XI. KUNSTBEUTE IM DREISSIGJÄHRIGEN KRIEG
Schon die erste prominente Beute, die im Dreißigjährigen Krieg gemacht wurde, war ähnlich spektakulär gewesen: die Heidelberger Bibliotheca Palatina. Die von den Zeitgenossen als “Mutter aller Bibliotheken” bezeichnete Büchersammlung ging nach der Einnahme der Stadt und des kurfürstlichen Schlosses durch Tillys Truppen (September 1622) zunächst an Maximilian von Bayern. Einflußreiche kirchliche Kreise erwirkten jedoch, daß Papst Gregor XV. diese Bibliothek als Geschenk erhielt. So gelangten tausende von Manuskripten und Büchern nach Rom, neben geistlichen Werken auch zahlreiche profane Schriften und wissenschaftliche Publikationen. Sie alle bilden noch heute einen eigenständigen Bestand der Biblioteca Vaticana - wie Maximilian es gewünscht hatte.
Vielleicht in konsequentester Weise verbanden sich bei Gustav Adolf von Schweden das Streben nach Erbeutung von Kulturschätzen und das Bemühen um Hebung des Bildungswesens im eigenen Land. Sein systematisch betriebener Abtransport von Bibliotheken aus den katholischen Bistümern Bamberg, Würzburg und Mainz in den Jahren 1631 und 1632 sollte den schulischen und akademischen Lehrstätten in Schweden als Grundstock zugute kommen, wie ein Donationsbrief des Königs zugunsten der Universitätsbibliothek Uppsala belegt. Dort ergänzte man die Buchbestände durch systematische Zukäufe.
Im gegenseitigen Nehmen blieben im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges Revanche-Akte nicht aus. So war die Beschlagnahme der Sammlung Maximilians von Bayern 1632, die sich durch eine stattliche Anzahl italienischer und altdeutscher Gemälde auszeichnete, durch König Gustav Adolf eine Reaktion auf den zehn Jahre zurückliegenden Raub der Palatina. Entsprechend zog der vertriebene Winterkönig Friedrich V. von der Pfalz zusammen mit Gustav Adolf in die bayerische Residenz ein. Trotz seiner sonstigen Rechtstreue handelte der schwedische König hier seinem eigenen Schutzversprechen zuwider. Maximilians Anstrengungen, seine Sammlung zurückzuerhalten, etwa nach der Schlacht bei Nördlingen 1634, als er den schwedischen Feldherrn Gustav Horn als Geisel benutzte, blieben vergeblich. Auch die gewaltsame Inbesitznahme der herzoglichen Stuttgarter Kunstkammer sowie der Tübinger Schloßbibliothek im gleichen und folgenden Jahr könnten Reaktionen Maximilians sein. Namhafte europäische Museen gewannen bis heute aus der Kunstbeute des Dreißigjährigen Krieges Glanz und internationalen Rang.
S. T.