LARS OLOF LARSSON Ein neues Rom an der Moldau? Der Skulpturengarten Albrecht von Wallensteins in Prag |
Von den Adelspalästen widmet er dem "Friedländischen [...] hauss" die ausführlichste Beschreibung. Über den Garten, der uns in diesem Zusammenhang vor allem interessieren soll, schreibt er: "Der garten darhinter ist gross, aber über diemassen irregulier, (hierinnen ist gestanden der brontzerne Hercules, welcher nun zu Drottningsholm ist); die grosse Loggie unter dem hauss mit ihren dreijen Arcaden nach dem garten zu ist dass ansehnlichste. Zur rechten dess gartens in der ecken ist ein grosses treflich wohl ordonnirtes vogelhauss, von grottescken bogen mitt gegitter zwischen, welches ich gezeijchnet habe, undt continuiret darneben ein lang styck mauer von selbe arbeit, so ich à part beschrieben habe, welche wohl 16 Ellen hoch ist, undt zwischen den hohenbeümen einen sehr bizzarren effect thuet, an ein paar stellen ist sie durchlöchert, undt in der mitten ist wie eine grotte darin". [3]
Es folgt eine eingehende Beschreibung des berühmten Pferdestalles, dem seine ungeteilte Bewunderung galt.
Die Angabe, daß der "brontzerne Hercules" - gemeint ist die große Gruppe von Herkules im Kampf mit der Hydra von Adriaen de Vries in Drottningholm - im Wallensteingarten gestanden habe, ist falsch. Sie wird jedenfalls nicht in dem sehr genauen Inventar, das nach der Ermordung Albrecht von Wallensteins 1634 verfaßt wurde, erwähnt. [4] Wahrscheinlich stand die Gruppe ursprünglich im kaiserlichen Palast. Daß Tessin sich in diesem Punkt irrte, ist allerdings verständlich. Die Bronzeplastiken von Adriaen de Vries, die zur Ausschmückung des zentralen Gartenparterres von Schloß Drottningholm nach Tessins eigenen Plänen kurz vor seiner Italienreise aufgestellt wurden, stammten in der Tat zum großen Teil aus dem Wallensteingarten. [5] Daß nicht alle Großplastiken aus der Pragbeute die gleiche Provenienz hatten, wird man in Stockholm 40 Jahre nach der Plünderung Prags nicht mehr so genau gewußt haben. Die Tatsache, daß gerade der Wallensteingarten in der Erinnerung der Zeitgenossen mit den Großplastiken aus Bronze verknüpft blieb, darf wohl immerhin als ein Hinweis darauf gewertet werden, daß seine Ausstattung mit Bronzeplastiken etwas Einmaliges in Prag darstellte.
Über eventuelle persönliche Kontakte mit den Nachfahren Albrecht von Wallensteins, bei denen die Rede vielleicht auch auf die Plünderung 40 Jahre vorher gekommen wäre, teilt Tessin nichts mit. In diesem Punkt ist sein Landsmann Erik Dahlbergh etwas ausführlicher. Er hielt sich im Jahre 1654 zwei Wochen in Prag auf und scheint sogar im Wallensteinpalast gewohnt zu haben; jedenfalls berichtet er in seinem Tagebuch von seinen sehr freundschaftlichen Kontakten mit dem Grafen Carl von Waldstein. [6] Mit keinem Wort findet die Plünderung Prags durch die Schweden, die bei seinem Besuch nur sechs Jahre zurücklag, Erwähnung - als ob sie überhaupt nicht Gegenstand der Gespräche des Gastgebers mit seinem jungen schwedischen Gast gewesen sei. Das wäre wohl in der Tat der Beweis einer höchst taktvollen Gastfreundschaft.
Aus Tessins Reisebericht geht hervor, daß der Wallensteinpalast mit seinem Garten gegen Ende des 17. Jahrhunderts, als bereits andere Architekturideale als am Anfang des Jahrhunderts sich geltend machten, immer noch zu den wichtigsten architektonischen Sehenswürdigkeiten der Stadt zählte. Zur Zeit seiner Fertigstellung gehörten Palast und Garten zweifellos zu den bemerkenswertesten Anlagen dieser Art in Mitteleuropa.
Begonnen wurde der Bau um 1622. [7] Der Bauherr, Albrecht von Wallenstein, der aus einem wenig bemittelten ostböhmischen Adelsgeschlecht stammte, gehörte zu den Aufsteigern nach der Schlacht am Weißen Berg. Der Bau seiner Prager Residenz stand im engen Zusammenhang mit seiner politischen Karriere. 1622 war er zum Obristen von Prag ernannt worden, d.h. er bekleidete das neu eingerichtete Amt eines kaiserlichen Statthalters in der böhmischen Hauptstadt. 1623 erwarb er die Herrschaft Friedland, die ihm seit 1621 verpfändet gewesen war. Gleichzeitig wurde er in den Reichsfürstenstand erhoben. 1623 heiratete er in zweiter Ehe Isabella von Harrach und fand damit Einlaß in den österreichischen Hofadel. Im Sommer 1625 erfolgte die Erhebung zum Herzog, nachdem er auf eigene Kosten ein Heer aufgestellt hatte, an dessen Spitze er 1626-28 Sommer einen Siegeszug durch Norddeutschland gegen Dänemark antrat.
Vor diesem Hintergrund sind Ausmaß und Prunk seiner Prager Residenz zu verstehen, die - sieht man einmal von der Burg selbst ab - alle in dieser Stadt bis dahin gekannten Maßstäbe sprengten. Hier baute der reichste und mächtigste Mann Böhmens, scheinbar unberührt von der finanziellen Last des Krieges. Es ist charakteristisch für die Bedeutung, die Wallenstein seinem Palastbau und dessen Ausstattung beimaß, daß er das Fortschreiten der Arbeit selbst während seiner Feldzüge verfolgte und auch in Einzelheiten persönliche Entscheidungen traf.
Der Wallensteinpalast stellt eine um mehrere Höfe gruppierte unregelmäßige Anlage dar. Der Garten wurde schon ab 1623 unter der Leitung von Andrea Spezzo angelegt und dürfte um 1627 weitgehend vollendet gewesen sein. Nicodemus Tessin d.J. beschreibt ihn, wie wir gesehen haben, als groß, aber "über die Maßen irregulier". In der Tat gliedert er sich in mehrere relativ selbständige Teile; inwiefern diese durch Wegeführung und Blickachsen verknüpft waren, wissen wir nicht. Ein direkter Bezug zwischen den Wohn- und Repräsentationstrakten und dem Garten besteht nicht. Palast und Garten werden aber durch die Sala terrena verklammert. Uns soll hier nur der zentrale, im nächsten Anschluß an den Wohntrakt des Palastes gelegene Teil des Gartens interessieren. Er läßt sich als ein nahezu quadratisches, ungefähr 50 x 50 m messendes Parterre beschreiben, dessen Westseite von der großen Loggia, der berühmten Sala terrena, beherrscht wird. In der Mitte des Parterres steht heute ein Brunnen mit einer Skulpturengruppe von Benedikt Wurzelbauer. Sie stellt Venus und Amor dar. [8] Im Süden schließt sich ein durch eine große Voliere und eine hohe, mit Grottenwerk bekleidete Mauer abgegrenzter Teil des Gartens an. Gerade dieser Teil fand, wie wir gesehen haben, die ungeteilte Zustimmung Tessins, der das Grottenwerk als das beste, das er je gesehen habe, bezeichnet.
Genau wissen wir nicht, wie der Garten nach seiner ersten Fertigstellung aussah. Es fehlen Abbildungen, die seinen Zustand vor der Plünderung durch die Schweden 1648 zeigen, und die Beschreibung des Gartens von dem Engländer Thomas Carve, der 1634 Prag besuchte, ist zwar voller Bewunderung und nennt wohl auch die wichtigsten Elemente des Gartens, ist aber zu ungenau, um uns viel weiter zu helfen. Er schreibt: "Nicht fern vom Palast sah man einen lustigen Garten voller Bildsäulen und Wasserröhren, zu Ende dessen war ein Vögelhaus mit allerlei Vögeln besetzt, darinnen Bäumen und Hecken gepflanzet waren, darauf die Vögel nisteten [...] Mitten im Garten war ein Fischteich, reich erfüllet mit allerlei Gattung Fisch". [9] Skulpturen, Brunnen, die Voliere und der große Wasserteich (von dem es allerdings heißt, er liege mitten im Garten!) waren damals jedenfalls vorhanden. Die große Grottenmauer, die Tessin so bewunderte, fand Thomas Carve merkwürdigerweise nicht der Erwähnung wert, sofern sie nun damals schon gebaut war. Geplant bzw. in Arbeit dürfte sie auf jeden Fall gewesen sein, denn es hat den Anschein, daß die Grottenarchitektur von Anfang an den ganzen zentralen Teil des Gartens prägen sollte. Nur so kann man wohl die Bemerkung von Adriaen de Vries verstehen, wenn er 1626 die provisorische Aufstellung seiner Skulpturen vor der Loggia mit folgenden Worten anregt: "die Weil der Gebau ein so gewaltigen stattlichen Aussehen hat, so were es auch scheinlich (schändlich?) [...], daß der Grotten nicht weniger sein solt". [10] Der großzügige Maßstab der Gesamtanlage und die für Mitteleuropa neuartige Zuordnung der einzelnen Elemente (Loggia, Grotte, Brunnen, Parterre) zueinander würden es wohl verdienen, von der Gartengeschichte eingehender als bisher gewürdigt zu werden.
Eine ergiebigere Quelle als die zitierte Beschreibung von Thomas Carve ist, was die Skulpturen im Garten betrifft, das Inventar, das 1634 nach der Ermordung Wallensteins aufgesetzt wurde. Es werden dort genannt:
Vor der Loggia:
1 Hauptrohrkasten von weiß Marmelstein
1 Postament in der Mitte, darauf gesetzt 5 große Bilder.
4 Messingene Endten
4 Messingene Roßköpf
2 Löwen- und 2 Greifenköpfe
Dazu: gegen den Röhrkasten 4 postument von weiß Marmelstein, auf jedem von Metall gegossene große Bilder = 4. Dieser Brunnen und die vier übrigen Figuren befanden sich vor der Loggia. Ein Stück weiter weg stand ein zweiter Brunnen, der Venusbrunnen von Benedikt Wurzelbauer, den Wallenstein aus Lobkowitzbesitz erworben hatte. In einer Truhe im Zahlmeistergewölbe befand sich außerdem eine große Bronzeskulptur, "Pollo genannt". [11]
Die genannten Skulpturen sind Werke von Adriaen de Vries. Dieser war nach dem Tod Kaiser Rudolfs II., bei dem er als Hofstatuarius gedient hatte, in Prag geblieben und hatte bis kurz vor seinem Tod 1626 Wohnung und Werkstatt auf der Burg.
Die Skulpturen wurden, wie erwähnt, 1648 von der schwedischen Armee erbeutet und befinden sich heute, mit Ausnahme der genannten "Tierköpfe und Endten", die verlorengegangen sind, und des Venusbrunnens, der 1887 nach Prag zurückerworben werden konnte, in Stockholm. Es handelt sich dabei um eine Laokoongruppe, einen Bacchus, eine Ringergruppe, eine Venus-und-Adonis-Gruppe, einen Apoll, einen Neptun, alle etwa lebensgroß, und um zwei etwas kleinere sitzende Flußgötter und zwei sitzende Frauenfiguren, die zum Brunnen gehörten. Zu Beginn unseres Jahrhunderts wurden Kopien von diesen Skulpturen und - angeregt durch die Beschreibung Tessins - von der Herkulesgruppe im Wallensteingarten aufgestellt. Auf die ursprüngliche Anordnung der Figuren wurde dabei allerdings keine Rücksicht genommen. [12]
Der Neptunbrunnen stand, wie Grabungen gezeigt haben, dort, wo sich heute der Brunnen mit der Venusfigur Benedikt Wurzelbauers befindet, d.h. genau in der Mitte des quadratischen Parterres vor der Loggia. Eine Vorstellung davon, wie der Brunnen von Adriaen de Vries ausgesehen hat, kann ein Vergleich mit anderen Brunnen des Künstlers, z.B. mit dem wenige Jahre davor entstandenen Neptunbrunnen auf Schloß Frederiksborg zeigen. Vielleicht gibt sogar das heutige Brunnenbecken im Wallensteingarten, was Größe und Profil der Einfassung betrifft, die Gestalt des ursprünglichen Beckens wieder, das die Plünderung einigermaßen heil überstanden haben mag.
Wie die vier Skulpturen angeordnet waren, die laut Inventar "gegen den Röhrkasten" standen, ist schwer zu sagen. Anzunehmen ist wohl, daß sie um den Brunnen herum plaziert waren, vielleicht bezeichnet aber auch der Ausdruck "gegen den Röhrkasten" eine Richtung, was dann wohl bedeuten dürfte, daß sie zwischen der Loggia, von wo aus der Autor des Inventars den Garten beschreibt, und dem Brunnen standen.
Dieser Brunnen und der ganze Skulpturenschmuck, so wie die großzügige Gartenanlage überhaupt, stellten für Prag, soweit uns die Nachrichten über Anlage und Ausstattung der kaiserlichen Gärten ein Urteil erlauben, etwas Neues dar. Zwar läßt die Plazierung eines Brunnens vor der Loggia an den Belvederegarten denken, wo seit Ende des 16. Jahrhunderts der sogenannte "Singende Brunnen" eine ähnliche Position einnimmt, neu war aber der Brunnentypus mit seinen großfigurigen Plastiken, und neu war auch die Aufstellung von großen Bronzeskulpturen im Garten. [13] Etwas Vergleichbares gab es zu dieser Zeit in Mitteleuropa wohl nur in München. Bemerkenswert ist auch, daß der Brunnen seinem Typus nach eher für einen Stadtplatz oder für einen Schloßhof als für einen Garten geschaffen zu sein scheint. Gartenbrunnen waren zu dieser Zeit noch in aller Regel Schalen- oder Kandelaberbrunnen. Diese Besonderheit erklärt sich wahrscheinlich aus der Vorliebe des Künstlers für diesen Typus, den er mit geringen Variationen in allen seinen Brunnenprojekten verwendet hat.
Das Besondere dieser Anlage war, neben ihrer für einen Stadtpalastgarten ungewöhnlichen Großzügigkeit, die prachtvolle Architektur der Sala terrena, der kostbare und reiche plastische Schmuck, die Grotten und die von allen Besuchern mit Bewunderung erwähnten Volieren. In allen diesen Elementen machten sich italienische Einflüsse bemerkbar, sei es, daß die doppelten Säulen der Sala terrena an den Palazzo del Té in Mantua, die Bronzeplastiken und die Grotten an Florentiner Gärten oder die Volieren an den Palazzo Doria in Genua denken ließen. Für die Gesamtkomposition der Anlage braucht man aber an italienische Vorbilder nicht zu denken. Das symmetrische Gartenparterre mit einem Brunnen in der Mitte und einer offenen Loggia an einer Seite, die sich manchmal, wie hier, als selbständiger Bauteil des Palastes, wenngleich selten so monumental, darstellt, dürfte zu dieser Zeit in den großen mitteleuropäischen Stadtgärten bereits durchaus bekannt gewesen sein; jedenfalls weist Wolfgang Kilians Augsburgansicht vom Anfang des 17. Jahrhunderts einige solche Gartenanlagen auf.
Wie wichtig ihm diese Anlage war, läßt Wallenstein in einem Brief erkennen, in dem er eine ähnliche Anordnung im Garten seines Schlosses von Gitschin befiehlt: "Sagt dem Baumeister, daß gleich in der Mitte auf dem Platz vor der Loggia muß eine großmächtige Fontana sein, dahin alles Wasser laufen wird, [...]". [14]
Daß der Garten so reich mit Bronzeplastiken geschmückt wurde, muß an sich auch nicht auf direkte italienische Anregungen schließen lassen. Die Tatsache allein, daß in der Stadt mit Adriaen de Vries ein Künstler zur Verfügung stand, der europäischen Ruhm als Bronzeplastiker und Spezialist für große Springbrunnen genoß, konnte die Idee nahelegen. Anregungen können aber auch von anderen deutschen Gärten ausgegangen sein. Die Gärten der Münchner Residenz waren, wie bereits erwähnt, mit Plastiken von Hubert Gerhard und anderen Künstlern reich ausgestattet, und in anderen deutschen Schloßgärten, wie in Hessen bei Wolfenbüttel, Stuttgart oder Heidelberg, standen plastisch reich gestaltete Brunnen. [15] Die Monumentalität des Wallensteingartens und seines Skulpturenschmuckes haben diese Gärten aber wohl kaum gehabt. In diesem Punkt wäre eher an Florenz zu denken, dessen Gärten dem bei Giovanni Bologna geschulten Künstler ja bekannt gewesen sein müssen.
Besonders bemerkenswert ist die Ikonographie der Wallenstein-Skulpturen. Durch einen Brief des Künstlers vom Februar 1626 wissen wir, daß der Brunnen ursprünglich von der Laokoongruppe bekrönt werden sollte. [16] Diese Gruppe ist 1623 datiert und scheint so die früheste der Skulpturen für den Wallensteingarten zu sein. Die vier sitzenden Brunnenfiguren sind 1625 datiert, während die Skulpturen, die "gegen den Röhrkasten" standen, die Jahreszahl 1624 tragen. Von den Skulpturen, die nach dem Planungsstand von Februar 1626 den Brunnen schmücken sollten, war also die als Bekrönung vorgesehene Plastik 1623 vollendet, während die übrigen erst 1625 entstanden waren. In der Zwischenzeit, 1624, hatte der Künstler vier weitere große Plastiken gegossen, die mit dem Brunnenprojekt nichts zu tun hatten, aber für den Garten bestimmt waren. Diese Daten legen die Annahme nahe, daß eine Programmänderung stattgefunden hat.
Das früheste uns erhaltene Dokument über den Auftrag an Adriaen de Vries ist eine Quittung des Künstlers vom Juli 1624, in der er den Erhalt einer Abschlagszahlung für 4 einzeln benannte Plastiken bestätigt. [17] Es muß sich dabei um die Ringergruppe, die Adonis und Venus, den Bacchus und den Apoll handeln. Diese Skulpturen wurden, wie dargelegt, später um den Brunnen herum oder zwischen ihm und der Loggia aufgestellt. Wahrscheinlich erfolgte die Abschlagszahlung nach vollendetem Guß der Figuren. In dieser Quittung ist keine Rede von der Laokoongruppe und auch nicht von einem Brunnen, was allerdings wohl nicht unbedingt besagt, daß ein Auftrag für ihn noch nicht ergangen war. Ein zweites Schreiben des Künstlers ist im Februar 1626, also eineinhalb Jahre später datiert. [18] Jetzt berichtet er über den Fortgang der Arbeit an den Brunnenfiguren und teilt mit, daß alle Figuren zum Sommer fertig sein würden, was in diesem Falle auch die Montage der Rohrleitungen in den Skulpturen mit einbegriff. Der Guß und die Nachbehandlung dürften zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen gewesen sein, da alle Skulpturen die Jahreszahl 1625 tragen. Aus diesem Schreiben erfahren wir zum ersten Mal, daß ein Brunnen geplant war. Hier wird auch zum ersten Mal die Laokoongruppe genannt. Aus dem Wortlaut geht deutlich hervor, daß die Laokoongruppe den Brunnen bekrönen sollte. Wallenstein scheint aber Zweifel an dieser Idee geäußert zu haben, denn der Künstler fährt fort: "Ist nun, daß Ihr fürstliche Gnaden lieber den Neptun obenauf haben wollen, der wird ungefähr zu Michaelis fertig sein [...]". Ein Neptun war also noch nicht in Auftrag gegeben worden. Wie wir wissen, hat sich Wallenstein aber für diese Programmänderung entschieden. Die Neptunfigur wurde allerdings erst nach dem Tod des Künstlers, 1627, in seiner Werkstatt vollendet.
In unserem Zusammenhang interessant ist zunächst die Laokoongruppe. War sie die erste Gartenplastik, die Wallenstein in Auftrag gab, und war sie von vornherein für einen Brunnen bestimmt? Oder kam die Idee, vor der Loggia einen Brunnen mit Skulpturenschmuck zu errichten erst, nachdem die vier Skulpturen vollendet waren, für die der Künstler 1624 die Abschlagszahlung bekam? Daß überhaupt kein Brunnen für diese Stelle vorgesehen war, ist kaum denkbar, dagegen könnte zunächst eine schlichtere Ausführung geplant gewesen sein. Die Tatsache, daß die Flußgötter und die Nymphen, die die Brunnenkomposition vervollständigen, erst 1625 entstanden sind, scheint für die Erweiterung eines ursprünglichen Projektes zu sprechen. Wofür war aber dann die Laokoongruppe ursprünglich bestimmt? War sie vielleicht überhaupt nicht von Wallenstein in Auftrag gegeben, sondern erst im Zusammenhang mit der Erweiterung des Auftrages um ein Brunnenprojekt aus dem Depot des Künstlers hervorgeholt worden? Diese Fragen sind wichtig, da von ihnen abhängt, wie bedeutsam die Laokoongruppe im ikonographischen Programm des Gartens gewesen ist. Da aber die Quellenlage keine sichere Antwort erlaubt, wollen wir davon ausgehen, daß die Laokoongruppe tatsächlich für den Wallensteingarten konzipiert worden ist, zumal uns nicht bekannt ist, daß Adriaen de Vries in den Jahren zwischen 1621, als sein bedeutender Auftraggeber Ernst von Schaumburg-Lippe starb, und 1624, als seine Beschäftigung für Albrecht von Wallenstein belegt ist, für jemanden arbeitete, dem ein solcher Auftrag zuzutrauen wäre.
Wenden wir uns nun den übrigen Skulpturen zu. Sie stellen ein Ringerpaar, Venus und Adonis, Bacchus mit einem kleinen Satyr und Apoll dar. Es dürfte schwer sein, daraus ein ikonographisches Programm in herkömmlichem Sinne abzuleiten. Weder auf die Gartensituation noch auf die Tugenden oder Triumphe des Bauherrn scheinen die Skulpturen in ihrer Gesamtheit Bezug zu nehmen. Es fällt aber auf, daß jedenfalls zwei dieser Gruppen bzw. Figuren in ähnlicher Weise wie die Laokoongruppe ikonographisch gesehen an berühmte antike Skulpturen erinnern: Apollo und die Ringer. Und was Bacchus betrifft, sei daran erinnert, daß Michelangelos Bacchus damals wie eine Antike rezipiert wurde und durch Kupferstiche in ganz Europa bekannt gewesen sein dürfte.
Beim Apoll liegt der Bezug zu Apollo di Belvedere nahe, der neben Laokoon wohl berühmtesten antiken Skulptur in Rom. Adriaen de Vries hat sich freilich eher darum bemüht, das Thema des bogenschießenden Apoll zu variieren, als eine Kopie des berühmten antiken Vorbildes zu machen. Das schließt aber, wie bei Laokoon, eine bewußte Bezugnahme nicht aus.
Bei den Ringern ist die Abweichung von dem möglichen antiken Vorbild, der hellenistischen Ringergruppe, die sich heute in den Uffizien befindet, scheinbar so groß, daß man sich erst fragen muß, ob überhaupt eine Verbindung besteht. Ein Argument dafür ist die Tatsache, daß das Thema in der Plastik dieser Zeit so selten ist. Außerdem läßt sich die Ringergruppe kaum als Teil irgendeines ikonographischen Programms verstehen. Sie fällt in der auch sonst recht heterogenen Gesellschaft der übrigen Plastiken schon durch die Anonymität der beiden Ringer aus dem Rahmen. Nun ist natürlich zu fragen, ob Adriaen de Vries die antike Ringergruppe, die ja weniger bekannt war als etwa die Laokoongruppe, überhaupt gekannt haben kann. Die Ringergruppe wurde zusammen mit den Niobiden 1583 in Rom gefunden und gelangte bald in den Besitz der Medici. [21] Sie wurde in der Villa Medici in Rom aufbewahrt, bis sie 1677 nach Florenz überführt wurde. Adriaen de Vries, der in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts in Florenz bei Giovanni Bologna tätig war, kann sie schon damals bei einem Rombesuch kennengelernt haben. Es gab aber auch schon Ende des 16. Jahrhunderts eine Kopie der Gruppe von Caccini in Florenz, und spätestens seit 1594 war sie auch durch einen Kupferstich von Cavaleriis bekannt. Im 17. Jahrhundert wuchs anscheinend die Bewunderung für die antike Gruppe. Es wurden Abgüsse von ihr gemacht, unter anderem für den spanischen und den englischen Hof. Nach John Evelyn, der Rom 1644 besuchte, war es die "inextricable mixture with each others arms and legs", die vor allem Bewunderung erregte. Gerade für diese Qualitäten der antiken Skulptur dürfte auch Adriaen de Vries, der ja selbst ein Meister der verschlungenen Gruppenkompositionen war, ein Auge gehabt haben. Ihm kann es aber bei der Gestaltung seiner Ringergruppe nicht darum gegangen sein, eine auch nur annähernde Kopie der antiken Skulptur herzustellen. Er schuf vielmehr auch hier eine alternative Lösung, nicht so sehr in Anlehnung, sondern wohl eher im Wettstreit mit der Antike. Auch in diesem Fall ist die Übereinstimmung mit dem antiken Vorbild allerdings größer als der Vergleich der beiden Gruppen zunächst vermuten läßt. Das zeigt sich vor allem im Vergleich mit dem Stich Cavaleriis. Er zeigt die antike Skulptur in einer aufrechteren Haltung als in der späteren Restaurierung. So kann sie Adriaen de Vries zu seiner Komposition zweier stehender Ringer durchaus angeregt haben.
Für die beiden übrigen Gruppen lassen sich, trotz ihrer antiken Thematik, keine direkten Bezüge zu berühmten antiken Skulpturen herstellen. Dagegen lädt aber die Bacchusfigur, wie bereits gesagt, zum Vergleich mit Michelangelos Bacchus ein. Auch hier könnte aber ein Stich das unmittelbare Vorbild gewesen sein: ein Blatt aus Caraglios Götterserie nach Zeichnungen von Rosso. [22]
Wenn wir gezeigt haben, daß der Skulpturenschmuck des Wallensteingartens weder einer herkömmlichen Gartenthematik folgt noch den Feldherrn Wallenstein in symbolischer oder allegorischer Form verherrlicht, dann müssen wir uns fragen, welchen Sinn für ihn das Programm des Gartens gehabt haben kann. Könnte es darum gehen, einen Bezug zwischen Rom und Prag anzudeuten? Wenn der Kaiser auch dort nicht mehr ständig residierte, wie es Rudolf II. getan hatte, war Prag doch immer noch kaiserliche Residenzstadt.
Die Idee, Prag als "neues Rom" zu sehen, lag also nicht fern. Nun haben wir aber gesehen, daß Wallenstein, kurz bevor der Brunnen fertig war, verfügte, die Laokoongruppe durch einen der konventionellen Brunnenikonographie besser entsprechenden Neptun zu ersetzen, und auch, daß ausgerechnet der Apoll bei der Umdisponierung der Laokoongruppe weichen mußte - er befand sich noch 1634 unausgepackt in einer Kiste. Ein Grund dafür mag die Tatsache gewesen sein, daß er die einzige Einzelfigur unter den Plastiken war, die nicht zum Brunnen gehörten. Im Interesse der Gleichmäßigkeit wird man es vorgezogen haben, um den Brunnen herum nur Gruppen und keine Einzelfiguren aufzustellen, und für eine fünfte Figur war schon aus Gründen der Symmetrie kein Platz. Dies alles spricht gegen die Annahme, daß es dem Bauherrn primär um die Romsymbolik seines Gartenprogramms gegangen sei.
Besaß nun Albrecht von Wallenstein überhaupt die Bildung, die ihn in den Stand gesetzt hätte, den repräsentativen Wert der hier angesprochenen Anspielungen auf antike Skulpturen zu erkennen? Darüber läßt sich natürlich schwer urteilen. Besondere gelehrte humanistische Interessen hat Wallenstein wahrscheinlich nicht gehabt, dafür spricht schon die Tatsache, daß sich in dem sonst reich ausgestatteten Prager Palast offensichtlich keine Bibliothek befand. Wir wissen allerdings auch, daß er ein gutes Gymnasium und die Universitäten von Altdorf und Padua besucht hat, und auch wenn sein Aufenthalt in Altdorf offensichtlich weniger von Studieneifer als von Schlägereien und Trinkgelagen geprägt war (über seinen Aufenthalt in Padua ist nichts überliefert), hat er später im Leben immerhin gut Italienisch und auch Latein gekonnt, und er hat sich auch darum gekümmert, gute Bildungsstätten in seinen Fürstentümern einzurichten. In unserem Zusammenhang vielleicht noch wichtiger als sein Studium waren wohl aber die Erfahrungen und Eindrücke, die er während seiner Kavalierstour, die ihn außer nach Italien wahrscheinlich auch nach Frankreich führte, und durch seine spätere Bekanntschaft mit den Höfen von Prag, Wien und München sammelte. Wir können davon ausgehen, daß Wallenstein eine elementare humanistische Bildung besaß und mit der höfischen Kultur seiner Zeit vertraut war. Das waren vermutlich ausreichende Voraussetzungen, um ein Gartenskulpturprogramm, wie hier skizziert, schätzen zu können, wenn auch nicht anzunehmen ist, daß Wallenstein es persönlich konzipiert hat.
Hier wäre auch zu fragen, inwieweit Wallenstein als Bauherr überhaupt eigene Ideen in bezug auf Einzelheiten in den Planungsprozeß einbrachte. Das scheint er, wie zahlreiche Briefe an die Architekten und Bauleiter belegen, in erstaunlich hohem Maße getan zu haben, und wir haben ja auch gesehen, daß Adriaen de Vries die Frage der Programmänderung mit ihm persönlich verhandelte und daß in diesem Fall die Initiative wohl von Wallenstein ausgegangen war. Dennoch mag Wallensteins Rolle vor allem gewesen sein, sich Pläne vorlegen zu lassen, um dann Änderungen vorzuschlagen oder Entscheidungen zu treffen.
Kommen wir nun auf die Frage der Anspielungen auf bestimmte antike Kunstwerke und der Bedeutung der antiken Kunst in der fürstlichen Repräsentation zurück. Der repräsentative Wert antiker Skulpturen war natürlich schon im 16. Jahrhundert auch außerhalb Roms und Italiens erkannt. Auch wenn sich das Sammelinteresse zunächst vor allem auf die römischen Münzen konzentrierte, finden sich schon im 16. Jahrhundert antike Skulpturen, vor allem Portraitbüsten, in mehreren Sammlungen außerhalb Italiens. Das Antiquarium der Münchner Residenz ist wohl das schönste Beispiel dafür. Bei solchen Sammlungen stand eher das antiquarische und nicht so sehr das ästhetische Interesse am einzelnen Kunstwerk im Vordergrund. Die ästhetische und künstlerische Auseinandersetzung mit der Antike galt vor allem einer relativ geringen Zahl antiker Kunstwerke in Rom, die schon im 16. Jahrhundert einen Kanon bildeten, der durch zahlreiche Stiche und andere Nachbildungen verbreitet wurde und bis ins 19. Jahrhundert seine Bedeutung behalten sollte. [23] Zu nennen sind hier vor allem die Skulpturen im Cortile di Belvedere im Vatikan, auf dem Kapitol und auch einige Skulpturen in römischen Privatsammlungen. Diese wurden zum Maßstab für künstlerische Perfektion erhoben und fanden in dieser Eigenschaft auch noch ihren Platz im europäischen Bildungskanon.
Für diese Entwicklung sehr folgenreich war es, daß Franz I. von Frankreich schon um 1540 Primaticcio Abgüsse nach den berühmtesten römischen Antiken herstellen ließ, die in Bronze gegossen im Garten von Schloß Fontainebleau aufgestellt wurden. Nach dem Tod Franz I. ließ die Statthalterin der Niederlande, Maria von Ungarn, eine Schwester Kaiser Karls V., ihren Hofbildhauer Leone Leoni die Gußformen Primaticcios erwerben, um für ihr Schloß Binche bei Brüssel etwas Vergleichbares zu machen. [24] Wir wissen nicht, ob Wallenstein auf seiner Kavalierstour Fontainebleau oder Binche besuchte, aber wir dürfen wohl annehmen, daß ihm dieser Kanon künstlerischer Vollkommenheit bekannt war.
Gerade um die hier angesprochene kanonische Bedeutung bestimmter Kunstwerke des Altertums geht es natürlich auch in unserem Falle. Dabei erhält die freie und selbstbewußte Haltung des Künstlers gegenüber den römischen Vorbildern aber auch ihren besonderen Sinn. Nicht um antike Thematik an sich und auch nicht um antike Originalwerke oder um eine der Antike ähnliche künstlerische Form geht es, sondern um den Anspruch, sich als Gleichberechtigter mit den als kanonisch geltenden Kunstwerken des antiken Roms auseinanderzusetzen: Also eher um aemulatio und superatio als um imitatio, um einmal die in der Kunsttheorie der Zeit geläufigen rhetorischen Begriffe zu benutzen.
Im Oeuvre von Adriaen de Vries läßt sich eine solche Auseinandersetzung mit der Antike öfter nachweisen. Hier sei nur an seine freie Kopie des Farnesischen Stieres im Schloßmuseum zu Gotha von 1614 erinnert. In einem Brief an Graf Ernst von Schaumburg-Lippe von 1620 schreibt der Künstler über diese Skulptur, sie sei so viel wert wie die, die "zu Roma von Marmor stehe". [25] Aus solchen Worten spricht wohl das Bewußtsein eines "Modernen", der nicht an seinen Fähigkeiten zweifelt, es mit den besten antiken Meistern aufnehmen zu können, und der auch nicht zögerte, durch das Aufgreifen von Themen wie der Farnesische Stier, Laokoon, Apollo di Belvedere oder die Ringer den Vergleich mit ihnen herauszufordern. Ist es unrealistisch zu denken, daß dieser Künstler den ehrgeizigen Auftraggeber und Bauherrn Albrecht von Wallenstein, der gerade im Begriff stand, in der alten kaiserlichen Residenzstadt einen Palast von bis dahin nicht gekannter Größe und Pracht zu bauen, überreden konnte, in diesem Palast auch einen Skulpturengarten a la moderna entstehen zu lassen, der, gerade wegen der kühnen und virtuosen aemulatio der berühmten Antiken so viel wert sei wie die berühmten Antikengärten, die "zu Roma" zu sehen seien? Wir haben allerdings gesehen, daß der Feldherr offensichtlich nicht bereit war, dem Künstler in allem zu folgen. Im Falle des Laokoon als krönende Brunnenfigur entschied sich Wallenstein gegen diese ausgefallene Alternative zugunsten des konventionelleren Neptuns. Um eine Romsymbolik im engeren, vielleicht auch politisch verstandenen Sinne, kann es ihm nicht gegangen sein, vielleicht aber um den Reiz des selbstbewußten künstlerischen Wettstreites mit der Antike und sicher um den repräsentativen Wert des einzigartigen Skulpturengartens, der auch die kaiserlichen Gärten in den Schatten stellte.
Für den Künstler dürfte der Romgedanke vor allem mit der Frage der künstlerischen Meisterschaft verbunden gewesen sein. War die allgemeine Vorstellung von künstlerischer Blüte mit dem antiken Rom und dem Rom der Renaissancepäpste verbunden, so erhob er mit seinen Werken, in denen er in Wettstreit mit den römischen Meistern trat, den Anspruch, auf seinem Gebiet Prag zu einem neuen Rom zu machen.
Die Pracht des Skulpturengartens sollte nicht lange Bestand haben. Im Sommer 1648 haben schwedische Truppen unter General von Königsmarck die Prager Kleinseite und den Hradschin eingenommen und geplündert. Die Wegführung der großen Bronzeplastiken aus dem Wallensteingarten dürfte auf Veranlassung des schwedischen Generalissimus Karl Gustav (des späteren Königs Karl X. Gustav) erfolgt sein, der während der Besetzung Prags im Wallensteinpalast residierte. Der Abtransport muß im Herbst 1648 erfolgt sein. Am 15. Januar 1649 befanden sich die Bronzeplastiken in Glogau an der Oder. [26] Auf welchem Weg sie dorthin gelangt waren, ist nicht bekannt. Von dort dürften sie auf der Oder nach Stettin und dann weiter nach Stockholm verschifft worden sein.
Der Venusbrunnen aus dem Wallensteingarten von Benedikt Wurzelbauer, der ebenfalls nach Schweden verschleppt wurde, scheint mit einem anderen Transport auf den Weg gebracht worden zu sein, er wird jedenfalls nicht in dem zitierten Verzeichnis genannt. Dagegen werden vier kleinere, in Kisten verpackte, Wasserkünste beschrieben. Sie stammten vermutlich auch aus Prag, vielleicht sogar aus dem Wallensteinpalast, und dürften auf Veranlassung Karl Gustavs nach Schweden gesandt worden sein. Bei diesen Wasserkünsten, deren weitere Schicksale unbekannt sind, handelt es sich um etwa zwei Meter hohe Brunnen mit kleinen Figuren in drei bis vier Reihen übereinander. Auf einem der Brunnen waren Diana und Aktaeon dargestellt, auf den anderen eine Wildschweinjagd, eine "Schweizerische Fechtschule" und ein "Schwäbischer Bauerntanz". Solche Brunnen, die als Zimmerbrunnen verwendet werden konnten, wurden vor allem in Nürnberg in der Werkstatt der Labenwolf fast serienmäßig hergestellt. Viele Einzelfiguren und einige komplette Brunnen dieser Art sind überliefert, zum Beispiel ein Aktaeonbrunnen im Victoria and Albert Museum in London, der eine Vorstellung von den geraubten Brunnen vermitteln kann. [27]
Karl Gustav scheint die Zimmerbrunnen im Hinblick auf die bevorstehende Krönung Königin Christinas mitgenommen zu haben. Ob sie in Stockholm heil angekommen sind und ob sie bei der Krönung tatsächlich verwendet wurden, ist nicht bekannt. Die großen Gartenplastiken fanden dagegen einen würdigen Platz in dem in den achtziger Jahren von Nicodemus Tessin d.J. nach französischen Vorbildern gestalteten Garten von Schloß Drottningholm bei Stockholm. [28] Zur Ergänzung des Skulpturenprogramms konnte Tessin dabei auf weitere Beuteschätze zurückgreifen, auf den großen Neptunbrunnen vom dänischen Schloß Frederiksborg, der ebenfalls ein Werk von Adriaen de Vries und während der Besatzung Seelands durch die Schweden 1659 weggeführt worden war. [29]
In dieser sekundären Verwendung verlor die ikonographische Bedeutung der Skulpturen natürlich an Gewicht; die einzelnen Plastiken gehen in dem dekorativen Gesamtprogramm weitgehend auf. Eine Ausnahme bildet dabei die anfangs genannte Herkulesgruppe, die den Brunnen in der Mitte des Parterres bekrönt. Hier hatte die Bauherrin, die Königinwitwe Hedwig Eleonora, zuerst einen Marmorbrunnen vorgesehen, den Nicholaus Millich ausführen sollte. Bald wurde aber beschlossen, die aus Prag geraubte große Herkulesgruppe zu verwenden. [30] Hedwig Eleonora, die die ganze Ausstattung des Schlosses auf die Glorifizierung des verstorbenen Königs, Karl Gustav, und die Dynastie ausrichtete, wird in der kämpfenden Herkulesgestalt wahrscheinlich eine Anspielung auf die Taten Karl Gustavs gesehen haben; gleichzeitig mag der Herkulesbrunnen sie aber auch an den großen Herkulesbrunnen im Neuwerkgarten am Schloß Gottorf bei Schleswig erinnert haben, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbracht hatte. [31]
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