde gewählt, um der Abgeordnetenversammlung Kataloniens eine Solidaritätadresse zu überbringen und anschließend Frankreich um Hilfe zu ersuchen. Seine Ankunft in Barcelona am Tag der Schlacht von Montjuich (26.1.1646) wurde von den Katalanen mit grosser Freude begrüßt. Wenig später schickte die Generalitat ihrerseits die Boten Jacint Sala und Rafael Cervera nach Lissabon, um von dort Hilfe zu erbitten. [28] Dies ist ein guter Beleg dafür, daß sich Portugal und Katalonien in ihrem Kampf um die Wahrung ihrer Identität gegenüber der spanischen Monarchie der gegenseitigen Abhängigkeit bewußt waren. Die Tatsache, daß im darauffolgenden Jahr die beiden katalanischen Botschafter in Lissabon in den Dienst Philipps IV. traten, ist andererseits ein Zeichen für den Zwiespalt innerhalb der aufständischen Führungsschichten (mehr in der katalanischen als in der portugiesischen) in Bezug auf den Bruch mit dem König von Spanien. [29]
Die französische Monarchie war jedoch ebenfalls in Katalonien involviert. [30] Nachdem die Rückgewinnung des Roussillon gelungen war, hielt Mazarin es nicht für unmöglich, in den Besitz des ganzen Fürstentums Katalonien zu kommen. [31] Dr. Josep Fontanella, der Delegierte der Deputation von Katalonien und Barcelona in Münster, wußte dies sehr wohl - er war nach Münster entsandt worden, um die französischen Delegierten in den katalanischen Angelegenheiten zu beraten bzw. die Interessen Kataloniens zu wahren. [32] Ebenfalls im Umfeld und unter dem Schutz der französischen Delegation hielten sich die Repräsentanten Johanns IV. in Westfalen auf, Luis Pereira de Castro und Francisco de Andrade Leitao in Münster und in Osnabrück Rodrigo Botelho de Morais, der nach seinem Tod durch Cristovao Soares de Abreu ersetzt wurde. [33] Unter dem starken Druck der Gesandten Philipps IV. hielten es die Mittler, insbesondere der päpstliche Nuntius Fabio Chigi, nicht für angebracht, die Repräsentanten Portugals und Kataloniens formell anzuerkennen. Die Zukunft dieser beiden Staaten wurde bei den Verhandlungen von Münster zu einen sujet brûlant, zu der - entsprechend dem Stand der Kampfhandlungen - verschiedene Vorschläge gemacht wurden. Eine falsche Beurteilung der Lage in Madrid und Paris - beide Regierungen waren der Meinung, den Gegner mit einer zusätzlichen Anstrengung in die Knie zwingen zu können - führte dazu, daß sich die in Münster ausgehandelten Friedensverträge nicht auf die spanische Monarchie und das Königreich Frankreich erstreckten.
Was Katalonien betrifft, so erschwerte der Beginn der Fronde in Frankreich im Jahre 1648 erheblich die Bezahlung der in Katalonien zum Kampf gegen Philipp IV. stationierten Truppen und machte es Paris unmöglich, eine koordinierte politische und militärische Aktion durchzuführen. [34] Hinzu kam, daß die französischen Vizekönige Kataloniens dessen Verfassungen ebensowenig achteten wie es vorher die Spanier getan hatten. Der Unmut sowohl bei der katalanischen Bevölkerung, die die Ausschreitungen der französischen Söldner erdulden mußte, als auch bei den Führungsschichten wuchs, ähnlich wie bereits vor den Unruhen von 1639/40. [35] Die Verbindung Kataloniens mit Frankreich hatte, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, darüber hinaus zum Verlust der süditalienischen Märkte geführt. So kam es, daß im Jahre 1652, auf dem Höhepunkt der Fronde unter Condé [36] und nach einer langen Belagerung durch die Truppen von Juan José de Austria, eines unehelichen Sohnes Philipps IV., Barcelona an die spanische Krone zurückfiel und danach viele andere Städte Kataloniens. Die Hauptstadt des Fürstentums wurde mittels eines mehrdeutigen Paktes mit Juan José de Austria und auch zum Teil mit Waffengewalt wieder in das spanische Reich eingegliedert. [37] Der Friede zog in Katalonien jedoch erst im Jahre 1659 mit dem Pyrenäenvertrag ein. Es war ein harter Friede, denn die Grafschaft Roussillon und einige angrenzende Gebiete blieben unter französischer Herrschaft. Aber obwohl Katalonien in diesen stürmischen Jahren seine territoriale Einheit nicht aufrechterhalten konnte, gelang es doch, diese schwierige Zeit zu überstehen und dabei die geschichtliche, politische und sprachliche Eigenständigkeit, ebenso wie seine besonderen Einrichtungen und einen Großteil seiner verfassungsrechtlichen Freiheiten zu bewahren.
Portugal sah sich in der Zwischenzeit dadurch begünstigt, daß Katalonien das Hauptschlachtfeld des spanischen Königs war. Johann IV. konnte sich auf die Rückgewinnung der überseeischen Besitztümer konzentrieren, die an die Niederländer verlorengegangen waren. Seine Offensive wurde stärker, als 1646/47 die Vereinten Provinzen einen Friedensvertrag mit Spanien abschlossen und ihre Allianz mit Frankreich, dem großen Protektor Portugals, auflösten. Die französische Protektion war jedoch eine auf Distanz, ohne die Gefahr einer Annexion, wie sie Katalonien ausgesetzt gewesen war. Im Jahre 1648 gewann Portugal Angola zurück, im Jahre 1654 die von den Niederländern eroberten brasilianischen Gebiete. [38] Im Indischen Ozean konnten allerdings die Niederländer die Mehrzahl der Portugal abgewonnenen Gebiete bewahren. Mit dem wirtschaftlichen Rückhalt seiner Kolonien, seiner engen Bindung an die eigene Herrscherdynastie und der militärischen Unterstützung Englands [39] und Frankreichs konnte sich das Portugal der Restauraçao zwischen 1663 und 1665 gegen die Angriffe der geschwächten Monarchie Philipps IV. erfolgreich zur Wehr setzen. Obgleich das spanische Heer unter Juan José de Austria im Jahre 1663 noch vorübergehende Erfolge erzielen konnte, wurde es kurz danach bei Ameixial (Estremoz) von den Portugiesen mit Unterstützung der französischen Truppen unter Marschall Schomberg geschlagen. Der portugiesische Sieg von Montes Claros 1665 beendete den Krieg. [40] Dennoch dauerte es noch einige Jahre bis zur formellen Anerkennung der Unabhängigkeit Portugals durch die spanische Monarchie. Der Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen beiden Staaten wurde erst nach dem Tod Philipps IV. im Jahre 1668 geschlossen, der sich nie mit dem Verlust des portugiesischen Königreichs abgefunden hatte. Hiermit wurde die Restauraçao Portugals bestätigt. Im Dezenium davor hatte man in Lissabon sogar eine iberische Vereinigung in Erwägung gezogen: Um 1649/50 war Johann IV. bereit gewesen, zugunsten seines Sohnes Theodosius abzudanken, wenn dieser Maria Theresia von Österreich - zu der Zeit Erbin Philipps IV. - heiratete und beide ihren Hof nach Lissabon verlegten. Unter dieser Voraussetzung wäre die Geschichte Spaniens und Portugals eng verbunden geblieben, möglicherweise jedoch unter der Vorherrschaft Portugals.
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