MICHIEL P. VAN MAARSEVEEN Die Darstellung des Achtzigjährigen Krieges in der Malerei der nördlichen Niederlande des 17. Jahrhunderts: Belagerungsdarstellungen |
I. Einleitung
Bevor man sich den Darstellungen der Kriegshandlungen nach dem Zwölfjährigen Waffenstillstand (1609-1621) zuwendet, ist es notwendig, einen kurzen Blick auf die Gemälde aus der ersten Phase des Achtzigjährigen Krieges zu werfen.
II. Die Gemälde aus der ersten Phase des Achtzigjährigen Krieges
Nach der ersten, defensiven Phase des niederländischen Aufstandes, bei dem die Initiative in spanischer Hand lag, begann mit der Statthalterschaft von Moritz eine Zeit, in der die nördlichen Niederlande viele Städte von den spanischen Truppen zurückerobern konnten. Es ist bemerkenswert, daß, abgesehen von der Schlacht bei Nieuwpoort, von keinem der Siege Moritz' ein Gemälde überliefert ist. In der Graphik und der Münzkunst sind die Eroberungen des Prinzen festgehalten, aber kein Maler widmete sich dem Thema. Für diese Tatsache gibt es keine befriedigende Erklärung.
Zur selben Zeit stellten südniederländische Maler die wenigen spanischen Eroberungen bereits dar. Im Escorial bei Madrid hängen in der Galería de Paseo Gemälde anonymer südniederländischer Künstler vom Anfang des 17. Jahrhunderts, auf denen die militärischen Triumphe von Philipp II. in den Niederlanden abgebildet sind. Über die Entstehung der Werke ist wenig bekannt, sie verdeutlichen aber, daß um 1600 in den südlichen Niederlanden bereits gemalte Darstellungen von zeitgenössischen militärischen Auseinandersetzungen angefertigt wurden.
III. Die dreißiger Jahre
Auch im Werk von Pauwels van Hillegaert (1595/96-1640) ist eine Absenkung des Horizontes zu erkennen, wie das 1631 entstandene Bild "Prinz Friedrich Heinrich bei der Belagerung von 's- im Jahre 1629" (Abb. 2) zeigt. Die Figuren sind auf einem fiktiven Hügel plaziert, wodurch der Maler die Möglichkeit erhält, auch die dahinterliegende Landschaft mit den Befestigungsanlagen, die Friedrich Heinrich hatte anlegen lassen, wiederzugeben. Van Hillegaert scheint vom Werk Sebastiaen Vrancx' (1573-1647) beeinflußt, der in den wenigen von ihm bekannten Belagerungsdarstellungen immer das Lager der Belagerer ins Zentrum stellte.
Pauwels van Hillegaert war der wichtigste Maler von Kriegshandlungen des Achtzigjährigen Krieges. Häufig kombinierte er die Darstellung mit einem Portrait des Statthalters zu Pferde (Abb. 3). So malte er kleine Reiterportraits Friederich Heinrichs mit dem Prinzen im Vordergrund und der Belagerung einer Stadt im Hintergrund. Da der Horizont auf das untere Viertel des Bildes abgesenkt ist, hebt sich die Figur des Prinzen zu Pferde deutlich vor dem Himmel ab. Diese Darstellungen zeigen den Prinzen vor allem in seiner Rolle als militärischer Befehlshaber, wobei der Hintergrund von nebensächlicher, nur dekorativer Bedeutung ist. Bei Friedrich Heinrich wählte van Hillegaert zumeist die Belagerung von Maastricht als Hintergrund, auffälligerweise jedoch nicht die von 's-Hertogenbosch. [5] Neben diesen Bildnissen Friedrich Heinrichs existieren ähnliche Portraits von Prinz Moritz und Gustav Adolf von Schweden. [6]
Die kleinen Reiterstücke können aufgrund ihrer Komposition in zwei Gruppen geteilt werden. Meistens zeigt van Hillegaert den Feldherrn seitlich auf kurbettierendem Pferd. Der Portraitierte schaut den Betrachter von der Seite an, während sein Pferd den Kopf eben abgewendet hat. Der zweite Typus zeigt das Pferd von vorne, beide - Pferd und Reiter - sehen den Betrachter an.
Zeitgleich mit Pauwels van Hillegaert war auch Hendrik Ambrosius Pacx (1602/03-nach 1658) tätig. Auch Pacx malte Reiterportraits von Friedrich Heinrich mit der Belagerung von 's-Hertogenbosch oder Maastricht im Hintergrund. [7] Seine Reiterportraits sind, verglichen mit denen von van Hillegaert, breiter angelegt. Der Prinz wird immer begleitet von einem Schildknappen, der seinen Helm trägt.
Beide Maler schufen sehr ähnliche Werke von Mitgliedern der Familie des Statthalters. In einige Fällen malten van Hillegaert und Pacx sogar identische Darstellungen. Trotz stilistischer Nähe beider scheint Pacx van Hillegaert technisch zu übertreffen. Seine Figuren sind heller und schärfer gemalt. Da aber eine Untersuchung zu Leben und Werk der beiden Künstler fehlt, ist ihr Verhältnis zueinander schwierig einzuschätzen. Sicher ist jedenfalls, daß sie gegenseitig ihre Werke gekannt haben.
IV. Die vierziger Jahre
Über die Tätigkeit von Jan Breecker sind wir allein durch die Inventare der Burg Buren informiert, für die er 1644 und 1646 sechs Werke geliefert hatte. Nur ein frühes Werk von ihm, das 1632 datierte Reiterportrait Friedrich Heinrichs, ist heute noch bekannt. [9]
V. Monumentale Portraitserien
Die erste Folge stammt von Herman Mijnert Doncker (vor 1620-nach 1656), der 1636 für das Rathaus von Edam zwei Portraits von Moritz und Friedrich Heinrich zu Pferde fertigte. [10] 1643 malte Isaac Isaacsz. (1599-nach 1668) für das Rathaus von Harderwijk ebenfalls eine Folge von Reiterportraits der Familie des Statthalters. [11] Neben den Prinzen Moritz und Friedrich Heinrich (Abb. 5) ist diesmal auch Wilhelm von Oranien dargestellt. Im Hintergrund der Bilder sind drei militärische Erfolge der Republik festgehalten. Hinter Friedrich Heinrich ist die Belagerung von 's-Hertogenbosch abgebildet, und das aufrückende Geschwader von Reitern hinter Moritz verweist vermutlich auf die Schlacht bei Nieuwpoort. [12]
Als dritte Portraitfolge der Familie des Statthalters zu Pferde sollen drei Gemälde angeführt werden, die Jacob Fransz. van der Merck (ca. 1610-1664) von den Prinzen Moritz, Friedrich Heinrich und Wilhelm II. malte. [13] Die letzten beiden Bilder sind von van der Merck mit den Jahreszahlen 1643 und 1647 bezeichnet. Die Werke unterscheiden sich von den anderen drei Portraitfolgen durch die Hinzufügung eines Puttos, der den jeweiligen Prinzen mit Lorbeer bekränzt. Derartige allegorische Motive sind bei Reiterportraits ungewöhnlich. Im königlichen Palais auf dem Dam hängt die letzte und zugleich umfangreichste Folge von Reiterportraits der Oranier. Sie wurde wahrscheinlich von dem flämischen Portraitmaler Anselm van Hulle (1601-nach 1674) in den vierziger Jahren angefertigt. [14] Van Hulle malte Reiterstücke von Wilhelm von Oranien, dessen drei Söhnen Moritz, Friedrich Heinrich, Philipp Wilhelm sowie seinem Enkel Wilhelm II. Auch wenn die Oranier ausdrücklich als Befehlshaber der republikanischen Truppen portraitiert sind, fehlen hier im Hintergrund, im Gegensatz zu den vorhergehenden drei Folgen von Doncker, Isaacsz. und van der Merck, Hinweise auf bekannte Feldschlachten oder Belagerungen. Das monumentale Reiterportrait der Oranierfamilie ist eine typische Erscheinung des Zeitraums von ungefähr 1635 bis 1650 und kommt anschließend nicht mehr vor. Dies hängt nur am Rande mit der Beendigung der militärischen Aktivitäten des Landes durch den Friedensschluß von Münster 1648 zusammen, denn Belagerungsszenen werden in den fünfziger Jahren noch immer gemalt. Einen wichtigerer Grund ist die erste statthalterlose Zeit (1650-1672). Das eigensinnige Auftreten des jungen Statthalters Wilhelm II., der die Einstellung der Feindseligkeiten und damit den Wegfall der Möglichkeit, sich im Kampf zu beweisen, nur schwer akzeptieren konnte, führte schließlich zu einem Angriff auf die Stadt Amsterdam, die dem jungen Prinzen bei seinen ehrgeizigen Plänen entgegenstand. Nur der vorzeitige Tod von Wilhelm II. im Jahre 1650 behütete die Provinz Holland vor weiteren Aktivitäten dieses streitbaren Statthalters. Das Auftreten von Wilhelm II. hatte zur Folge, daß die Oranier in Mißkredit gerieten und ihre Bedeutung im Machtfeld der Republik stark begrenzt wurde.
VI. Die Belagerungsbilder nach dem Frieden von Münster
De Meyer ging vermutlich von Pauwels van Hillegaerts Gemälden mit der Belagerung von 's-Hertogenbosch aus und entwickelte in seinen Bildern dieses Sujet weiter. Den extrem hohen Horizont auf südniederländischen Bildern hat van Hillegaert in seinen Werken zu einem realistischeren Verhältnis von Himmel und Landschaft gesenkt. Heinrich de Meyer zog ihn noch tiefer, so daß die Landschaft nur noch ein Viertel des Bildes einnahm. Folglich wurden die Darstellungen kompakter.
Auffallend ist, daß de Meyer eine ausgesprochene Vorliebe für die Darstellung der Belagerungen von Breda und Hulst nicht aber für die Einnahme von 's-Hertogenbosch oder Maastricht hatte. Nur ausnahmsweise malte er einmal die Eroberung von Sas van Gent im Jahre 1644 [16], ebenso die Eroberung von Hulst, ein Gefecht kurz vor Ende des Achtzigjährigen Krieges. Warum von der Belagerung von Sas van Gent nur ein Werk bekannt ist, während de Meyer die Einnahme von Hulst im folgenden Jahr noch häufiger thematisierte, ist rätselhaft. Möglicherweise liegt es daran, daß mit Hulst die Sicherung der Republik vollständig erreicht war.
Nachdem Hendrik de Meyer keine Belagerungsszenen mehr malte, brach eine Periode von ungefähr 25 Jahren an, in denen keine Bilder dieses Sujets entstanden. Um 1680 stellte der Dordrechter Abraham van Calraet (1642-1722) wieder Belagerungen dar. Er malte vier fast identische Darstellungen der Belagerung von Breda. [17] In seinen Werken kombiniert Abraham van Calraet den niedrigen Blickpunkt de Meyers mit van Hillegaerts Art, Friedrich Heinrich und sein Gefolge vor dem Lager Vught während der Belagerung von 's-Hertogenbosch zu portraitieren (Abb. 2). Mit van Calraet endet die Darstellung von Kriegshandlungen aus dem Achtzigjährigen Krieg. Maler aus dem letzten Viertel des 17. Jahrhunderts bevorzugten Ereignisse der zeitgenössischen Geschichte. Die unangenehme Situation, in der die Republik 1672 steckte und die darauf folgende Rettung der Nation durch Wilhelm III. boten hierfür genügend Stoff. Der neue Pauwels van Hillegaert heißt Jan Huchtenburg. Huchtenburg trat am Ende des 17. Jahrhundert als visueller Protokollant des Krieges zu Lande hervor und kann sich in seiner Produktivität mit van Hillegaert messen.
VII. Darstellungstypen
Die erste Gruppe bilden Ansichten der Stadt vom Lager der Belagerer aus gesehen, wobei die Betonung ganz auf dem Lager im Vordergrund liegt, dem die belagerte Stadt in der Ferne als Silhouette am Horizont untergeordnet ist. Von großer Bedeutung für den Charakter der Darstellung ist die Höhe des Horizonts. Die extrem hohe Scheidung von Land und Himmel im Werk von Pieter Snayers ruft eine andere Wirkung hervor als der niedrige Horizont auf Bildern Hendrik de Meyers.
Die zweite Kategorie der Belagerungsszenen ist eigentlich eine Weiterentwicklung der ersten, unterscheidet sich aber durch das Reiterportrait des Feldherren im Vordergrund, natürlich immer Friedrich Heinrich. Sein Bildnis erhält eine besondere Betonung innerhalb der Darstellung, obwohl es im Verhältnis nur einen kleinen Teil der Bildfläche beansprucht.
Ausgehend von diesem Panorama mit Reiterportrait entwickelt sich der dritte Darstellungtypus: das Reiterportrait mit einer Belagerung im Hintergrund. Hierzu gehören sowohl die kleinen Reiterportraits van Hillegaerts als auch die monumentalen Portraits, die zwischen 1635 und 1650 entstanden. Auf diesen Werken ist das Bildnis des Feldherren zu Pferd isoliert, und die Kriegshandlungen sind weit in den Hintergrund verdrängt.
Die letzte Gruppe von Belagerungsszenen zeigt den Auszug der Belagerten nach Unterzeichnung des Kapitulationsvertrages. Das früheste Beispiel ist "Der Auszug der Verteidiger von 's-Hertogenbosch am 17. September 1629" von Pauwels van Hillegaert. [18] Dieses Ereignis bildete für die sieghafte Partei den Höhepunkt nach monatelanger Belagerung, denn damit war der Sieg endgültig besiegelt.
Nach van Hillegaert widmete sich vor allem Hendrik de Meyer dem Thema des Auszugs. Anders als die Panoramadarstellungen von van Hillegaert, sind die 'Auszüge' de Meyers komprimiert (Abb. 5).
Neben der Frage, welche Szenen einer Belagerung der Künstler des 17. Jahrhunderts festhielt, ist mindestens ebenso relevant, was er nicht darstellte. Die Antwort auf diese Frage ist genauso bestürzend wie einfach: den Kampf an sich. Dies hängt damit zusammen, daß Künstler die Stadt aus einem großen Abstand und nicht von den Schanzen aus oder aus den Laufgräben malten, in denen der eigentliche Kampf stattfand. Befehlshaber wagten sich meistens nicht in diese Bereiche und ließen sich in den sicheren Basislagern portraitieren, wo sie keine Gefahr liefen, erschossen zu werden. Die Berichte über Friedrich Heinrich, der sich unter Gefahr seines eigenen Lebens in Schußentfernung der Stadt begab, zeugt einerseits von dem Mut des Prinzen, macht aber auch deutlich, daß die Anwesenheit der hohen Militärs in den ersten Reihen höchst ungewöhnlich war.
IX. Schluß
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