X. DREISSIGJÄHRIGER KRIEG UND WESTFÄLISCHER FRIEDE - EREIGNISSE UND PERSONEN
Doch die böhmischen Stände und ihr neu gewählter König, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, vermochten es nicht, die protestantischen Kräfte zu einigen und für ihre Sache zu gewinnen. Ferdinand II. dagegen, seit 1619 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wurde von seinen spanischen Verwandten und der katholischen Liga unter Maximilian von Bayern unterstützt. Mit der Schlacht am Weißen Berg endete der böhmische Aufstand bereits 1620 in einer vernichtenden Niederlage der Protestanten. Ferdinand ließ die Führer der Aufständischen öffentlich hinrichten, Böhmen wurde rekatholisiert: Besitzverschiebungen, Enteignung und Flucht eines Großteils der böhmischen Oberschicht waren die Folge. Doch der Krieg weitete sich aus: Nach 12 Jahren Waffenstillstand flammte 1621 der Kampf der nördlichen Niederlande um ihre Unabhängigkeit von Spanien wieder auf, besonders die "Spanische Straße", Nachschublinie der Spanier von Norditalien bis nach Brabant, war heftig umkämpft.
1625 trat der dänische König Christian IV. als selbsternannter Anführer der protestantischen Sache in den Krieg ein - aber er war dem militärischen Potential der katholisch-kaiserlichen Partei ebenfalls nicht gewachsen: Bereits 1626 mußte er eine schwere Niederlage gegen den katholischen Feldherrn Tilly hinnehmen. Drei Jahre später schloß Christian IV. mit dem Kaiser den für ihn milden Frieden von Lübeck und zog sich nach Dänemark zurück. Doch auch jetzt kehrte kein Friede ein: Ferdinand II. erließ 1629 das Restitutionsedikt, welches die Rekatholisierung zahlreicher protestantischer Gebiete und Güter vorsah und somit die Spannungen erheblich verschärfte. Zudem landete der schwedische König Gustav II. Adolf im Sommer 1630 in Pommern. Es folgte ein spektakulärer schwedischer Siegeszug tief in den Süden des Reichs hinein, der allerdings jäh endete, als Gustav Adolf Ende 1632 in der Schlacht bei Lützen fiel, gerade 38jährig. Der frühe Elan der Schweden war gebrochen; die Kaiserlichen erstarkten aufs neue. Nach dem Sieg über die Schweden 1634 bei Nördlingen konnte Ferdinand II. 1635 den Prager Frieden mit Sachsen schließen, dem sich fast alle Reichsstände anschlossen. Doch angesichts dieses Erfolges der feindlichen Habsburger erklärte das katholische Frankreich im Mai 1635 dem spanischen König und damit - indirekt - auch dem Kaiser den Krieg: Der Krieg wandelte sich vom Religions- zum europäischen Mächtekrieg. Hauptschauplatz blieb allerdings das Reichsgebiet, das in den nun folgenden Jahren schlimmer verwüstet wurde als je zuvor. Die umherziehenden Heere schleppten Seuchen mit sich, Elend und Gewalt eskalierten. Schließlich einigten sich die Kriegsparteien 1641 auf Verhandlungen in Münster und Osnabrück. Doch erst als der Kaiser - geschwächt durch die abnehmende Unterstützung der Spanier, die seit 1640 durch Aufstände im eigenen Land gebunden waren und gegen Frankreich zunehmend ins Hintertreffen gerieten - 1645 gezwungen war, auch die Reichsstände einzuladen, kamen die Gespräche in Gang. Spanier und Niederländer unterschrieben am 30. Januar 1648 in Münster einen Vertrag, der die sieben nördlichen Provinzen endlich in die Unabhängigkeit entließ. Die Verträge vom 24. Oktober 1648 schließlich beendeten nicht nur ein halbes Jahrhundert politischer und militärischer Krisen, sondern etablierten auch eine vergleichsweise stabile Ordnung in der Mitte Europas. Im Reich traten nun - unter dem Eindruck der Schrecken des Krieges - für fast 100 Jahre rechtliche Argumente an die Stelle der militärischen.
J. K. / A. L.