HELMUT LAHRKAMP Zu einem Portrait des Malers Jan Boeckhorst und zu den Kunstkontakten des kaiserlichen Feldherrn Ottavio Piccolomini |
Der Rat der südfranzösischen Stadt Bayonne stimmte im September 1986 der Erwerbung eines großformatigen Bildes für das Musée Bonnat zu, das aus dem Kunsthandel in Biarritz stammte. Es zeigt im Vordergrund eine aus drei Personen bestehende Gruppe. Ein kniender Page schnallt einem Feldherrn die Sporen an, während ein Reitknecht in blauer Livree einen Grauschimmel am Zaum hält. Der General trägt über seiner metallisch blinkenden Rüstung einen Spitzenkragen und einen rotgoldenen Umhang, rote Reithosen und Stulpstiefel; er steht neben einer ramponierten Säule in einer Art Grotte und führt als Zeichen seines hohen Ranges in der rechten Hand den üblichen Kommandostab. Im Hintergrund spielt sich vor einer belagerten Festung ein Gefecht ab. Stil und Auffassung weisen das Gemälde dem Barock zu. Es mißt in der Höhe 272, in der Breite 234 cm, weist keine Signatur oder Datierung auf und wurde zunächst der "Ecole de van Dyck" zugeschrieben, zumal sich eine gewisse Parallele zu dem Bild "König Karl I. von England auf der Jagd" von Antonis van Dyck (im Louvre) abzeichnet.
Für den Ankauf des Bildes war eine Expertise maßgebend, die Michael Jaffé, der damalige Direktor des Fitzwilliam Museums in Cambridge, erstellt hatte. [6] Aus stilistischen Gründen sprach er die Urheberschaft dem flämischen Maler Jan Boeckhorst zu und erkannte im dargestellten Feldherrn den Italiener Ottavio Piccolomini, der zeitweilig in Flandern die kaiserlichen Truppen kommandierte. Die Verwandtschaft mit Gemälden van Dycks betonte auch der Konservator Vincent Ducourau, der diese Neuerwerbung in einem Band über das Musée Bonnat 1988 erstmals vorstellte; jedoch wies er das Bild irrtümlich dem holländischen Maler Jan Gerritsz. van Bronchorst zu [7], der keineswegs im Stile van Dycks gemalt, sondern vorwiegend als Glas- und Genremaler gewirkt hat. Die Verwechslung wurde bereits in der Dokumentation des Louvre berichtigt, worauf Anne-Marie Logan im Katalog der Boeckhorst-Ausstellung hinwies. Es besteht kein Zweifel, daß tatsächlich Piccolomini auf dem Bayonner Bild abgebildet ist, wie ein Vergleich mit den beglaubigten Portraits zeigt; kennen wir doch sein Aussehen durch sein Brustbild im Prager Nationalmuseum, das den erfolgreichen General mit üppigem schwarzen Haar und Schnurr- und Knebelbart zeigt. Eine Replik befindet sich im Besitz des Stockholmer Nationalmuseums. [8]
Die Zuschreibung beider Bilder lautet auf Justus Sustermans, der seit 1619 als Hofmaler der Medici-Großherzöge von Toskana in Florenz lebte, wo er zahlreiche Portraits geschaffen hat. [9] Sie erscheint plausibel, weil Piccolomini als Florentiner und gebürtiger toskanischer Untertan mehrfach in seiner Heimatstadt weilte. Allerdings hat man früher auch den kaiserlichen Hofmaler Frans Luyckx - der wie Sustermans aus Antwerpen stammte - mit diesen Portraits in Zusammenhang gebracht. [10] Nachweisbar malte ihn Luycx nach 1645 mit dem Ordenszeichen vom Goldenen Vlies, das ihm der spanische König verliehen hatte, doch ist jenes Ölbild bislang verschollen und uns nur durch einen Stich überliefert.
Bekannter ist der von Cornelis Galle d.J. herrührende Kupferstich, der auf einem Piccolomini-Portrait des Genter Malers Anselm van Hulle (um 1601 - nach 1674) basiert und vielfach reproduziert worden ist. [11] Hier sei vorweggenommen, daß van Hulle, der 1646 im Auftrag des niederländischen Statthalters Prinz Friedrich Heinrich von Nassau-Oranien nach Münster reiste, wo er während des langwierigen Friedenskongresses Hunderte von Gesandtenportraits anfertigen konnte, 1649 den Diplomaten nach Nürnberg zu den dortigen Nachverhandlungen folgte. Er hat während der Nürnberger Friedenstagung das Aussehen des Feldherrn in einem ganzfigurigen Portrait der Nachwelt überliefert. Das allegorisch überhöhte Bild, auf dem die posaunenblasende Fama den Ruhm des Helden verkündet, ist eine Erwerbung des Deutschen Historischen Museums in Berlin, trägt keine Signatur und ist daher nicht ganz für den Maler gesichert. [12] Piccolomini wird vor einer Silhouette der Kongreßstadt Nürnberg als Friedensbringer gefeiert, der die jetzt unnützen Kriegswaffen und seine Rüstung abgelegt hat.
Es war üblich, bei der Vorbereitung von Portraits hochgestellter Persönlichkeiten Ersatzpersonen als Modelle anzufordern. So hat etwa Rubens laut erhaltener Vorzeichnung für sein berühmtes Reiterbildnis des Herzogs von Lerma einen Unbekannten in fast gleicher Kostümierung auf demselben Pferd als Modell benutzt. [13] Auch van Dyck hat auf seiner Ölskizze für das Reiterbildnis Karls I. von England nicht den Monarchen selbst, sondern einen anderen Reiter mit kürzeren Haaren gemalt. [14] Ebenso verhält es sich bei dem Bild in Bayonne, denn 1988 kam aus englischem Privatbesitz eine Modellskizze kleineren Formats (54 x 42 cm) zum Vorschein. Bis auf den Kopf Piccolominis ist die Ausführung mit dem großen Gemälde fast identisch. Die Provenienz scheint gesichert. [15] Diese Ölskizze war um 1800 durch einen Agenten des britischen Kunstsammlers Henry Blundell auf Ince in Rom erworben worden, und zwar von einem gewissen Signore Dappieri, der sie als Pfand erhalten hatte. Ihr gegenwärtiger Verbleib ist nicht bekannt.
Das Gemälde in Bayonne läßt sich als Reiterbildnis definieren, obgleich der General nicht zu Pferde sitzt, sondern neben seinem Streitroß steht. Eine solche Anordnung ist aber verhältnismäßig selten. Der angesehene Kunsthistoriker Gustav Glück (1871-1952), ein guter Kenner der flämischen Barockmalerei, kannte nur zwei derartige Bilder und wies auf ein Gemälde im Museum der Schönen Künste in Boston hin, das er als ein Werk des Erasmus Quellinus (1607-1678) aus Antwerpen ansah. [16] Das Bild zeigt einen älteren selbstbewußten Kavalier in der reichen Tracht seiner Zeit, der auf einen Stock gestützt neben einem Schimmel steht, den sein Reitknecht am Zügel führt. Nach Wappen und Inschrift in der rechten Bildecke ist der Dargestellte der "Messire de Halmale", ein langjähriger Bürgermeister der Stadt Antwerpen, den der König von Spanien in Anerkennung seiner Verdienste 1649 in den Adelsstand erhoben hatte. [17] Eine Signatur ist nicht vorhanden.
Die Zuschreibung war und ist umstritten. Der Kunstkritiker Théophile Thoré (1807-1869) hielt das Bild bei einer Ausstellung in Manchester (1857) gar für ein Werk von Diego Velázquez, doch auch Glücks Zuschreibung an Erasmus Quellinus wurde bisher von der Forschung nicht angenommen; im Bostoner Museum lief es zeitweise als "Peter Thys", doch gilt es dort augenblicklich als Arbeit des norddeutschen Malers Jürgen Ovens (1623-1678), was aber sehr fragwürdig bleibt. [18] Es könnte m.E. mit besserer Berechtigung auch Boeckhorst zugeschrieben werden, der mit Halmale zweifellos in Kontakt gestanden hat. Übrigens ist nicht unwahrscheinlich, daß auch Piccolomini mit Hendrik van Halmale persönlich bekannt war, denn Antwerpen wurde zum Sammelplatz seiner Regimenter bestimmt, die sich im Herbst 1635 in Flandern zur Unterstützung des spanischen Kardinalinfanten Ferdinand einfanden, der als Nachfolger der verstorbenen Infantin Clara Isabella Eugenia das Amt des Generalgouverneurs der Spanischen Niederlande angetreten hatte. Seine Armee wurde durch einige kaiserliche und kurbayerische Truppenteile verstärkt, um einen kriegerischen Einfall in Frankreich zu unternehmen; dieser sollte eine Wende in der Auseinandersetzung der verfeindeten Häuser Habsburg und Bourbon bewirken, blieb letztlich jedoch trotz gewisser Anfangserfolge für die Gesamtkriegsführung bedeutungslos.
Ottavio Piccolomini, ein sehr ehrgeiziger und ruhmbegieriger Offizier, stand seit Kriegsbeginn bei den Hilfstruppen, die der König von Spanien seinem deutschen Verwandten Ferdinand II. zur Unterstützung nach Böhmen gesandt hatte. Er war nacheinander Obristleutnant im Kavallerieregiment des Grafen Pappenheim in Oberitalien und als Obrist 1627 zeitweise Kommandant der Leibgarde Wallensteins; er zeichnete sich in der Schlacht bei Lützen 1632 durch besondere Tapferkeit aus. Der Herzog beförderte ihn, dem im Kampf drei - nach anderen Angaben sogar fünf - Pferde unter dem Sattel getötet wurden, sofort zum Generalwachtmeister. Nach Wallensteins Absetzung und Ermordung erhielt er zum Lohn für seine Treue zum Kaiserhaus die böhmische Herrschaft Nachod und das Feldmarschallspatent. [19 ]Er nahm im Heer des Kardinalinfanten 1636 am Einfall in die Picardie teil, der in Paris Entsetzen auslöste und fast zum Sturz des Kardinals Richelieu geführt hätte. Seit jener Zeit datiert seine enge Verbindung zur flämischen Aristokratie, deren hervorragendste Vertreter Anton van Dyck 1634/35 in großartigen Portraits der Nachwelt überliefert hat. Dieser schuf damals die berühmten Reiterbildnisse der spanischen Generäle Prinz Thomas von Savoyen-Carignan und Albert de Ligne-Arenberg, des Prinzen von Barbancon. [20]
Nun hat Piccolomini Ende 1636 eine Tochter aus dem Hause Barbancon geheiratet; über die Ehe liegen nur wenige Nachrichten vor. Vielleicht hielt man die Heirat zunächst geheim, weil Prinz Albert 1634 infolge der Teilnahme an einer Verschwörung gegen die spanische Herrschaft in Haft gekommen war. Die Beweise reichten zu einer Verurteilung zwar nicht aus, doch blieb er bis zum Weihnachtsfest 1642 in Gewahrsam und wurde erst nach dem Thronwechsel in Madrid wieder in seine alten Funktionen eingesetzt. Seine Gattin Marie, die zeitweise seine milde Haft oder besser Internierung teilen durfte, brachte 1640 einen Sohn zur Welt, der auf den Namen Octave getauft wurde und bei dem Piccolomini Pate stand [21]; er hat sodann ihrem Mann nach seiner Begnadigung die Kette des hohen Ordens vom Goldenen Vlies zurückerstattet. Piccolominis junge Frau starb 1642 nach nur ganz kurzer Ehe. Vermutlich trug sie die Vornamen Dorothée-Caroline. In den gedruckten Genealogien der Familie Arenberg taucht sie als Gattin des Feldmarschalls zwar nicht auf, doch ist an der Tatsache der Heirat kaum zu zweifeln. Die Ehe, die vielleicht wegen des Alters der jungen Frau nie vollzogen wurde, war kinderlos.
Als Kommandant des kaiserlichen Hilfskorps gelang Piccolomini am 16. Juli 1638 der Entsatz der von den Franzosen lange belagerten Festung Saint-Omer, was für Spanien die Gesamtlage auf dem flandrischen Kriegsschauplatz verbesserte. Bei Thionville (Diedenhofen) schlug er am 17. Juni 1639 die Armee des Marschalls de Feuquières, der schwer verwundet in der Gefangenschaft starb; für das ihm so entgangene Lösegeld schenkte ihm der Kaiser 34.000 Gulden. König Philipp IV. von Spanien erhob ihn zum Herzog von Amalfi. In jene Zeit könnte die Anfertigung des Gemäldes in Bayonne fallen. Antonis van Dyck war damals nach England übergesiedelt, wo er in schneller Folge eine kaum vorstellbare Zahl von Bildnissen der britischen Aristokratie schuf. Es ist anzunehmen, daß damals Boeckhorst mit solchen Portraitaufträgen in Flandern betraut wurde, für die van Dyck als Hofmaler des englischen Monarchen nicht mehr zur Verfügung stand.
Bekannt ist auch, daß Piccolomini bei dem von seinen Zeitgenossen hochgeschätzten Schlachtenmaler Pieter Snayers (1592-1667) in Brüssel mehrere großformatige Bilder bestellte, die seine kriegerischen Erfolge verherrlichten. Sie hingen zunächst in seinem Schloß Nachod und befinden sich heute teilweise im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum. Der Fürst gab die Bildgröße an und erteilte genaue Anweisungen für die Darstellung der beteiligten Truppenteile, so daß sie daher durchaus dokumentarischen Wert besitzen, wie etwa die Bilder von der Überquerung der Somme im Frankreichfeldzug 1636 oder vom Überfall auf den schwedischen General Carl Gustaf Wrangel bei Dachau im letzten Kriegsjahr. Nach Mitteilungen des Nachoder Archivars Otto Elster [27] zahlte Piccolomini Snayers für sein Gemälde der Schlacht bei Diedenhofen 2.060 Taler; für weitere fünf Bilder wurden 1649 insgesamt 7.553 Gulden vereinbart, die aber nach einem Schreiben des Malers 1651 noch nicht beglichen waren, so daß die inzwischen aufgelaufene Summe von insgesamt 12.250 Gulden 1657 durch Piccolominis Witwe Maria Benigna entrichtet werden mußte.
Bedauerlicherweise wissen wir nichts Näheres über Piccolominis Kontakte zu dem mit Rembrandt befreundeten Maler Jan Lievens (1607-1674), dem er 1639 1550 Taler anweisen ließ. Seit 1635 lebte Lievens in Antwerpen, wo er sich durch die Malweise Anton van Dycks so beeinflussen ließ, daß er seinen bisherigen Stil aufgab und sich dessen schwungvolle Pinselführung aneignete, bevor er 1643 nach Amsterdam übersiedelte. [28] Das Bild in Bayonne kann aber keinesfalls mit ihm in Verbindung gebracht werden. Für Schloß Nachod bestimmt war jedoch ein Doppelportrait in Lebensgröße, das Joachim von Sandrart, dessen eigentlicher Ruhm auf seiner Kunstschriftstellerei beruht, während der Nürnberger Friedensverhandlung im Jahre 1651 anfertigte. Es mißt 257 x 165 cm, war in der Nationalgalerie Prag deponiert und soll Piccolomini zeigen, "wie er seinen Obristen Ranft bey Regensburg in gemachter Bresche Sturm zu laufen commandiret" - so heißt es wenigstens in der Lebensbeschreibung, die durch Sandrarts Freunde nach dessen eigenen Angaben verfaßt wurde. "Die Ausführung ist dem hohen Anspruch angemessen; farblich dominiert das gegen Purpur gebrochene Rot der Schärpen über die hellbraunen und gelblichen Töne des Vordergrundes und den lichten grauen, stellenweise bläulichen Himmel", urteilt Christian Klemm im Werkverzeichnis Sandrarts. [29] Es ist indessen zweifelhaft, ob jene Aktion von 1634 wirklich gemeint sein kann, weil Piccolomini hier als ein korpulenter älterer Herr dargestellt ist, was doch eher dem tatsächlichen Zeitpunkt der Anfertigung des Gemäldes entsprechen dürfte. Sein Begleiter, der Obrist Hans Christoph Ranfft, der als "von Wiesenthal" geadelt wurde [30], weilte auf dem Nürnberger Kongreß in seinem Gefolge und wurde von ihm öfter zu vertraulichen Sendungen verwendet. Auf das in Berliner Museumsbesitz gelangte Portrait Piccolominis von Anselm van Hulle aus der Nürnberger Kongreßzeit wurde bereits hingewiesen.
Es bleibt noch zu erwähnen, daß der "kaiserliche Kammermaler Cornelis Sottermann", ein Bruder des in Florenz tätigen Justus Sustermans, im Jahre 1651 Bezahlung für ein nach Nachod bestelltes Gemälde - das wir leider nicht kennen - verlangte; er war seit 1629 Freimeister der Lukasgilde in Antwerpen. [31] Über die bei Elster genannten Italiener Marco Balessi, Giacomo Bonvicini und einen Formarini, die nach seinem Hinweis von Piccolomini zeitweise als Maler beschäftigt wurden, wissen wir nichts, was ihre Bedeutung zeigen könnte. Doch gab der Fürst hohe Summen für Brüsseler Gobelins aus; einem mit Namen nicht faßbaren Maler, der die Figuren für einen Gobelinwandteppich entwarf, zahlte er 550 Taler. [32] Schließlich ist der taubstumme Künstler Wolfgang Heimbach (um 1613/15-1678) zu nennen, der 1651 auf Schloß Nachod weilte und dort ein bislang verschollenes Portrait Piccolominis hinterließ; er hat deswegen am 18. Juli 1652 seinem Gönner aus Oldenburg einen Brief geschrieben, der 1907 in der Beilage einer Heimatzeitung veröffentlicht wurde. [33] Später ist Heimbach dann Hofmaler des münsterschen Fürstbischofs Christoph Bernhard von Galen geworden, den er auch mehrfach portraitiert hat [34].
Piccolomini war während der Jahre 1644-47 - wie erwähnt - als spanischer Heerführer in Flandern tätig, nahm aber im Frühjahr 1648 infolge von Differenzen mit den spanischen Ministern seinen Abschied. Im letzten Kriegsjahr stellte ihn Kaiser Ferdinand III. nach dem Tod des Generalleutnants Peter Melander, Graf von Holzappel, in der Schlacht von Zusmarshausen (17. Mai 1648) an die Spitze der kaiserlichen Hauptarmee. Am 9. Juni erreichte er das kaiserlich-bayerische Heer in dessen Stellung zwischen Braunau und Schärding, von den Soldaten jubelnd begrüßt. Diese hatten einen Rückzug über 200 Kilometer - vom Lech zum Inn - hinter sich und mußten erst reorganisiert und zu äußerstem Widerstand gegen einen erheblich stärkeren Feind motiviert werden. Gegen die beiden Heere der Schweden und Franzosen unter Carl Gustaf Wrangel und dem Vicomte de Turenne beschränkte sich Piccolomini, dessen Autorität auch von den bayerischen Generälen anerkannt wurde, auf die Verteidigung [35], zumal die feindliche Artillerieüberlegenheit das Wagnis einer neuen Schlacht verbot. Der Vormarsch des vereinigten schwedisch-französischen Heeres kam an Inn und Donau zum Stillstand, obwohl nach dem Unglück von Zusmarshausen die kaiserlichen Truppenteile der Auflösung nahe gewesen waren. Sein Verdienst war, daß im Herbst 1648 das labile militärische Gleichgewicht zwischen den Kriegsparteien gewahrt bleiben konnte. Am 4. November erhielt Piccolomini die Nachricht vom in Münster endlich geschlossenen Frieden und führte seine Regimenter in die Winterquartiere. "Wegen seiner großen Wissenschaft in Staats-Sachen schickte ihn der Kayser als Principal-Gesandten auf den Executions-Convent zu Nürnberg, allwo er in der That zeigte, daß er ein so großer Staatsmann als Feldherr sey", heißt es. [36] Nach dem Ende des Nürnberger Exekutionstages entsprach Ferdinand III. einer Bitte der deutschen Reichsstände, den Generalleutnant Piccolomini in den Reichsfürstenstand zu erheben. Er blieb des Kaisers Ratgeber und starb am 11. August 1656 nach schwerem Leiden infolge eines Sturzes mit dem Pferde, als er einem Bauern zur Hilfe kommen wollte, der unter einen umgestürzten Karren geraten war; er wurde in der von ihm gestifteten Wiener Servitenkirche in der Rossau beigesetzt. [37] Er hatte aufwendig gelebt und sein zeitweise großes Vermögen im letzten Kriegsjahr weitgehend verbraucht. Seine noch junge Witwe Maria Benigna Francisca [38] erbte daher eine große Schuldenlast und ist erst im Jahre 1701 in Wien gestorben.
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