IV. DIE SCHRECKEN DES KRIEGES

"... das Furagieren aber ist nichts anderes, als daß man mit großer Mühe und Arbeit, auch oft nicht ohne Leib- und Lebensgefahr hinaus auf die Dörfer schweifet, drischt, mahlt, backt, stiehlt und nimmt was man findt, trillt und verderbt die Bauern, ja schändet wohl gar ihre Mägd, Weiber und Töchter!”. Was hier Grimmelhausens literarische Gestalt des jungen Simplicius berichtet, war in der Realität häufig genug leidvoller Alltag: Die durchziehenden Armeen wüteten besonders in den letzten Jahren des Krieges mit enormer Brutalität unter der Bevölkerung. Aber die Soldaten waren Täter und Opfer zugleich: 30 Prozent Verluste pro Jahr war in den Armeen die Regel, in besonders schlimmen Zeiten sogar noch mehr. In den Jahren der Schlachten von Breitenfeld, Nürnberg und Lützen büßte die schwedische Armee rund zwei Drittel ihrer Kampfstärke ein. Schlimmer noch wüteten die “Geißeln des Krieges”, Hunger und Seuchen, die die weitaus meisten Opfer dahinrafften.

Kontributionszahlungen, Einquartierungen oder die Versorgung durchziehender Soldaten belasteten und schwächten vor allem die Bauern. Darüber hinaus wurden Pferde, Vieh und Getreide konfisziert, so daß vielerorts die Landwirtschaft zum Erliegen kam.

Trotz aller Eintreibungen herrschte Bargeldknappheit und Nachschubmangel, so daß es in allen Armeen zu Meuterei, Marodieren und anderen Übergriffen kam. Die stetig wachsende Zahl der verarmten, kranken und dienstunfähigen Soldaten, die weitgehend auf Plünderungen angewiesen waren, verschärfte die Situation zunehmend. Zu Beginn des Krieges hatte der Sold eines einfachen Soldaten noch als verheißungsvolle Alternative zu dem ärmlichen Leben auf dem Land gegolten. Doch der Anreiz, in die Armee einzutreten, sank immer mehr. Ab 1635 war auch das Militär von der sich verschlechternden Finanz- und Wirtschaftslage betroffen. Im letzten Viertel der dreißiger Jahre wurde der Anblick eines zerlumpten, bettelnden und verkrüppelten Soldaten zum täglichen Bild in vielen vom wütenden Kriegsgeschehen betroffenen Landstrichen.

Die Landbevölkerung entwickelte eine Reihe von Schutzmaßnahmen, um den häufigen Überfällen der Marodeure zu entgehen. Man versteckte oder vergrub Vieh, Nahrung und Wertsachen und flüchtete sich selbst in die Wälder, Burgen oder Städte. Von dort aus ließen sich die Felder bestellen und die bäuerliche Wirtschaft notdürftig aufrechterhalten. Mit einer “Salvaguardia”, einem von militärischen Befehlshabern ausgestellten Schutzbrief für eine Burg, eine Stadt oder ein Territorium, konnte man sich manchmal vor drohenden Übergriffen schützen. Die Stadtbevölkerung war aber dennoch bedroht - vor allem durch Hunger und Krankheit. Der schlechte Ernährungszustand, die erbärmlichen Lebensumstände in den oft mit Flüchtlingen überfüllten Städten sowie mangelnde medizinische Versorgung machten die Bevölkerung anfällig gegenüber den von den Heeren mitgeschleppten Seuchen, und die Medizin des frühen 17. Jahrhunderts scheiterte immer wieder an den unhygienischen Verhältnissen. So gab es während des Krieges zwei große Pestwellen (1624/26 und 1634/36), denen mancherorts mehr als die Hälfte der Einwohner zum Opfer fiel.

Die Leiden der Bevölkerung, die Not der Soldaten, die oft grauenhaften Verhältnisse in den verödeten Städten und Dörfern sind in zahlreichen Zeitzeugenberichten und Chroniken überliefert. Künstler wie Jacques Callot oder Hans Ulrich Frank reflektieren in ihren Werken die Schrecken dieser Zeit, und ihre Bildsprache gibt die leidvollen Erfahrungen der Kriegszeit wieder.
K. W.

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IV.1. Bilder von Gewalt und Elend


Elend und Not des Krieges blieben auch in der bildenden Kunst nicht ohne Widerhall. Die ästhetische Umsetzung von Hunger, Verzweiflung und Tod in künstlerische Bildmotive leisteten insbesondere die zeitgenössische Malerei und Druckgraphik. Künstler wie Jacques Callot und Hans Ulrich Franck schufen Druckfolgen, die in drastischen Einzelszenen das Leiden der Menschen darstellten. Wichtigstes Thema war der Konflikt zwischen Soldaten und Bauern, wie er bereits die niederländische Kunst und Literatur beschäftigt hatte. Persönliche Kriegserfahrungen der Künstler spiegeln sich auch indirekt in den Motiven und Kompositionen der zeitgenössischen Kunst wider, wie an den verhalten formulierten Bildern Georges de la Tours oder den eindrücklichen Skulpturen Leonhard Kerns deutlich wird.

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IV.2. Pest, Hunger, Tod. Die Leiden des Volkes


Die Menschen litten unmittelbar unter dem Krieg, unter Einquartierungen und Requisitionen, unter Übergriffen der Soldaten, Plünderungen und Belagerungen. Der oft aufflackernden gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Bauernaufgeboten und Soldaten - hier beispielhaft gezeigt am Oberösterreichischen Bauernkrieg von 1626 und an der lothringischen Adeligen Madame de Saint Baslemont - verschlimmerten das Kriegselend nicht selten; die Obrigkeiten konnten meist nicht ausreichend helfen. Enorm waren die ökonomischen Verluste; viele Schatzfunde zeugen davon, daß Wertgegenstände vor heranrückenden Heeren vergraben oder eingemauert worden waren. Den Krieg begleiteten Seuchen wie die Pest, die noch mehr Menschen tötete als der Krieg. Es herrschte Angst, die sich u.a. in Votivbildern zeigt, die Menschen in Lebensgefahr zu stiften gelobten.

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IV.3. Die Dichter und der Krieg


Die Literatur begegnet dem Krieg auf verschiedene Weise. Neben Schlachtengemälden feiern auch Dichtung und Theater siegreiche Schlachten. Zugleich entwickelt sich aber ein Schrifttum, das sowohl dem Leiden unter den Zerstörungen des Krieges als auch der Sehnsucht der Zivilbevölkerung nach Frieden Ausdruck zu verleihen scheint. Es sind jedoch literarische Topoi aus den Anfängen der konfessionellen Auseinandersetzungen, die von den Dichtern während des Dreißigjährigen Krieges aufgegriffen werden. In Tagebüchern und autobiographischen Berichten der Zeit wird deutlich, daß die Bevölkerung sich dem Schrecken hilflos ausgeliefert sah. Nur metaphysische Erklärungen vermochten dem Kriegselend einen Sinn zu geben: als Strafe Gottes für die Sünden und den Hochmut der Menschen. Daher mahnen die Friedensrufe zu Umkehr und Buße, damit der Friede dauerhaft auf die Erde zurückzukehre.

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IV.4.


Der Krieg begann als Kampf der Konfessionen, geführt auch um religiöse Symbole. Ein solches war auf katholischer Seite in Paderborn der Reliquienschrein des Stadt- und Bistumspatrons, des heiligen Liborius. 1622 von dem protestantischen Heerführer Christian von Braunschweig geraubt und eingeschmolzen, wurde er in die "Pfaffenfeindmünzen" umgeprägt - zur Propaganda. Für die 1627 zurückgekehrten Reliquien schuf man in Paderborn einen neuen Schrein, der die geistliche und politische Identität des katholischen Hochstiftes veranschaulichte. Der Schrein wurde 1631 nach Münster gerettet und während der Friedensverhandlungen 1644-1648 ausgestellt. Die Hoffnungen der Paderborner erfüllten sich aufgrund eines Schutzbriefes Ludwigs XIV. für das Bistum. Bis heute erinnert der Schrein an die Drangsale des Dreißigjährigen Krieges.

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