X. DREISSIGJÄHRIGER KRIEG UND WESTFÄLISCHER FRIEDE - EREIGNISSE UND PERSONEN

Als am 23. Mai 1618 protestantische böhmische Aufständische in die Prager Burg eindrangen und zwei kaiserliche Statthalter samt deren Sekretär aus dem Fenster warfen, war dies nur der Funke, der die lange schwelenden Krisenherde im Reich und in Europa entfachte und schließlich zum Flächenbrand des Dreißigjährigen Krieges führte. Diese "Defenestration" war kein spontaner Gewaltakt, sondern eine gezielte Provokation gegen die katholischen habsburgischen Herrscher. In Böhmen wurde nun eine provisorische Regierung eingesetzt, und ein gutes Jahr später erklärte diese Ferdinand II. als böhmischen König für abgesetzt.

Doch die böhmischen Stände und ihr neu gewählter König, Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, vermochten es nicht, die protestantischen Kräfte zu einigen und für ihre Sache zu gewinnen. Ferdinand II. dagegen, seit 1619 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, wurde von seinen spanischen Verwandten und der katholischen Liga unter Maximilian von Bayern unterstützt. Mit der Schlacht am Weißen Berg endete der böhmische Aufstand bereits 1620 in einer vernichtenden Niederlage der Protestanten. Ferdinand ließ die Führer der Aufständischen öffentlich hinrichten, Böhmen wurde rekatholisiert: Besitzverschiebungen, Enteignung und Flucht eines Großteils der böhmischen Oberschicht waren die Folge. Doch der Krieg weitete sich aus: Nach 12 Jahren Waffenstillstand flammte 1621 der Kampf der nördlichen Niederlande um ihre Unabhängigkeit von Spanien wieder auf, besonders die "Spanische Straße", Nachschublinie der Spanier von Norditalien bis nach Brabant, war heftig umkämpft.

1625 trat der dänische König Christian IV. als selbsternannter Anführer der protestantischen Sache in den Krieg ein - aber er war dem militärischen Potential der katholisch-kaiserlichen Partei ebenfalls nicht gewachsen: Bereits 1626 mußte er eine schwere Niederlage gegen den katholischen Feldherrn Tilly hinnehmen. Drei Jahre später schloß Christian IV. mit dem Kaiser den für ihn milden Frieden von Lübeck und zog sich nach Dänemark zurück. Doch auch jetzt kehrte kein Friede ein: Ferdinand II. erließ 1629 das Restitutionsedikt, welches die Rekatholisierung zahlreicher protestantischer Gebiete und Güter vorsah und somit die Spannungen erheblich verschärfte. Zudem landete der schwedische König Gustav II. Adolf im Sommer 1630 in Pommern. Es folgte ein spektakulärer schwedischer Siegeszug tief in den Süden des Reichs hinein, der allerdings jäh endete, als Gustav Adolf Ende 1632 in der Schlacht bei Lützen fiel, gerade 38jährig. Der frühe Elan der Schweden war gebrochen; die Kaiserlichen erstarkten aufs neue. Nach dem Sieg über die Schweden 1634 bei Nördlingen konnte Ferdinand II. 1635 den Prager Frieden mit Sachsen schließen, dem sich fast alle Reichsstände anschlossen. Doch angesichts dieses Erfolges der feindlichen Habsburger erklärte das katholische Frankreich im Mai 1635 dem spanischen König und damit - indirekt - auch dem Kaiser den Krieg: Der Krieg wandelte sich vom Religions- zum europäischen Mächtekrieg. Hauptschauplatz blieb allerdings das Reichsgebiet, das in den nun folgenden Jahren schlimmer verwüstet wurde als je zuvor. Die umherziehenden Heere schleppten Seuchen mit sich, Elend und Gewalt eskalierten. Schließlich einigten sich die Kriegsparteien 1641 auf Verhandlungen in Münster und Osnabrück. Doch erst als der Kaiser - geschwächt durch die abnehmende Unterstützung der Spanier, die seit 1640 durch Aufstände im eigenen Land gebunden waren und gegen Frankreich zunehmend ins Hintertreffen gerieten - 1645 gezwungen war, auch die Reichsstände einzuladen, kamen die Gespräche in Gang. Spanier und Niederländer unterschrieben am 30. Januar 1648 in Münster einen Vertrag, der die sieben nördlichen Provinzen endlich in die Unabhängigkeit entließ. Die Verträge vom 24. Oktober 1648 schließlich beendeten nicht nur ein halbes Jahrhundert politischer und militärischer Krisen, sondern etablierten auch eine vergleichsweise stabile Ordnung in der Mitte Europas. Im Reich traten nun - unter dem Eindruck der Schrecken des Krieges - für fast 100 Jahre rechtliche Argumente an die Stelle der militärischen.
J. K. / A. L.

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X.1. Der Prager Fenstersturz


Der große Krieg begann an der Peripherie des Reiches: Beim Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 vollzog die böhmische Ständeopposition die radikale Abkehr vom Habsburger Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich, der erst elf Monate zuvor zum König von Böhmen angenommen worden war. Dank familiärer Streitigkeiten im Hause Habsburg hatten die Ständevertreter in den Jahren zuvor ihren Einfluß auf die Regierungsgeschäfte ausgedehnt; auch konnten sie ihr protestantisches Bekenntnis zunehmend freier ausüben. Von Ferdinand war für die Zukunft eine entschlossene Zurückdrängung dieser ständischen Errungenschaften zu erwarten. Die aus dem Fenster geworfenen Räte überlebten den Anschlag, doch die Beziehung zwischen Herrscher und Beherrschten erlitt irreparablen Schaden. Die Stände setzten den Habsburger ab und wählten Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz zum neuen König von Böhmen. Daraufhin sammelte Ferdinand eine politisch-militärische Koalition, um seine Autorität und die frühere politische Ordnung wiederherzustellen.

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X.2. Die Schlacht am Weißen Berg


Nach dem Prager Fenstersturz setzten die Aufständischen eine provisorische Regierung in Böhmen ein, die im August 1619 Ferdinand II. absetzte und statt dessen den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, Oberhaupt der protestantischen Union, als Regenten annahm. Doch als kurz danach die Kurfürsten - einschließlich des Pfälzers - den in Böhmen abgesetzten Ferdinand zum Kaiser wählten, verschlechterte sich die Lage der böhmischen Ständeopposition und ihres neuen Königs rasch. Aus dem Aufstand gegen den böhmischen König war ein Aufstand gegen den römisch-deutschen Kaiser geworden. Traditionsbewußte Fürsten wie der sächsische Kurfürst waren kaum bereit, Friedrich weiter zu unterstützen. So blieben die Böhmen weitgehend auf sich allein gestellt, als es am 8. November 1620 vor den Toren Prags zur ersten großen Schlacht des Krieges kam: Truppen der Liga und des Kaisers vernichteten innerhalb von zwei Stunden das böhmische Heer. Friedrich, von nun an spöttisch der "Winterkönig" genannt, mußte fliehen, und die Habsburger kehrten mit erweiterter Macht nach Böhmen zurück.

X.3. Veltlin - Heidelberg - Breda. Spanische Straße und Pfälzischer Krieg


Die Niederlage Friedrichs V. in Böhmen gab dessen Stammlande im Reich dem Zugriff der Sieger preis. Die Flandrische Armee der Spanier unter Ambrogio Spinola setzte sich zwischen 1620 und 1623 in den Besitz der Rheinpfalz. Spanien gewann dadurch einen wichtigen Stützpunkt an der "Spanischen Straße", jener logistischen Verbindungslinie zwischen Mailand und Brüssel, auf der Waren und Waffen für die Streitkräfte in den Niederlanden transportiert wurden. Auch die Konfrontation zwischen Spanien und den Graubündner Talschaften stand in Zusammenhang mit den strategischen Bedürfnissen der katholischen Großmacht: Die mehrheitlich protestantischen Veltliner Einwohner sollten rekatholisiert und den spanischen Militärbedürfnissen dienstbar gemacht werden. Für einige Jahre standen die Verkehrswege den Spaniern offen. Dadurch begünstigt, erzielte Spinolas Armee 1625 ihren größten Erfolg in den Niederlanden, die Einnahme der Oranierstadt Breda.

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X.4. Dänischer Feldzug und Auftritt Wallensteins


König Christian IV. von Dänemark hatte sich 1625 mit England und den Vereinigten Niederlanden verbündet, um dem militärischen Vordringen der katholischen Heere nach Norddeutschland entgegenzutreten. Dabei konnte er in seiner Eigenschaft als Herzog von Holstein und als Obrist des Niedersächsischen Kreises sein bewaffnetes Auftreten als Schutzmaßnahme für die norddeutschen Stände rechtfertigen. Als das Ligaheer unter Tilly und Wallensteins neugeworbene Streitmacht ihm rasch hintereinander schwere Niederlagen zufügten, mußte Christian 1629 in Lübeck Frieden mit dem Kaiser schließen. Zwar waren die Bedingungen mild, das Ansehen des Dänenkönigs war aber angeschlagen, und Einfluß auf das weitere Kriegsgeschehen im Reich konnte er nicht mehr nehmen. Demgegenüber stand Kaiser Ferdinand II. auf der Höhe seiner Macht und verfügte im selben Jahr das Restitutionsedikt, die Rückgabe aller Kirchengüter, die seit 1552/1555 in protestantische Hand geraten waren, an ihre früheren Besitzer.

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X.5. Der


Die schwedische Verfassung band die Herrschaftsweise des Königs an die Zustimmung des Reichsrates und des Reichstages; nur hinsichtlich der äußeren Sicherheitspolitik verfügte er über freiere Handlungsoptionen. Seine sorgfältig geplante Landung auf Usedom/Pommern im Mittsommer 1630 begründete er als "Rettung" der Protestanten im Reich. Sie war militärisch u.a. durch die Entlassung Wallensteins aus seinem ersten Generalat und die Verlegung kaiserlicher Truppen nach Italien begünstigt. Die protestantischen Reichsfürsten zögerten zunächst, sich mit Gustav Adolf zu verbünden. Erst die Zerstörung Magdeburgs durch kaiserliche Truppen im Mai 1631 bewog Kursachsen und Kurbrandenburg zur Allianz mit Schweden. Der überwältigende Sieg der verbündeten schwedischen und sächsischen Heere in der Schlacht bei Breitenfeld (September 1631) öffnete den Schweden West- und Süddeutschland. Hatte sich Gustav Adolf schon in der innerschwedischen Propaganda als "Retter" und "Löwe aus Mitternacht", also aus dem Norden, stilisieren lassen, so wurde diese Interpretation nach seiner Landung gleichsam zum Leitmotiv schwedisch-protestantischer Propaganda, bald aber auch eines hochfliegenden Selbstverständnisses.

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X.6. Gustav Adolf ? Verehrung und Kult


Mit dem Sieg von Breitenfeld setzte eine mythische Verehrung Gustav Adolfs ein, die ihn im Verlauf des Krieges ? nicht zuletzt dank seiner eigenen Propaganda ? zur Retter- und Erlösergestalt stilisierte. Nach seinem Tod steigerte sich dies zu einem wahren Kult. Die Popularität des Königs spiegelte sich in vorher nie dagewesenem Maße in kunsthandwerklichen Gegenständen und brachte eine regelrechte "Industrie" hervor. Der diesem Thema gewidmete Raum der Ausstellung zeigt einerseits persönliche Geschenke, die Gustav Adolf selbst vergab und die in späterer Zeit wie "Sekundärreliquien" behandelt wurden, andererseits sind offizielle Präsente zu sehen, die er selbst erhielt - wie beispielsweise Teile des Hainhofer Kunstschrankes. Die dritte und größte Gruppe von Reliquien der Gustav Adolf-Verehrung sind Produkte wie Tafelgeräte, Wachsfigürchen oder Spielsteine.

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X.7. Tod bei Lützen


Gustav Adolfs politische Ambitionen werden in einer großen Büste anschaulich, die von der Putt für die Festung Gustavsburg entwarf, die zeitweilige Residenz des Königs bei Mainz. Für die katholischen Mächte nahmen die territorialen Zugewinne in Kurbayern bedrohliche Formen an; der Übergang schwedischer Truppen über den Lech und der Tod des kaiserlichen Heerführers Tilly waren einschneidende Ereignisse. Zu Gustav Adolfs Hauptgegner wurde der neuerlich berufene Generalissimus Wallenstein. Die nur kurze, wenngleich militärisch erfolgreiche Phase schwedischer Kriegsführung auf Reichsboden unter dem Oberkommando von Gustav Adolf endete im November 1632 jäh mit dem Tod des Königs bei Lützen.

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X.8. Nördlingen ? Letzter Triumph der Habsburger


Der Tod des Schwedenkönigs ließ ein Machtvakuum entstehen. Die schwedische Außenpolitik lag nun ganz in Händen des Reichskanzlers Axel Oxenstierna. Kaiserliche wie schwedische Kriegspartei umwarben gleichermaßen die protestantischen Vormächte Sachsen und Brandenburg. Wallenstein, in dieser Hinsicht Gegenspieler Oxenstiernas, versuchte durch Geheimverhandlungen beiderseitige Allianzen zu schließen. Sein undurchsichtiges Taktieren wurde ihm zum Verhängnis: Seine Ermordung in Cheb/Eger gehört zu den bekanntesten Momenten des Krieges; sie wurde schon von den Zeitgenossen unterschiedlich interpretiert. Schließlich bewog der überwältigende Sieg der kaiserlichen Truppen bei Nördlingen (1634) den Großteil der Reichsstände, dem 1635 zwischen dem Kaiser und Kursachsen geschlossenen Prager Frieden beizutreten. Schweden war nun von den meisten Bündnispartnern verlassen. Doch die protestantischen Stände fanden eine neue Schutzmacht mit Frankreich, das kurz darauf offen in den Krieg eintrat.

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X.9. Kaiser, König, Kardinal. Frankreich greift ein


War Frankreich zunächst durch seine Unterstützung der protestantischen Reichsfürsten und durch seine Finanzhilfe für Schweden nur indirekt am Krieg beteiligt, so griff es 1635 nach Beendigung der inneren Konflikte offen in den Krieg gegen Spanien ein. Ziele waren die Lösung Frankreichs aus der Umklammerung durch die spanischen und österreichischen Habsburger und die Schwächung der Macht des Kaisers innerhalb des Reiches; dabei sollten gleichzeitig die Gebiete nördlich der Pyrenäen und westlich des Oberrheins unter Frankreichs unumschränkte militärische Kontrolle gebracht werden. Auf französischer Seite bestimmten Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu die Kriegsführung, denen in Spanien König Philipp IV. und Conde Duque Olivares gegenüberstanden. Im Kampf zwischen dem "Allerchristlichsten" und dem "Katholischen" König ging es Philipp IV. vor allem um Bewahrung der spanischen Vorrangstellung in Europa, die Sicherung der italienischen und burgundischen Positionen sowie die Untergrabung der politisch-militärischen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und der niederländischen Republik. Während die Portraits und die allegorische Malerei dazu dienten, die jeweils eigenen Kriegserfolge zu verherrlichen, wurde besonders die französische Grafik in Form von Flugblättern und Pamphleten mit entsprechender Verbreitung dazu genutzt, den spanischen Gegner zu karikieren.

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X.10. Der umkämpfte Weg zum Frieden


Weihnachten 1641 einigten sich Schweden, Frankreich und der Kaiser auf die Aufnahme von Friedensgesprächen in Münster und Osnabrück. Dies bedeutete freilich keineswegs das Inkrafttreten eines Waffenstillstands; die Kämpfe gingen vielmehr bis unmittelbar vor Friedensschluß 1648 weiter. 1643/45 unterband Schweden durch einen siegreichen Krieg gegen Christian IV. dänische Vermittlungsversuche. Als Spanien nach Niederlagen gegen Frankreich und wegen innenpolitischer Probleme in Katalonien und Portugal den Kaiser nicht mehr unterstützen konnte, geriet dieser militärisch nach der Schlacht bei Jankau (März 1645) in eine unhaltbare Lage. Ferdinand III. mußte in die Zulassung der Reichsstände zu den Verhandlungen einwilligen und seinen wichtigsten Ratgeber, den Grafen Trauttmansdorff, mit Sondervollmachten nach Westfalen entsenden. Nun wurden die Sachfragen ernsthaft verhandelt, so daß es am 24. Oktober 1648 zur Unterzeichnung des Friedensschlusses kam. Bereits am 30. Januar 1648 hatten Spanien und die Niederlande ihren Frieden geschlossen.

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