MARLOES HUISKAMP "[...] tot eere ende reputatie van deeser stadt ende loff sijner nakomelingen" - Der Achtzigjährige Krieg und der Friede von Münster in den Rathäusern der Niederlande |
I. Einleitung
Dieser Beitrag konzentriert sich auf jene Kunstwerke, die seit dem Ende des 16. und während des 17. Jahrhunderts ihren Platz in den Rathäusern der nördlichen und der südlichen Niederlande fanden. Dabei sollen besonders der Typus und die Funktion dieser Darstellungen besprochen werden. [3]
II. Darstellungen aus Anlaß eines konkreten Ereignisses
Die nördlichen Niederlande waren besonders in der Anfangsperiode des Achtzigjährigen Krieges von den Kriegsaktivitäten betroffen. In der Frühphase des Aufstandes gegen Spanien spielten die Städte, die seit dem Beginn der siebziger Jahre eine nach der anderen zu den Aufständischen übergingen, eine aktive Rolle. Die Spanier reagierten mit Strafexpeditionen und Belagerungen, die für eine Umkehrung der Situation sorgen sollten. In Städten wie Naarden (1572), Haarlem (1573), Alkmaar (1573), Leiden (1574) und Oudewater (1575) forderten die spanischen Machtdemonstrationen und die Belagerungen einen hohen Zoll. Es waren gerade diese einschneidenden Ereignisse der ersten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges, die die Stadtregierungen festhalten ließen.
Eine der am schwersten betroffenen Städte war Naarden. Im Dezember 1573 wurde die Stadt von den Spaniern auf grausame Art dafür bestraft, daß sie die Truppen der Geusen in ihre Stadtmauern gelassen hatte. Hunderte der Einwohner wurden auf bestialische Weise ermordet, Häuser in Brand gesetzt und die Festungsmauern geschleift. Mehr als 30 Jahre später, im Jahre 1604, malte ein unbekannter Künstler dieses Ereignis. Das Gemälde hängt im Rathaus von Naarden. [4] Die lichterloh brennende Stadt ist in Vogelperspektive wiedergegeben. Am Horizont und im Mittelgrund sind spanische Reiter zu sehen. Quellen des 17. Jahrhunderts über die Herkunft des Stücks sind nicht bekannt, doch scheint die nachdrückliche Präsenz des Stadtwappens und der Ende des 16. Jahrhundert erneuerten Festung auf dem Bild, ebenso wie der Inhalt der Inschrift, einen Auftrag von städtischer Seite zu bestätigen. Dort wird vor allem dem gemeinschaftlichen Leiden der Bürger gedacht. [5] Auch die Tatsache, daß der Wiederaufbau des während des Brandes verwüsteten Rathauses kurz vor 1604, dem Entstehungsjahr des Gemäldes, beendet wurde, deutet auf einen städtischen Auftrag.
Ein anderes ruhmreiches Ereignis war der Entsatz der Stadt Leiden im Jahre 1574 nach einer monatelangen Belagerung durch die Spanier. Es fällt auf, wie sehr die Leidener Stadtregierung sich bemühte, die Erinnerung hieran lebendig zu halten. Im Rathaus werden die Belagerung und der Entsatz mit drei Kunstwerken sowie einem Gedenkstein im Giebel gedacht. Für die Tuchhalle wurde eine Folge von sieben Gemälden bestellt, von dem eines einen direkten Bezug zwischen dem Aufblühen der Tuchindustrie nach dem Entsatz Leidens und dem Ende der Kriegsnot herstellt. Für Kirchen innerhalb und außerhalb der Stadt wurden bunte Glasfenster bestellt. [6] Der älteste 'öffentliche Auftrag', soweit bekannt und soweit man von einem solchen sprechen kann, war ein Gedicht, das "die van den Gerechte" im Jahre 1577 auf der St. Jeroensbrücke über der Vliet, dem Fluß, auf dem die Geusen nach Leiden eingefahren waren, anbringen ließen. Es lautet wie folgt:
"Men was in groot verdriet, Want Eten wasser niet, En 'tvolck van honger schreyden. Ten laetst Godt nedersiet, En sondt deur dese VLIET, Broot, Spijs, en dranck in LEYDEN." [7] |
Das älteste Kunstwerk im Rathaus war ein Wandteppich, den die Stadt im Februar 1587 bei dem Delfter Weber Joost Jansz. Lanckaert bestellt hatte. [8] Abgebildet ist dort eine Landkarte Hollands, die die militärische Situation zur Zeit der Belagerung und des Entsatzes zeigt. Das zweite Werk war ein nicht erhaltenes Gemälde von Claes Isaacsz. van Swanenburgh, das in der Bürgermeisterkammer hing. Es zeigte, so der Stadtchronist Jan Orlers, "die Geschichte vom König Pharao im Roten Meer und die Führung der Kinder Israels in die Wüste". Orlers weist darauf hin, daß "dasselbe angemessen [war], für die unerhörten Verluste der Stadt Leiden". Auch in einer Inschrift auf dem Gemälde werden die Prüfungen, welche die Leidener Bevölkerung durchstehen mußte, mit denen des israelischen Volkes aus dem Alten Testament verglichen: Dank Gottes Eingreifen wurde sowohl Israel als auch Leiden vor dem Hunger gerettet. [9] Schließlich gelangte 1615 ein Gemälde von Pieter van Veen in die Bürgermeisterkammer, auf dem dargestellt ist, wie die Geusenflotte in die Stadt einfährt und wie sich das ausgehungerte Volk nach dem Aufstand auf Hering und Weißbrot stürzt (Abb. 1). [10] Auf den Rahmen wurde das folgende Gedicht geschrieben:
"Wanneer den honger-noot met spijse werd verdreven Verandert druck in vreucht d'aenstaende doot int leven Dit heeft dees stadt beprouft tot goodts eer haer geluck Gelijck gij siet ten deel in dit geschildert stuck." [11] |
Die Unterschiedlichkeit und Vielzahl der Darstellungen zur Erinnerung in Leiden ist einzigartig. Die Stadtregierung scheint die Ereignisse, die einerseits zwar viele Tote forderten, aber andererseits indirekt auch die anschließende ökonomische Blüte und die Stiftung der Leidener Universität zur Folge hatte, bewußt zu städtischen Propagandazwecken benutzt zu haben. [12] In anderen Städten beschränkte sich die Anzahl der Kunstwerke, mit denen der historischen Ereignisse gedacht wurde, meist auf eine Darstellung. Diese wurden bisweilen erst Jahre später bestellt, wie "Die Schlacht auf dem Haarlemermeer" (1573) von Cornelis Vroom aus dem Jahr 1629 zeigt. [13] Die Stadtregierung von Oudewater bestellte sogar noch 1650, also nach dem Frieden von Münster, bei dem Utrechter Maler Dirk Stoop eine Darstellung des großen Brandes von Oudewater während der spanischen Belagerung im August 1575. [14] Wie auf dem Naardener Gemälde ist die - teils brennende - Stadt in Vogelperspektive wiedergegeben, das Geschehen selbst aber wurde hier sorgfältiger ausgeführt. Links im Vordergrund ist ein Zelt der Belagerungstruppen mit einigen Reitern davor dargestellt, den Hintergrund füllen weitere Zelte. Im Mittelgrund sind Kanonen und Soldaten in Schlachtordnung nach rechts aufgestellt, wo die Bürger von Oudewater angegriffen werden. Auch innerhalb der Stadtmauern setzen spanische Soldate den Bürgern nach. Rechts darunter in der Ecke steht auf einem gemalten Papier folgende Inschrift:
"OVDEWATER onder philp. II Co: van hisp. door beleit van Hierges belegert den 19 Jvly is nae dapperlyck beschieten ende grouwlijck gevechs stormenderhant ingenomen Soldaten. Burgeren vrouwen en kinderen wreedlijck vermoort: ende de stadt verbrant Opden 7 augustius 1575." [15] |
Auf diesem Papier hat der Maler als markantes Detail das Blut der Bürgerschaft von Oudewater wiedergegeben, das bei dieser Gelegenheit so reichlich floß.
Während die Stadtregierungen in den nördlichen Niederlanden also Darstellungen von Episoden aus der Frühzeit des Aufstandes noch ein halbes Jahrhundert später bestellten, gab es in den Rathäusern kaum Darstellungen von Ereignissen aus der zweiten Hälfte des Krieges. Auf die Frage, warum das so war, soll weiter unten eingegangen werden.
2. Die spanische Seite
Auch die spanischgesinnten Stadtregierungen gaben Kunstwerke in Auftrag, die Ereignisse aus der ersten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges zum Thema haben. Diese Gemälde unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Gegenpartei. Am 14. Oktober 1595 wurde die Stadt Lier durch Truppen der Generalstaaten angegriffen. Die Stadt schaffte es nicht, sich selbst zu verteidigen, und Truppen aus der Umgebung, namentlich Schützen aus Mechelen und Antwerpen, mußten zur Hilfe eilen. Gemeinsam konnten sie die Stadt befreien. Dieser Ereignisse wurde in Lier mit einem Gemälde gedacht (Abb. 2). Die Stadt ist in Vogelperspektive wiedergegeben. In den Straßen finden Gefechte statt, aber die Retter sind im Vordergrund bereits in Anmarsch. Das Gemälde hat zwei Inschriften, eine in Niederländisch und eine in Latein. [16] Die erste lautet:
"Veerthien October Lyer In groot treueren was doir Calvinus gebroet diese quamen benouwen Goidts assistencie door hulpe vande[n] nagebuere[n] ras dede[n] hen de Stadt v[er]late[n] en hoofden krouwen. 1595". [17] |
Die Zufügung 'S.P.Q.L.' (Magistrat und Volk von Lier) in der lateinischen Inschrift, das Stadtwappen - zusammen mit dem spanischen - und die Wiedergabe der Stadt in Vogelperspektive deuten auf einen städtischen Auftrag. Die in der Inschrift genannten 'nagebuere[n]', besonders die Mechelner, waren offensichtlich selber stark von ihrer Rettungsaktion eingenommen, denn ihr Magistrat ließ ebenfalls eine Darstellung der Befreiung Liers malen. Auch wenn der Aufbau dieses Gemäldes ungefähr dem in Lier entspricht, sind die Schützen im Vordergrund des Gemäldes von Jan Ghuens d.J. etwas größer und mit mehr Sorgfalt gemalt, was logisch ist, wenn man bedenkt, wer der Auftraggeber war. [18] Auf einem anonymen Werk im Rathaus von Nieuwpoort wird der Belagerung der Stadt durch die Truppen von Moritz im Jahre 1600 gedacht. [19] Bei der berühmten Schlacht bei Nieuwpoort, die im Vordergrund wiedergegeben ist, waren die Generalstaaten knapp überlegen, doch gelang es Moritz nicht, auch noch die Stadt einzunehmen. Auf dem Gemälde ist sowohl die Schlacht als auch die Belagerung dargestellt, vor allem an letztere wird in der Inschrift erinnert. Auf der Leinwand steht zu lesen:
'DIT IS HET BELECH VAN NIEVPOORT' und: "MAVRVS BESETTEN ZWAER HEEFT ONS ZEERE DOEN SNEVEN EER ALBERTUS VOORWAER ONS HEEFT ONTSET GHEGHEVEN" [20] |
Darüber hinaus deuten die Inschrift - der Gebrauch des Wortes 'ons' (uns) - und die Art der Darstellung - die Stadt in Vogelperspektive - auf einen städtischen Auftrag. [21]
Drei Bilder im Rathaus von Venlo wurden nachweislich im Auftrag der spanischgesinnten Stadtregierung angefertigt. Zwei davon stellen Ereignisse aus dem Achtzigjährigen Krieg dar, und zwar die mißglückten Belagerungen von 1597 und 1606 durch die Truppen der Generalstaaten. Das dritte zeigt eine Belagerung vom Beginn des 16. Jahrhunderts. [22] Die Werke wurden um 1613 bei dem örtlichen Maler Frans Everts für die Ratskammer des Rathauses bestellt. Die betreffenden Belagerungen sind hier nicht in Vogelperspektive wiedergegeben, doch dient eine Art Stadtansicht als Kulisse für das Geschehen. Außer der Belagerung zeigt jedes der vertikal unterteilten Gemälde, eine alttestamentarische Szene: neben der Belagerung Venlos im Jahre 1597 sieht man die Geschichte von Esther, die dem Untergang des jüdischen Volkes zu verhindern wußte; neben der Belagerung von 1606 ist die Geschichte der Judith dargestellt, der mutigen Witwe, die ihre Vaterstadt Bethulien vor den assyrischen Belagerern rettete. Die Verse auf den Rahmen unterstreichen die Übereinstimmung zwischen den Ereignissen in Venlo und denen in der Bibel. So lautet die Inschrift auf dem Rahmen des zweiten Gemäldes:
'ALS SESTHEEN HONDERT SES MEN SCHRIEF VENLO VAN GOD BEHALDEN BLIEF GELICK DOER HOLOFERNES DOET BETHULIEN OUCK IS BEHOET'. [23] |
Derartige Verweise auf Parallelen aus dem Alten Testament waren im 17. Jahrhundert nicht ungewöhnlich und besonders auf protestantischer Seite gebräuchlich. Die Gemälde in Venlo zeigen aber, daß sich auch die katholische Seite derartiger Vergleiche bediente. Man gedachte der Belagerungen Venlos nicht nur in diesen Gemälden, sondern auch mit Prozessionen - Venlo blieb noch einige Jahre in spanischer Hand, also katholisch. 1610 wurde der Rundgang, der jährlich am St. Willebrordstag stattfand, auf den 2. Oktober verlegt, den Tag des Anschlags im Jahre 1606. Später wurden bei den Prozessionen auch "die Darstellungen der Belagerungen und der Verrätereien" selbst mitgeführt. [24] Es ist anzunehmen, daß es sich hier um die Gemälde von Everts handelt.
Die Gemälde in Lier, Mechelen, Nieuwpoort und Venlo zeigen - aus der Sicht der Generalstaaten - mißglückte Belagerungen. Es scheint verständlich, daß sich aus der kurzen Zeit, in der die meisten südlichen Städte auf der Seite des Aufstandes standen, kaum etwas in den Rathäusern erhalten hat. Die spanische Macht wurde innerhalb weniger Jahre wiederhergestellt, die Zeit also, in der hier 'Pro-Geusen'-Kunstwerke hätten entstehen können, war sehr kurz, und falls sie existiert haben sollten, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß sie durch die spanischgesinnten Stadtregierungen entfernt wurden. Allerdings sei angemerkt, daß die oben genannten erhaltenen "spanischen" Beispiele in Venlo, das später von den Generalstaaten eingenommen wurde, zeigen, daß es auch anders sein konnte (auch wenn Venlo im 17. Jahrhundert nur kurzzeitig in der Hand der Generalstaaten war.). [25] Andererseits gibt es Beweise, die zeigen, daß im Süden die spanischgesinnten Stadtregierungen in der Tat ihr Bestes taten, die Spuren des Aufstandes in ihren Städten zu beseitigen. Ein Beispiel hierfür ist Antwerpen: Die zu diesem Zeitpunkt noch auf der Seite der Generalstaaten stehende Stadtregierung kaufte im Dezember 1584 bei Frans Francken ein Portrait von Wilhelm von Oranien und hängte es in der Staatskammer des Rathauses auf. Als die Stadt ein knappes Jahr später in die Hände der Spanier fiel, wurde das Gemälde entfernt - an seine Stelle trat ein Bildnis des erfolgreichen Eroberers Alexander Farnese. [26] Zwei Jahre später, 1587, wurde auch die Figur des legendären Brabo von der Giebeldekoration des Antwerpener Rathauses auf Drängen der Jesuiten durch eine Marienfigur, der Patronin der Stadt, ersetzt. Die Brabofigur im Giebel kann mit den antispanischen Gefühlen der Zeit in Verbindung gebracht werden. Brabo galt als der erste Herzog von Brabant, und sein Bild verwies, so gesehen, auf die bedrohten Rechte und Privilegien der Provinz Brabant. Eine Marienfigur war bereits seit dem Mittelalter Teil der Giebeldekoration, so daß die Rückkehr der Stadtpatronin zugleich die Rückkehr des alten Zustands symbolisierte. [27]
Auch in Brügge bemühte man sich, die Erinnerung an den Aufstand zu beseitigen. Das Gemälde "Allegorie auf den Frieden in den Niederlanden im Jahr 1577" von Pieter Claeissens d.J. wurde vermutlich für das Rathaus in Brügge bestellt (Abb. 3). [28] Es zeigt Personifikationen unter anderem des Bündnisses, des Friedens, der siebzehn Provinzen und der Generalstaaten und symbolisiert den Frieden, der den Generalstaaten nach der Pazifikation von Gent (1576) vor Augen stand. Das Gemälde entstand wahrscheinlich als Don Juan d'Austria Statthalter war und mit dem Ewigen Edikt (1577) die Pazifikation unter bestimmten Vorbehalten akzeptierte: Auf dem Gemälde nimmt sein Wappen einen prominenten Platz auf dem Triumphwagen ein. Die niederländischen Provinzen werden durch Österreich angeführt. Ursprünglich war auch das Wappen Wilhelms von Oranien - rechts - auf dem Wagen zu sehen. Es wurde übermalt, vermutlich um 1583-1584, als der Oranier in vielen südlichen Städten zur persona non grata geworden war und die Stadtoberen nicht mehr an ihn und den Aufstand erinnert werden wollten. [29]
Darstellungen von der Wiedereroberung durch "spanische" Feldherren wie Alexander Farnese und Erzherzog Albrecht fanden nur selten ihren Platz in den jeweiligen Rathäusern. Eine Ausnahme bildet möglicherweise die "Allegorie auf die zweite Blüte Antwerpens nach der Eroberung durch Alexander Farnese im Jahre 1585" von Hans Vredeman de Vries, ein Gemälde, das viele Jahre im Rathaus von Antwerpen hing. Im Mittelpunkt des Werkes steht Alexander Farnese, der Philipp II. als Zeichen der Rückkehr der Stadt unter spanische Gewalt das Wappen Antwerpens überreicht. Die Darstellung mit ihren Tugendpersonifikationen und den verschiedenen allegorischen Figuren sowie der Wiedergabe des von Aktivität wimmelnden Hafens scheint darauf zu zielen, die Antwerpener Bürger von der versöhnlichen Haltung der spanischen Macht zu überzeugen und ihnen eine segensreiche Zukunft vorzuspiegeln. [30] Zwar ist nicht bekannt, wann genau das Gemälde in das Antwerpener Rathaus gelangt ist, doch weist der Inhalt auf einen öffentlichen Auftrag. [31] Möglicherweise handelt es sich hier eher um habsburgische als um städtische Propaganda.
Darstellungen von Ereignissen aus der zweiten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges waren, wie in der Republik, auch in den Rathäusern der südlichen Niederlande ungewöhnlich. Eines der seltenen Beispiele ist "Die Schlacht bei Kallo" von Gillis und Bonaventura Peeters (Abb. 4). Die Antwerpener Stadtregierung kaufte dieses Gemälde 1639 für die Staatskammer. [32] Hier geht es ausnahmsweise nicht um eine Belagerung, sondern um eine Schlacht, die 1638 nördlich von Antwerpen stattfand. Das Heer der Generalstaaten erlitt bei dem Versuch, die Forts an der Schelde zu erobern, eine Niederlage gegen die Truppen des Kardinalinfanten Ferdinand. Letzterer ist in der Vordergrundmitte dargestellt, aber nicht besonders hervorgehoben. Deutlich wird, daß diese Niederlage der Generalstaaten für Antwerpen von großem Nutzen war.
3. Die Bedeutung der Gemälde
Stadtregierungen sowohl auf seiten der Generalstaaten als auch auf seiten der Spanier ließen durch die genannten Kunstwerke ihre eigene Geschichte für die Nachwelt festhalten. Dabei bevorzugten sie die Wiedergabe einer erfolgreichen Verteidigung gegen den belagernden Feind, die zum Teil - vor allem auf seiten der Generalstaaten - mit der Darstellung des gemeinschaftlichen Leidens kombiniert wurde. Der Inhalt dieser Werke wird häufig durch Inschriften auf den Gemälden oder Rahmen verdeutlicht, die an den Kampf und die erbrachten Opfer erinnern und Gottes Hilfe rühmen. Zumeist wurde eine Stadtansicht gewählt, in die die Ereignisse einfach hineingesetzt wurden. [33] Da es sich immer um städtische Aufträge handelte, mußte die Stadt schon deshalb im Mittelpunkt stehen. Nur selten werden dagegen Individuen herausgestellt. Die Funktion des Werkes war es, die historische Identität der Stadt zu stärken und das Kollektivgefühl zu fördern. [34] In dieser Betonung des gemeinschaftlichen Elements liegt die Erklärung für das Fehlen der späteren Belagerungen in den Rathäusern der betreffenden Städte. Für diese waren die Feldherren, im Norden vor allem die Prinzen Moritz und Friedrich Heinrich, im Süden Alexander Farnese, Erzherzog Albrecht und Kardinalinfant Ferdinand, und ihre Truppen verantwortlich. Die eroberte Stadt und ihre Bevölkerung hatten an dem Ausgang geringen Anteil, daher konnten sich die Städte mit den Ereignissen nicht gut identifizieren. Vor allem konnte man aber die Schuld für die Leiden während der Belagerung nicht einem großen, bösen Feind zuweisen, denn die Belagerer waren letztendlich immer die 'Befreier', die später auch im Rathaus das Sagen hatten (und dort nicht als Bedrohung dargestellt sein wollten). Das Fehlen von Darstellungen der Eroberungen Friedrich Heinrichs liegt vermutlich in der Tatsache begründet, daß dies für die brabantischen Städte wie 's-Hertogenbosch und Breda, aber auch für das flämische Hulst, nicht gleichbedeutend mit eine Aufnahme als vollwertige, stimmberechtigte Stadt in die Republik war. Als 'Generaliteitssteden' (Generalitätsstädte) spielten sie eine untergeordnete Rolle. Die Auftraggeber für die Darstellungen dieser erfolgreichen Belagerungen müssen daher außerhalb der städtischen Kreise gesucht werden. [35]
III. Oranier und Habsburger
Auch im 17. Jahrhundert kaufte man für ein südniederländisches Rathaus natürlich ein Portrait des spanischen Königs, ebenso eines der verschiedenen Statthalter. Besonders die Bildnisse der souveränen Erzherzöge Albrecht und Isabella waren vielerorts zu finden. Sie waren Teil der 1607 von der Stadt Antwerpen für die Staatskammer bestellten Serie der Herzöge von Brabant, die eine während der Spanischen Furie verbrannte Reihe ersetzten sollte. [36] Im Rathaus von Nieuwpoort hing eine Portraitserie mit Bildnissen von Philipp II., Mary Tudor, Albrecht und Isabella sowie von Philipp IV. und Elisabeth von Österreich. [37] Darüber hinaus begegnet man den Habsburgern mehrfach in anderen Darstellungen. So sehen wir Farnese und Philipp II. in der "Allegorie auf die Blüte von Antwerpen nach der Eroberung im Jahre 1585 durch Alexander Farnese" und den Kardinalinfanten in der "Schlacht bei Kallo". Im Rathaus von Brüssel hing, wie aus einer Beschreibung von Abraham Golnitzius vom Jahre 1631 hervorgeht, eine Darstellung von Isabella beim Papageienschießen. [38] Demselben Autor zufolge wurde im Genter Rathaus verschiedener Siege des Erzherzogs Albrecht gedacht. Dies geschah weniger durch die Darstellung dieser Siege, sondern durch "Spolien". Darüber hinaus erwähnt Golnitzius in Gent ein Gemälde, auf dem die Hochzeit von Albrecht und Isabella mit den Hochzeiten der "Töchter aus der Familie Zelophads" verglichen wurde. [39] Was Golnitzius hier schildert, war Teil des Festlichen Einzuges des Erzherzogspaares in Gent im Jahre 1600. Laut der durch Johannes Bochius publizierten Beschreibung wurde dort die alttestamentarische Geschichte von den Töchtern von Zelophads gezeigt (4. Mose 27), die in den Stamm ihres verstorbenen Vaters heirateten und dessen Erbteil bekamen, so daß das Erbe 'in der Familie blieb'. [40] Damit wurde in Gent die Regelung, die Philipp mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohn getroffen hatte, in einen biblischen Kontext gestellt.
In den südlichen Niederlanden war es nicht ungewöhnlich, Teile der ephemeren Architekturen, die anläßlich der Festlichen Einzüge der habsburgischen Landvogte errichtet wurden, in den Rathäusern aufzubewahren. In allegorischen Szenen und Darstellungen militärischer Erfolge auf Triumphbögen und Bühnen wurden die neuen Statthalter gefeiert. Daneben verwiesen sie aber auch auf die Städte selbst und ihre Privilegien. In den Rathäusern, unter anderem in Löwen, Brüssel, Antwerpen, Gent und Brügge, wurden die Dekorationen derartiger Festlichen Einzüge aufbewahrt.
Auch wenn die Oranier als Statthalter keine Landesherren waren, wurden deren Portraits seit dem Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls in vielen Rathäusern der Republik aufgehängt. Bisweilen wurden ganze Portraitreihen der verschiedenen Oranier bestellt, häufig bei Michiel Mierevelt und seinem Atelier. Die älteste Folge hing im Rathaus von Delft, spätere befanden sich unter anderem in Kampen, Zwolle und 's-Hertogenbosch. In einigen Fällen wurden Reiterportraits der Oranier angekauft, wobei deren militärische Erfolge im Hintergrund dargestellt waren. So zeigt eine Serie von Isaac Isaacsz. in Harderwijk die Prinzen Wilhelm von Oranien, Moritz und Friedrich Heinrich jeweils mit einer nicht näher zu identifizierenden Seeschlacht, der Schlacht bei Nieuwpoort und der Eroberung von 's-Hertogenbosch im Hintergrund. Auffallend ist, daß diese Serien nicht immer auf die Statthalter beschränkt blieben. So wurden in Delft Porträts von Friedrich V. und seiner Frau Elisabeth aufgenommen und in Harderwijk Kniestücke des schwedischen Königs Gustav Adolf und des französischen Königs Heinrich IV. Die prominente Rolle dieser drei Fürsten im protestantischen Kampf wird hier von Bedeutung gewesen sein. [41]
Außer Portraits erwarben die oranisch gesinnten Stadtregierungen von Delft und Haarlem allegorische Darstellungen mit Wilhelm von Oranien. [42] Alles in allem scheint es, daß die Habsburger stärker in den Rathäusern der südlichen Niederlande als die Oranier in denen der Republik gegenwärtig waren, was zweifellos mit den verschiedenen Staatssystemen zusammenhängt.
IV. Schwierig zu deutende Darstellungen
Auch im Rathaus von Antwerpen hing ein "Kindermord", und zwar von Frans Floris. Hier scheint die Verbindung zur Spanischen Furie im Jahr 1576 schnell gezogen, bei der ein großer Teil der Bevölkerung der Stadt ermordet wurde. Frans Floris starb aber bereits 1570 und kann also mit dieser Darstellung nicht auf die Furie angespielt haben. Die auf seiten der Aufständischen stehende Stadtregierung kaufte das Gemälde im April 1583, etwa drei Monate nachdem die französischen Truppen vergeblich versucht hatten, die Spanische Furie in Antwerpen zu wiederholen. [45] Ob die Szene auf Grund von Parallelen zur eigenen jüngsten Vergangenheit angekauft wurde, muß eine unbeantwortete Frage bleiben.
Folgendes Beispiel - ebenfalls aus Antwerpen - verdeutlicht, daß die Interpretation einer Darstellung in der Tat von den historischen Umständen, ebenso wie von der genauen Ikonographie abhängen kann. 1608 bestellte der Magistrat zwei Gemälde für die Staatskammer, dem Saal, in dem die Verhandlungen über den Zwölfjährigen Waffenstillstand stattfanden, der dort am 9. April 1609 unterzeichnet wurde. Das erste Werk "Scaldis und Anverpia" von Abraham Janssen zeigt eine Allegorie Antwerpens und der Schelde. Mit diesem Gemälde hoffte die Antwerpener Stadtregierung die Aufmerksamkeit der Unterhändler auf die Notwendigkeit einer Aufhebung der Scheldeblockade durch die Generalstaaten zu lenken. Dieses Thema wurde aber nicht speziell für diesen Anlaß entwickelt. Wie aus dem Inventar von 1571 deutlich wird, hing damals bereits ein Gemälde dieses Themas in der "Heren camer" des Rathauses. Dasselbe gilt für das zweite Gemälde, der "Anbetung der Könige" von Rubens. 1571 befand sich ein Bild mit diesem Thema in der "rentmeestercamere". [46] Bedenkt man, daß auch Rubens Werk anläßlich der Waffenstillstandsverhandlungen entstand, muß die Darstellung auch inhaltlich von Bedeutung gewesen sein. Es wurde schon früher darauf hingewiesen, daß der exotische Charakter der Könige und ihres Gefolges sowie der mitgeführten Reichtümer einen Hinweis auf die Fahrten nach Osten und Westen beinhaltet, die die südlichen Niederlande nach dem Waffenstillstandsschluß wieder aufzunehmen hofften. [47] Folglich erhielten beide Szenen, die bereits vorher im Rathaus zu finden waren, 1609 eine aktuelle Bedeutung.
Dasselbe muß für die Allegorie auf Gerechtigkeit und Frieden gelten, die zusammen mit dem Stadtwappen auf einen Kamin in einem der Säle des Rathauses von Damme gemalt wurde. Eine derartige Darstellung war für ein Rathaus nicht ungewöhnlich und kann zu jedem beliebigen Zeitpunkt als Verbildlichung der allgemeinen Zielsetzung und Voraussetzung einer guten Regierung benutzt worden sein. Wenn eine derartige Darstellung aber, wie in Damme, 1609, im Jahr, in dem der Zwölfjährige Waffenstillstand geschlossen wurde, bestellt wird, dann liegt ein Bezug zu der aktuellen Situation nahe. [48]
1632, also lange nach der Wiederaufnahme des Krieges im Jahre 1621, kaufte die Stadt Dordrecht vom Maler Christiaen Couwenbuergh eine Darstellung von Delila, die das Haar des schlafenden Simson abschneidet und ihn so seiner Kraft beraubt (Abb. 5). Der Künstler ging von einer Rubensschen Komposition aus. Das Gemälde erhielt einen Platz im Ratssaal des Rathauses, was für ein Werk mit diesem Thema ungewöhnlich ist; es geht hier jedenfalls nicht um ein biblisches exemplum virtutis. Darum ist die Darstellung schon früher politisch interpretiert worden. Das Thema - der Held, der von dem Feind verführt wird und dadurch untergeht - soll hier in Zusammenhang gebracht werden mit den Friedensvorstellungen, die 1632 der Süden vorschlug und die auch in der Dordrechter Stadtregierung diskutiert wurden. Das Werk soll eine Warnung sein, sich nicht durch schöne Reden des Feindes bestricken zu lassen. [49] Diese Interpretation bleibt spekulativ, um so mehr, da Dordrecht sich in dieser Zeit zu einem Vorkämpfer für einen Frieden mit Spanien entwickelte. Aber ist der klagende Löwe, rechts verborgen in einer Draperie, den van Couwenbergh Rubens' Komposition hinzugefügt hat, nicht vielleicht doch ein Hinweis auf den wachsamen holländischen Löwen? Die genaue Intention der Dordrechter Stadtregierung ist, wie bei einigen anderen bereits genannten Fällen, auf Grund mangelnder Quellen leider nicht mehr zu ermitteln.
V. Der Friede von Münster
Im Rathaus von 's-Hertogenbosch werden in einem Gemälde Theodoor van Thuldens aus dem Jahre 1650 die politischen Konsequenzen des Friedens für die Stadt dargestellt: "Brabant bittet die Generalstaaten, sie als gleichwertigen Partner zu den Sieben Vereinigten Provinzen zuzulassen". [52] Das Gemälde kann als eine Reaktion auf die neue Situation der Stadt gesehen werden, die bereits 1629 durch ihre Eroberung durch Friedrich Heinrich entstand, aber erst mit dem Frieden von Münster festgeschrieben wurde. Der durch die Generalstaaten eroberte Teil Brabants hatte keine selbständige Position innerhalb des Staatsgefüges, sondern wurde als Generalitätsland von Den Haag aus regiert. Natürlich führte dies zu großer Unzufriedenheit und Frustration bei den brabantischen Regenten. Das Gemälde gibt dem Mißbehagen Ausdruck. Rechts auf einem Thron sitzt eine junge Frau, die die Generalität symbolisiert. Ihr nähert sich die Stedemaagd, die Personifikation 's-Hertogenboschs, und bietet ihr das Wappen von Brabant an, um es der Reihe der über dem Thron hängenden Wappen der sieben Provinzen hinzuzufügen. Auf den Treppenstufen rechts fügen Putti einen Pfeil, Brabant, dem die Vereinigten Niederlande symbolisierenden Pfeilbündel hinzu.
Während das Gedenken an den Frieden von Münster in den Rathäusern der Republik offenbar nur einen bescheidenen Platz eingenommen hat [53], scheint es in den südlichen Niederlanden ganz gefehlt zu haben. Dies ist nicht verwunderlich, bedenkt man, daß diese Provinzen als die großen Verlierer dastanden; die Schelde blieb geschlossen und das Gebiet noch einige Jahre Kriegsschauplatz des französch-spanischen Krieges. Eine Spur, die möglicherweise in den südlichen Niederlanden auf den Frieden von Münster verweist, ist ein Stich, der sich 1693 im Rathaus von Veurne befand. Dieser zeigte keine Festlichkeit oder passende Allegorie, sondern einfach die 'Stadt Münster'. Über diesen sehr prosaischen Hinweis auf die Geschehen von 1648 haben die südniederländischen Stadtregierungen wohl nicht hinausgehen wollen.
Zusammenfassung:
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