VIII. GLAUBE ZWISCHEN KRIEG UND FRIEDEN
Der Konfessionalisierung strukturierte das politische, kulturelle und soziale Verhaltensmuster des einzelnen innerhalb der Bekenntnisgemeinschaft. Staat, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft waren einem Prozeß der Durchdringung, Umwandlung und Formierung durch den Geist des konfessionellen Christentums unterworfen. In konfessionellen Universitäten und Akademien wurde eine intellektuelle Elite ausgebildet, die sich in den Dienst ihrer Kirche bzw. ihres Fürsten stellte. Der Jesuitenorden wurde zum Funktionsträger reger Missionstätigkeit, die er im Interesse der seit dem Trienter Konzil (1545-1563) nach innerer Erneuerung strebenden katholischen Kirche wahrnahm. Die Calvinisten, die häufig als Flüchtlinge den Erfahrungen von Exodus und Diaspora ausgesetzt waren, suchten in den von ihnen beherrschten Territorien ihre religiöse Existenz ebenfalls über die Gründung von Universitäten, aber auch über internationale Zusammenarbeit abzusichern.
1618 standen sich im Konflikt zwischen Kaiser und böhmischen Ständen das (katholische) Heer der Liga und das (protestantische) Heer Friedrichs V. gegenüber. Die Folgen der Konfessionalisierung äußerten sich weniger in der emotional aufgeladenen Stimmung der Soldaten, die mit "Santa Maria" oder "Gott mit uns" in die Schlacht zogen, als vielmehr in der umfangreichen Sozialdisziplinierung. Im Alltag des Krieges, in dem der einzelne Leid und Elend auf besondere Weise erfahren mußte, wurden "Glaube" und "Frömmigkeit" - unterstützt durch die intensivierte Seelsorge der Kirchen - zur tröstenden Möglichkeit, selbst den Kriegserfahrungen noch einen Sinn abzugewinnen. Indem nach 1648 die Stände auf dem Reichstag sich zu je einem evangelischen und einem katholischen Corpus zusammenschlossen und die strittigen Religionsfragen dort verhandelt wurden, wurden die Debatten dieser höchsten Reichsversammlung von konfessionellen Konflikten entlastet. Gleichzeitig wurde das Recht des Fürsten, die Konfession der Untertanen zu bestimmen, eingeschränkt. Das Jahr 1624 wurde als "Normaljahr" festgesetzt, nach dem sich der kirchliche Besitz- und Bekenntnisstand richtete. Für einige wenige Territorien wurden Sonderregelungen vereinbart. Es waren allerdings Politiker, die den Friedenskompromiß herbeigeführt hatten - keine Theologen. Der "Glaubenskonflikt" wurde somit letztlich in die Kompetenz der theologischen Disputation zurückgegeben. Innerhalb der konfessionell geprägten Kulturlandschaften, die sich nun toleranter gegenüberstanden, blieb aber die Konfessionszugehörigkeit wichtiges Element der Identifikationsbildung des einzelnen.
E. B.