Umkreis Theodor van Thulden, Erasmus Quellinus II. zugeschrieben

Allegorie auf Frieden und Krieg, um 1630

Mehrere mythologische Gestalten glorifizieren in dieser opulenten figurenreichen Darstellung den Frieden. Im Zentrum des Bildes wird die Friedensgöttin Pax, nur leicht mit einem roten um die Hüften geschlungenen Umhang bekleidet – sonst barbusig –, von der heranschwebenden Siegesgöttin Nike mit einem Loorbeerkranz  gekrönt. Drei weitere weibliche Gestalten umringen die Friedensgöttin. Es sind, hinter ihr stehend, Concordia, die „Eintracht“ – erkennbar am antiken Liktorenbündel – und vor ihr im blauen Kleid „Justitia“, die als Attribut der von ihr personifizierten Gerechtigkeit die Waagschale hält. Die dritte ist „Abundantia“, die als Zeichen des Überflusses der Friedenszeit ihr Füllhorn über den am Boden spielenden Kindern ausschüttet. Diese unbeschwerten Putti rahmen die Gruppe, indem sie vor ihr mit den Früchten des Füllhorns spielen, den Schoß der Pax erklimmen und den hinter ihr stehenden Baum erklimmen. Sie sind ein Zeichen des Glücks des von Pax geschaffenen Friedens. Links neben der Gruppe stimmt Merkur, der Götterbote und Herr des Handels, auf seiner Laute ein Loblied auf die Friedensgöttin an. Über der Gruppe öffnet sich der Himmel, und das durch die Blätter des Baumes dringende Sonnenlicht lässt das Inkarnat der mythologischen Frauenfiguren aufblitzen und die Gewänder der Gruppe in ihrer ganzen Farbigkeit erstrahlen.

 

Dieser glücklichen beschaulichen Szenerie, durch welche sich der Betrachter der Folgen des Friedens – Glück, Wohlstand und Sicherheit – vergegenwärtigt, wird am rechten Bildrand eine gänzlich unterschiedliche Szenerie gegenübergestellt. In grauen gedeckten Farben türmt sich düster ein Haufen aus Rüstungen, Waffen, Standarten und Kriegstrommeln auf, vor dem zwei nackte gefesselte Kriegsgefangene kauern. Darüber verdunkelt sich der vormals helle Himmel bedrohlich. Eine geflügelte Kriegsfurie wendet sich mit einer Brandfackel gegen die Göttinnen, doch Pax weist sie mit dem Caducaeus, dem Merkurstab, entschieden zurück. Es ist der sieg und der Triumph des Friedens über den Krieg, den sich ein Künstler hier als Bildthema wählt. Seine Allegorie verbindet mit der Friedenssehnsucht die Vorstellung von Eintracht, Gerechtigkeit und Überfluss.

 

Unter den Malern seiner Zeit nahm Peter Paul Rubens (1577-1640) mit seinen bekannten allegorischen Darstellungen zweifelsohne eine vorbildhafte Sonderstellung ein. Seine Bilderfindungen in der Allegorie waren bahnbrechend und prägten eine ganze Generation von Malern und deren Nachfahren im 17. Jahrhundert. Lag zu Beginn seines Schaffens der Fokus seiner Allegorien auf der Visualisierung der Wohltaten des ersehnten Friedens, auf dem Triumph des Friedens über den Krieg, so kehrte mit der schwindenden Hoffnung auf Frieden eine stärkere Darstellung der negativen Folgen des Krieges in sein Werk ein. Die hier vorgestellte kleinformatige Allegorie lässt sich daher in ihrer Aussage der frühen Phase der Allegoriesprache Rubens‘ zuweisen, wobei eine Ausführung durch seine eigene Hand klar zu bestreiten ist.

Eine im Stadtmuseum befindliche Zeichnung, zunächst Theodor van Thulden, danach dem engeren Umkreis Peter Paul Rubens‘ zugeschrieben, mag als Studie mit dem ausgeführten Gemälde in Verbindung stehen. Sie ist jedoch von deutlich höherer zeichnerischer Qualität als das ausgeführte Gemälde , wirkt im Aufbau dichter, und die Figuren haben eine Natürlichkeit, die die Ausführung auf Kupfer nicht bieten kann. Trotzdem besticht das Bild durch seine schöne Farbigkeit und seine Fülle an Details.

 

In der Werkstatt Peter Paul Rubens‘ lässt sich ein Maler verorten, der höchstwahrscheinlich als Schöpfer dieses Gemäldes auszumachen ist. Erasmus Quellinus II. (1607-1678) entstammte der in Antwerpen lebenden Künstlerfamilie Quellinus. Bis 1634 war er Schüler von Rubens in dessen Antwerpener Werkstatt und wurde im selben Jahr Meister der Lukasgilde seiner Heimatstadt. In seinen zahlreichen religiösen und historischen Gemälden sowie in den von ihm ausgeführten Bildnissen erweist sich Erasmus Quellinus als einer der begabtesten Schüler seines Meisters mit großem Sinn für dessen Kompositionen. Das hier vorgestellte Gemälde ist unsigniert und undatiert, doch lässt sich im Vergleich mit anderen Zeugnissen der Rubenswerkstatt ein Entstehungszeitraum um das Jahr 1630 annehmen; ein Zeitpunkt, zu dem Quellinus noch in der Werkstatt Rubens‘ anzutreffen war, sich Gemälde und Zeichnungen seines Meisters zum Vorbild nahm und sich an dessen allegorischen Bildthemen schulte.

 

Die „Allegorie auf Frieden und Krieg“ steht hier beispielhaft für die Fülle an politischen Allegorien aus dem Umkreis Peter Paul Rubens‘, des großen Meisters dieses Sujets. Mit ihrem Detailreichtum und der Fülle der dargestellten Personifikationen bieten diese einen interessanten Gegensatz zu den stark verdichteten, auf wenige Protagonisten reduzierten Allegorien Joachim von Sandrarts und Theodor van Thuldens.

 

Bastian Weisweiler