ROBERT I. FROST Polen-Litauen und der Dreißigjährige Krieg |
Obwohl der Westfälische Frieden oft als Eckstein einer neuen europäischen Ordnung gefeiert wird, die bis zu den Kriegen in der Folgezeit der Französischen Revolution Bestand haben sollte, war der Friedensschluß im wesentlichen ein westeuropäisches Abkommen. Auch bevor die folgenschweren Ereignisse von 1648 so sehr für Aufmerksamkeit sorgten, spielte Polen-Litauen keine Rolle in den Verhandlungen; die polnische Präsenz in Münster und Osnabrück beschränkte sich auf Beobachter von niedrigem Rang, die nur mit Unterbrechungen anwesend waren und die Ergebnisse der Verhandlungen in keiner Weise beeinflussen konnten. Die Tatsache, daß eine der vor dem Krieg fraglos größten europäischen Mächte in Westfalen durch keine akkreditierten Repräsentanten vertreten war, hat außerhalb Polens bei Historikern nur geringe Aufmerksamkeit gefunden. [1] Dies ist überraschend, war man doch in Westfalen mit Angelegenheiten befaßt, die für die Polen von offensichtlicher Bedeutung waren, zumal die durch das Abkommen von 1648 bewirkte Veränderung der internationalen Position Schwedens weitreichende Implikationen für die Union hatte. Überdies spielte Polen-Litauen in der ersten Hälfte des Dreißigjährigen Kriegs eine bedeutsame Rolle; von denen, die den Krieg als ersten gesamt-europäischen Konflikt betrachten, wird Polen-Litauen sogar häufig als integraler Bestandteil des katholisch-habsburgischen Bundes dargestellt: In Polišenskýs "feudalistisch-katholischem Block" spielt Polen die Rolle eines "Spanien des Nordens"; für andere war es dagegen nur, wie Wedgwood sich ausdrückt, der "Wachhund" der Habsburger, der zum geeigneten Zeitpunkt von der Leine gelassen wurde. [2]
Versuche, den Krieg als ein in sich geschlossenes kontinentales Phänomen darzustellen, erweisen sich gerade dann als aussichtslos, wenn man die Rolle Polens in Betracht zieht. Zwar wäre es töricht, die gegenseitigen Verbindungen zwischen den verschiedenen europäischen Kriegen zu bestreiten; aber die lange Folge von Konflikten zwischen Polen-Litauen, Schweden und Moskowien als bloßen Teil eines umfangreicheren "Habsburgisch-Bourbonischen Hegemonialstrebens" zu betrachten, wie Steinberg dies tut, würde bedeuten, ihre Dynamik mißzuverstehen. [3] Die Nordischen Kriege, die 1558 mit der Invasion Livlands durch Iwan IV. begannen, begründeten eine Epoche der europäischen Geschichte von eigener innerer Gesetzlichkeit. [4] Nachdem Iwans Versuch der Eroberung Livlands 1582 mit einer Niederlage endete, war keine Macht in der Lage, eine Vormachtstellung in Nordosteuropa zu erlangen, wo das komplexe Netz von Feindschaften zu drei Perioden umfassender Kriege (1563-82, 1655-60 und 1700-21) und zahlreichen bilateralen Konflikten führte. [5] Die westlichen Mächte mögen sich zwar für diese Konflikte interessiert haben, aber in den Fällen, in denen ihre Interventionen häufig von Bedeutung waren, konnten sie doch den Lauf der Ereignisse in keiner Weise steuern, und Osteuropa blieb außerhalb des in Westfalen etablierten Ordnungssystems. Erst als 1815 auf dem Wiener Kongreß die Teilungen Polen-Litauens von 1772, 1793 und 1795 und Rußlands Annexion von Finnland im Jahre 1809 besiegelt wurden, standen Rußland und Preußen als Sieger der Nordischen Kriege fest, und Nordosteuropa wurde vollständig in ein europaweites internationales Ordnungssystem integriert.
Nichtsdestotrotz wurde es durch die erweiterten Möglichkeiten der europäischen Staaten, Kriege zu führen, sowie durch die dramatische Zunahme der Anzahl und Dauer der Konflikte seit dem späten 16. Jahrhundert zunehmend schwierig, eine gewisse Überschneidung von Konflikten zu verhindern, obwohl doch die Gefahr eines Zweifrontenkrieges Regierungen gewöhnlich danach streben ließ, Konflikte auseinanderzuhalten. Gustav Adolfs Beobachtung vom April 1628, daß "sich die Dinge derart zugespitzt haben, daß alle in Europa geführten Kriege miteinander verknüpft und zu einem geworden sind", war sowohl ein Eingeständnis, daß er mit seinem Bestreben, sie auseinanderzuhalten, gescheitert war, als auch ein Versuch, Axel Oxenstierna von der Notwendigkeit einer Intervention im Reich zu überzeugen. [6] Doch Schweden war 1630 dazu nur in der Lage, weil Polen dem äußerst nachteiligen Waffenstillstand von Altmark (1629) zustimmte, der beinhaltete, daß das lukrative Recht, Zölle auf preußische Häfen zu erheben, an Schweden abgetreten wurde: Wenn es richtig ist, daß 1628 alle Kriege in Europa zu einem geworden waren, so änderte sich dies im Jahre 1629. Angesichts der Rolle, die Schweden nach 1630 im Dreißigjährigen Krieg spielte, bedarf die polnisch-litauische Passivität einer Erklärung: Warum schlug der "Wachhund der Habsburger" seltsamerweise nicht an, als sein vermeintlicher Herr nach Breitenfeld oder in den 1640er Jahren in ernsten Schwierigkeiten war? Um dieses zu erklären, muß man den Krieg aus polnischer Perspektive untersuchen.
Auf den ersten Blick scheint es nicht unangemessen, Polen-Litauen als Teil des habsburgisch-katholischen Machtblocks zu betrachten. Sigismund III. (1587-1632), der Sohn von Johann III. von Schweden und Katharina, der Schwester von Sigismund II. August, dem letzten jagiellonischen König von Polen-Litauen, wurde von seiner Mutter als Katholik erzogen und erwies sich als eifriger und erfolgreicher Verfechter der Gegenreformation. Von Beginn seiner Regentschaft an verfolgte er eine ausgeprägt prohabsburgische Politik. 1592 heiratete er Anna, die Schwester des späteren Kaisers Ferdinand II., um eine enge dynastische Verbindung aufzubauen, die ein halbes Jahrhundert Bestand hatte: Nach Annas Tod im Jahre 1598 heiratete Sigismund 1605 ihre Schwester Konstanze; sein ältester Sohn Ladislaus IV. (1632-1648) heiratete 1635 Cäcilia Renate, die Tochter Ferdinands II.
Die Verbindungen waren nicht nur dynastischer Art. Als 1613 innere Spannungen im Reich aufkamen, unterzeichnete Sigismund eine Übereinkunft mit Kaiser Matthias, in der jeder Monarch dem anderen Hilfe gegen innere Aufstände versprach. 1619, auf dem Höhepunkt des Böhmischen Aufstands, löste Sigismund sein Versprechen ein und gewährte die Rekrutierung einer 8.000 bis 10.000 Mann starken Truppe - der berühmten "Lisowczyk-" oder "Kosaken-" Kavallerie - die die Karpaten Richtung Ungarn überquerte und die Schlacht bei Humienne (23./24. November 1619) gewann, wodurch Bethlen Gabor gezwungen wurde, seinen Angriff auf Wien abzubrechen. [7] Die Lisowczyks kämpften auch mit ungefähr 4.000 Mann in Böhmen in der Schlacht am Weißen Berg. Obwohl der Pfälzer Feldzug von 1622 die letzte große Lisowczyk-Expedition war, kämpften viele Polen in den 1630er Jahren für die Habsburger.
Doch die Verbindung Habsburg-Wasa war keinesfalls reibungslos. Sigismund wurde 1587 als der antihabsburgische Kandidat gewählt und konnte seine Krone nur sichern, indem er seinen Rivalen, den Erzherzog Maximilian, im Januar 1588 bei Pitschen besiegte und gefangensetzte. Diese Angelegenheit warf einige Jahre einen Schatten auf die Verbindungen zwischen den Habsburgern und den Wasa. Maximilian verbrachte ein Jahr in Gefangenschaft bis zu seiner Freilassung im März 1589 entsprechend dem Vertrag von Bytom-B?dzin, der von ihm den Eid verlangte, daß er seinen Anspruch auf den Thron aufgebe. Sobald er jedoch wieder auf habsburgisches Territorium kam, brach er sein Versprechen und benutzte weiterhin den Titel rex electus. Obwohl Rudolf II. und Sigismund den Vertrag ratifizierten, weigerten sich Maximilian wie auch Philipp II., ihn zu akzeptieren. [8] Dies hatte eine gewisse Ironie, insofern Sigismunds frühe Erfahrungen in Polen-Litauen ihn schon bald dazu brachten, seine Wahl zu bedauern: 1589 erwog er, zugunsten von Maximilians Bruder Ernst abzudanken. Doch Maximilians Hartnäckigkeit sollte seinen Plan durchkreuzen, denn in seiner Empörung über dessen wortbrüchige Weigerung, Bytom-B?dzin zu akzeptieren, erließ der polnische Sejm eine Verfügung, die ihn verpflichtete, seinem Eid binnen 20 Monaten nachzukommen; im Falle seiner Weigerung würden die Habsburger für immer vom polnischen Thron ausgeschlossen. [9]
Die Entwicklungen in Schweden brachten Sigismund jedoch bald dazu, seinen Plan fallenzulassen. Als er nach dem Tod seines Vater 1593 nach Schweden zurückkehrte, fand er ein politisches System vor, das vorsah, ihn an seine Stelle zu setzen. Ein ziemlich unbequemes Bündnis zwischen seinem Onkel, dem Herzog Karl von Södermanland, und dem Kronrat war dazu bestimmt, die umstrittene Religionsfrage zu klären; Sigismund wurde gezwungen, zahlreiche Einschränkungen seiner Macht sowie den endgültigen Triumph des Luthertums durch die Annahme der confessio augustana durch die Kirche von Schweden zu akzeptieren. Als Sigismund um 1594 nach Polen zurückkehrte, hatte er begriffen, wie prekär seine Lage in seinem Heimatland war; unter diesen Umständen wäre es eine Dummheit gewesen, auf seinen polnischen Thron zu verzichten. Seine Position in der Union war jedoch ebenfalls schwierig: Seine Kontakte zu den Habsburgern waren äußerst unpopulär, und er mußte schwere Angriffe von der Inquisition des Sejm von 1592 hinnehmen.
Die Freundschaft zwischen den Habsburgern und den Wasa bestand durchaus nicht zwangsläufig, und Mitte der 1590er Jahre kühlten die Beziehungen deutlich ab. Von Schweden besessen, zeigte Sigismund wenig Interesse an den Versuchen Habsburgs, polnische Unterstützung im 1593 ausgebrochenen türkischen Krieg zu erlangen. Aber das war eine ziemlich populäre Haltung. Die Habsburger und Jagiellonen, die bis 1526 auch Böhmen und Ungarn beherrschten, waren lange Rivalen in Südosteuropa gewesen. Die Polen hielten das ganze 16. Jahrhundert hindurch einen lange währenden Frieden mit den Osmanen und lehnten es ab, den Habsburgern in den habsburgisch-türkischen Kriegen nach 1526 beizustehen. Falls der türkische Zugriff auf Ungarn und den Balkan einmal gelockert sei, wären Polen und Habsburg eher Rivalen als Verbündete. In den 1590er Jahren allerdings versuchte Polen-Litauen seinen Einfluß in Transsilvanien, Moldavien und der Walachei auszuweiten, während Sigismund über Rudolfs 1594 unternommenen Versuche, die Saporoger Kosaken für den Krieg gegen die Türken anzuwerben, verärgert war. [10] Obwohl Maximilian 1598 seinen Anspruch auf den polnischen Thron aufgab und Philipp II. den Vertrag von Bytom-B?dzin ratifizierte, war es zu spät. 1598 unternahm Sigismund einen bewaffneten Versuch, sein schwedisches Erbe zu sichern, was mit einer Niederlage und seiner Amtsenthebung im Jahre 1599 endete; als Karl 1600 in Livland einfiel, begann eine lange Folge polnisch-schwedischer Kriege. Den Habsburgern blieb nichts übrig, als alleine gegen die Türken zu kämpfen.
Nichtsdestoweniger ließ Sigismunds Amtsenthebung sein Interesse am Habsburger Bündnis wiederaufleben. Der Verlust des schwedischen Throns brachte die polnischen Wasa in eine besonders verwundbare Lage. Denn Sigismunds polnische Untertanen erinnerten ihn unablässig daran, daß die Union eine Wahlmonarchie war und es keine Garantie dafür gab, daß sein Sohn Ladislaus nach seinem Tod gewählt werden würde. Im Falle seines Scheiterns wären die polnischen Wasa Ausgestoßene. Die polnische Monarchie war völlig verarmt, die Wasa hatten nur wenige private Besitztümer in der Union und wurden nun ihrer ausgedehnten schwedischen Ländereien beraubt. So hatte Sigismund gute Gründe für seinen Eifer, den schwedischen Erbthron zurückzugewinnen. Um dieses Ziel zu verfolgen, würde er friedliche Beziehungen mit seinen südlichen und westlichen Nachbarn benötigen, denn aufgrund seiner Armut war ausländische Unterstützung unabdingbar. Mit dem Ende des habsburgisch-türkischen Kriegs im Jahre 1606 war der Weg zu einer engeren Beziehung wieder frei.
Hinter dem erwähnten Vertrag von 1613 zwischen Sigismund und Mattias standen jedoch mehr interne als internationale Erwägungen. Die entschlossene Verteidigung des zentraleuropäischen "Ständestaats", die schließlich zum Böhmischen Aufstand führte, war keineswegs auf die habsburgischen Erblande beschränkt. Vielen Polen schien Sigismunds Unterstützung der Habsburger verdächtig, besonders im Lichte dessen, was man als sein Streben nach einem absolutum dominium ansah. Seit 1599 konzentrierte er sich darauf, seine Autorität zu behaupten und die Lage der Monarchie zu verbessern. Er nutzte seine umfangreichen Patronatsbefugnisse und die Unterstützung eines Großteils der politisch bedeutsamen katholischen Hierarchie, um eine mächtige königstreue Partei aufzubauen. Seine Neigung, sich der einschränkenden Rolle der Senatsversammlung als Hüter des Rechts zu entziehen, indem er seine Entscheidungen auf einen inneren Kreis von Anhängern stützte, stärkte nur die Opposition. Die Schaffung einer katholischen, königstreuen Partei und der folgende Angriff auf protestantische Freiheiten, die durch die Warschauer Konföderation von 1573 garantiert worden waren, verliefen genau parallel zur habsburgischen Politik in den Erblanden. Die erfolgreiche Unterminierung der politischen Stärke des Protestantismus demonstrierte die Effektivität der Methoden Sigismunds, aber seine offenkundige Verachtung für den Geist der Verfassung führte schließlich 1606/07 zu einem offenen Aufruhr.
Das Hilfsangebot im Falle eines Aufruhrs im jeweiligen Königreich war 1613 ganz im gegenseitigen Interesse der Habsburger und der Wasa; es waren die Habsburger, denen es 1619/20 zugute kam. Falls jedoch Sigismund von Ferdinand Dankbarkeit erwartete, sollte er enttäuscht werden. Als der Böhmische Aufstand niedergeschlagen war, verschlechterten sich die Beziehungen. Als Sigismund Hilfe suchte, um einen türkischen Einmarsch im Jahre 1621 abzuwehren, wurde er höflich zurückgewiesen: Ferdinand war lediglich bereit, sich beim Sultan für ihn zu verwenden und die Lisowczyk-Kosaken aus seinem Dienst zu entlassen. [11] Dies war kein großes Opfer: Die Lisowczyks hatten sich in der harten Schule der Moskowiter Kriege einen Namen gemacht, in denen sie bis zur Wolga und zur Küste des Weißen Meeres eine Spur der Verwüstung hinterließen. Sie hatten ihren Hang zur Zerstörung nicht abgelegt, und Ferdinand wurde mit Beschwerden über ihr Verhalten überschüttet, das gemäß dem Klischee der Zeit häufig mit dem der Türken und Tartaren verglichen wurde, zum Vorteil der Ungläubigen. [12]
Ferdinand gewährte Sigismund auch keine Unterstützung gegen Gustav Adolf, den Sohn Karls IX., der zwischen 1617 und 1625 drei Überfälle auf Livland unternahm und im Jahre 1621 Riga in seine Gewalt brachte. Ferdinand kam dies tatsächlich entgegen: Solange Gustav Adolf mit Livland beschäftigt war, war er nicht in der Lage, den antihabsburgischen Rebellen zu helfen, welche ihn nach 1618 eifrig umwarben. Besonders nachdem Gustav Adolf 1626 ins Herzogtum Preußen einmarschierte, zwang Schwedens militärischer Erfolg den alternden Sigismund dazu, sich mit dem Problem der Zukunftssicherung für seine Kinder zu befassen, im Wissen, daß er wohl sterben würde, ohne den schwedischen Thron zurückzuerlangen.
br>In dieser Lage verwickelte er sich in weitere Streitigkeiten mit Ferdinand. Trotz Sigismunds hartnäckiger Weigerung, seinen Anspruch auf den schwedischen Thron aufzugeben, war er keineswegs blind für die politischen Realitäten, und so versuchte er bereits, die Position der Dynastie zu stärken, entweder als einen Schritt zur Wiedererlangung des Geburtsrechts oder als Kompensation für dessen Verlust. Sein Hauptziel war es, eine unabhängige, erbliche Machtbasis zu sichern, jenseits des Einflußbereichs der Institutionen der Union. Unglücklicherweise waren die hierfür am besten geeigneten Fürstentümer alle dazu angetan, den Widerstand Habsburgs auf den Plan zu rufen: Livland, Kurland und das Herzogtum Preußen waren ehemals Gebiete des Deutschen Ordens, die unter Habsburgs Schutz gestellt wurden, nachdem Erzherzog Maximilian III. nach seiner Herabsetzung in den Jahren 1587-1589 zum Hochmeister gewählt worden war.
Dies galt um so mehr für die neue Möglichkeit, die sich mit dem Böhmischen Aufstand ergab. Schlesien, das der polnischen Krone im zwölften Jahrhundert verlorenging, hatte immer noch eine große polnischsprechende Bevölkerung und war eine wohlhabende und blühende Provinz. Noch vor der Absetzung Ferdinands als König von Böhmen reiste Sigismunds ältester Sohn Ladislaus im Mai 1619 auf Einladung Erzherzogs Karl, seines Onkels und Bischofs von Breslau, ins schlesische Neiße. Hier traf er Gesandte der schlesischen und böhmischen Stände, die seine Kandidatur für den böhmischen Thron vorschlugen. Nachdem er während eines langen Aufenthalts Berichtigungen der polnisch-schlesischen Grenzen als Gegenleistung für militärische Hilfe diskutiert hatte, kehrte Ladislaus im September mit Karl nach Warschau zurück. [13]
Die Aussichten der Wasa waren in Madrid besser als in Wien. Seit den 1590er Jahren versuchte die spanische Regierung Sigismunds Position in Nordeuropa zu stärken: Nachdem er den schwedischen Thron bestiegen hatte, sah Philipp II. die Möglichkeit, Schwedens einzigen Nordseezugang Älfsborg als Flottenstützpunkt für Aktionen gegen die nördlichen Niederlande und England zu nutzen. Sigismunds Verlust des schwedischen Throns machte diese Pläne zunichte, aber die Beziehungen blieben freundlich, und Philipp III. verlieh sowohl Sigismund (1600) als auch Ladislaus (1615) den Orden vom Goldenen Vlies. [17] In den frühen 1620er Jahren jedoch ging die Initiative nicht von den Spaniern, sondern von Sigismund aus. In der Einsicht, daß für die Wiedererlangung seines Throns eine Flotte vonnöten wäre, richtete er einen Marineausschuß ein, der 1622 sein erstes Schiff zu Wasser ließ und sieben Schiffe fertiggestellt hatte, als 1625 Sigismund Spanien ein Bündnis anbot. [18]
Sigismund, der Olivares' Interesse an Angriffen auf den Handelsverkehr der nördlichen Niederlande mit dem Baltikum kannte, war tief enttäuscht über die Antwort auf seinen Vorschlag einer gemeinsamen baltischen Flotte. Man versprach ihm Subsidien in Höhe von 200.000 Dukaten, betrachtete sie aber als Teil der sogenannten Neapolitanischen Gelder, der unbezahlten Mitgift von Bona Sforza, der Gattin Sigismunds I., welche durch die gesamte frühe Neuzeit hindurch ein Gegenstand verbitterten Streits zwischen dem polnischen und dem spanischen Königshaus war; obwohl Madrid anordnete, man solle die Subsidien aus den neapolitanischen und sizilianischen Staatseinkünften entnehmen, lehnten es die Vizekönige ab, diesem Befehl zu folgen, und so waren auch drei Jahre später die Gelder noch nicht ausgezahlt. [19] Olivares ernannte zwar Jean de Croy, den Grafen von Solre, und Charles de Bonnières, den Baron d'Auchy, zu Gesandten an Sigismunds Hof, zeigte aber keine Eile, sie tatsächlich nach Warschau zu schicken. Erst als 1626 die Armeen Wallensteins und der katholischen Liga Norddeutschland eroberten, erwachte das Interesse Spaniens an einem Bündnis mit Polen. Olivares entsandte Gabriel de Roy, um mit den Hansestädten zu verhandeln, während Solre und d'Auchy schließlich nach Polen reisten, wo sie ein Abkommen über die Bildung einer gemeinsamen spanisch-polnischen Flotte unterzeichneten. [20]
Doch die Interessen der Habsburger und der Wasa waren zu gegensätzlich, um dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen. Sigismunds Hauptziel war es wieder einmal, den schwedischen Thron zurückzuerlangen; für Olivares jedoch richtete sich das Abkommen im wesentlichen gegen die nördlichen Niederlande. Dies war für Sigismund wiederum problematisch, so lange sich Danzig beharrlich jedem antiniederländischen Projekt entgegenstellte. Sigismunds Empfang für Solre und d'Auchy war ausgesprochen kühl, weil diese für das Baltikum keine spanischen Schiffe zusagen wollten und weil sie verlangten, daß die polnische Flotte unter spanischen Befehl gestellt werde. Olivares' Plan beruhte auf der unrealistischen Erwartung, die Unterstützung der Hanse zu gewinnen, welche sich keinesfalls begeistert zeigte, und de Roy wurde lediglich ermächtigt, die nötigen Schiffe zu bauen oder zu kaufen. Als Sigismund im April 1628 Marineunterstützung von der flandrischen Kriegsflotte für einen Angriff auf Pillau erbat, wurde sein Ersuchen von Olivares schroff zurückgewiesen, der betonte, er habe stets deutlich gemacht, daß er keine Kräfte von anderen Fronten abziehen werde. [21]
Sigismund, der in den maritimen Plänen der Habsburger keinesfalls eine untergeordnete Rolle spielte, ließ man völlig ungeschützt. Obwohl es ihm im Jahre 1626 nicht gelang, die viel größere schwedische Flotte an der Landung im Herzogtum Preußen zu hindern, verschaffte er sich durch die in einer wagemutigen See-Operation erreichte Zurückeroberung von Putzig im April 1627 einen Stützpunkt, von dem er die schwedische Blockade Danzigs angreifen konnte - eine Aktion, die schließlich zur Schlacht von Oliva führte (28. November 1627), wo eine gut ausgerüstete polnische Flotte die zahlenmäßig unterlegenen schwedischen Streitkräfte besiegte. [22] Wallenstein versprach, 12.000 Mann zur Unterstützung der Polen im Herzogtum Preußen zur Verfügung zu stellen, womit er zum Teil auch Sigismund überreden wollte, seine Flotte nach Wismar zu schicken. Am Ende jedoch brachte von Arnim im Jahre 1629 nur ungefähr 5.000 Mann. [23] Als die polnischen Schiffe schließlich Anfang 1629 Wismar erreichten, war der Zeitpunkt schon vorüber. Ladislaus, der inzwischen ein größerer Eiferer als sein Vater war, wollte einen Angriff der Marine auf Schweden, dies aber war ganz und gar nicht das, was Olivares oder Wallenstein im Sinn hatten. [24] Entgegen den großen Zusagen Habsburgs bildete das aus acht Schiffen bestehende polnische Kontingent trotz seines geringen Umfangs gut ein Drittel der alliierten Kräfte; darüber hinaus waren die polnischen Schiffe, angeführt durch die 400 Tonnen schwere und mit 33 Kanonen bestückte König David, größer, besser bewaffnet und bemannt. [25] Sigismund bedauerte sehr bald, seine Flotte entsandt zu haben, die in Wismar zugrunde gehen sollte, wo ihre letzten Überreste im Januar 1632 in schwedische Hände fielen. Der Hauptnutznießer des großen Baltikum-Projekts der Habsburger und Wasa war der falsche Zweig der Wasa-Dynastie.
Wenige Wochen nach diesem Debakel war Sigismunds langjährige Herrschaft zu Ende; mit seinem Tod begann für den habsburgischen Bund eine neue Zeit der Unsicherheit. Ladislaus IV., der im November 1632 nach einem beschwerlichen Interregnum gewählt wurde, stellte schon bald unter Beweis, daß seine Außenpolitik bei weitem flexibler und erfinderischer war als die seines Vaters. Durch den Tod Gustav Adolfs im Jahre 1632, der die minderjährige Christina als seine Nachfolgerin zurückließ, boten sich neue Möglichkeiten. Ladislaus war sich längst über die Schwierigkeiten im klaren, die mit der ultrakatholischen Haltung seines Vaters verbunden waren, und hatte sich mit seinem Eintreten für religiöse Toleranz einen Namen gemacht. Man streckte die Fühler nach Schweden aus, um die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung der Herrscherhäuser durch eine Heirat zwischen Ladislaus und Christina zu erkunden; als man abgewiesen wurde, wandte sich Ladislaus an England, um eine mögliche Heirat mit Elisabeth, der Tochter Friedrichs V. von der Pfalz, in Erwägung zu ziehen.
Ladislaus begann nicht, eine antihabsburgische Politik einzuschlagen, sondern suchte lediglich andere Wege, um an sein Hauptziel zu gelangen: die Rückgewinnung des schwedischen Thrones oder eine Entschädigung für die Aufgabe seines Anspruchs. Obwohl er 1633 den habsburgischen Bund erneuerte, war er unzufrieden mit dem Abkommen, das Ferdinand das Recht zubilligte, in der Union ohne jede Gegenleistung Rekruten auszuheben. Nichtsdestoweniger gab es zum habsburgischen Bund keine Alternative. Angesichts der ernsten Probleme Schwedens in den Jahren 1632 bis 1635 und ermuntert durch seine militärischen Erfolge gegen die Moskowiter und die Türken nahm Ladislaus mit neuem Eifer die Pläne für einen Angriff auf Schweden wieder auf. Gerade Schwedens Schwäche jedoch sollte seine Pläne durchkreuzen: Zwar gab es in Polen erstmals eine starke Unterstützung für einen Krieg gegen Schweden, um die Kontrolle über die preußischen Häfen zurückzugewinnen, aber als 1635 die schwedischen Verhandlungsführer in Stuhmsdorf bereit waren, auf die Zollrechte zu verzichten, verlor Ladislaus den Boden unter den Füßen. Die Unterstützung für den Krieg schwand dahin, und so war er gezwungen, den Vertrag über einen 26 Jahre währenden Waffenstillstand zu unterzeichnen, was ein Triumph für die französischen Vermittler bedeutete. [26]
Obwohl Ladislaus 1635 Ferdinands Tochter Cäcilia Renate heiratete, war er bereits desillusioniert. Als 1637 die Habsburger im Reich wieder einmal in der Defensive waren, nutze er die Gelegenheit, um einen neuen Vertrag zustande zu bringen, in dem Ferdinand ihm schließlich Unterstützung für seine Bemühungen zusagte, den schwedischen Thron zurückzugewinnen. Im Falle eines Mißerfolgs, würde er der Einrichtung eines erblichen - nicht als habsburgisches Lehen gedachten - Fürstentums der Wasa in den Ländern zustimmen, die in einem künftigen österreichisch-türkischen Krieg von den Osmanen erbeutet werden sollten. Im Gegenzug sicherte Ladislaus den Habsburgern Anwartschaftsrechte für Schweden zu, falls die männliche Linie der Wasa aussterben sollte. [27]
Der Vertrag von 1637 wurde von den Habsburgern nicht begrüßt. Das Zugeständnis, Ladislaus bei seinem Versuch, auf den schwedischen Thron zu gelangen, zu unterstüten, würde bei allen Friedensgesprächen mit Schweden ein Hindernis sein, während die Vereinbarung, für den Verzicht auf den Anspruch auf Schweden eine Kompensation zur Verfügung zu stellen, den Druck erzeugen könnte, einen Teil der habsburgischen Erblande an die polnischen Wasa abzutreten. [28] Dennoch hatte der Kaiser unter den militärischen und politischen Umständen der späten 1630er Jahre kaum Möglichkeiten, sich mit diesem Dilemma zu befassen. So war es einmal mehr Ladislaus, der enttäuscht werden sollte. Seinem erneuten Versuch, Ende 1637 eine baltische Flotte ins Leben zu rufen, begegnete Danzig mit Widerstand und Ferdinand III. mit Gleichgültigkeit, während sein Beharren auf einer Zusammenkunft mit Ferdinand in Nikolsburg im Oktober 1638 zu einer diplomatischen Katastrophe großen Ausmaßes führte. [29]
Die Zusammenkunft in Nikolsburg markiert den Beginn einer Abkehr vom Bund, der seit 1613 eine zentrale Rolle in der Außenpolitik der Wasa gespielt hatte. Der Vertrag von 1637 gab Ferdinand III. eine hervorragende Begründung, um Ladislaus von jeglicher Rolle in Friedensgesprächen auszuschließen, weil ansonsten die Verhandlungen mit Schweden extrem verkompliziert worden wären. Solange die polnischen Wasa mit Abfällen vom Habsburger Tisch abgespeist wurden, erhielten sie nichts Nahrhaftes. [30] Erst im Mai 1645, während der Krise nach Jankau, erzwang Ladislaus schließlich ein Zugeständnis. Indem er erneut die Frage der unbezahlten Mitgiften von Anna, Konstanze und Cäcilie Renate aufwarf, erlangte er Ferdinands Zustimmung, daß die Herzogtümer Oppeln und Ratibor für fünfzig Jahre an seinen Sohn Sigismund Kasimir verpfändet werden; er schaffte es jedoch nicht, sie dauerhaft in seinen Besitz zu bringen. Und selbst was er erreichte, gelang ihm nur mit Mühe: Ladislaus mußte einem beträchtlichen Darlehen zustimmen und sich mit einer Klausel einverstanden erklären, die besagte, daß die Herzogtümer niemals von einem regierenden König Polen-Litauens beherrscht werden sollen. [31]
Dies war eine geringe Belohnung für die über dreißig Jahre währende Unterstützung der Habsburger, und nachdem es auch noch Schwierigkeiten bei der Inkraftsetzung der Vereinbarung gab, distanzierte sich Ladislaus ostentativ von seinem Schwager. Im März 1646 heiratete er die am französischen Hof aufgezogene Louise Marie Gonzaga und sicherte Frankreich das Recht zu, in Polen-Litauen Soldaten zu rekrutieren. Mazarins Versprechen, auf Ladislaus' Bitte hin bei den Verhandlungen in Westfalen zu vermitteln, war wertlos, da wenig Chancen bestanden, daß die Habsburger zustimmen würden. Die großen Hoffnungen, die durch die ersten beiden siegreichen Jahre seiner Regentschaft geweckt worden waren, hatten sich längst zerschlagen. Ladislaus wandte sich von Westeuropa ab und beschäftigte sich in seinen letzten beiden Lebensjahren mit großangelegten, aber verfrühten Plänen für einen Krieg mit der Türkei.
Der langwährende Bund zwischen Habsburg und Wasa erwies sich als eine Vernunftehe, aus der jede Seite nur geringen Nutzen zog. Man sollte jedoch die Politik der polnischen Wasa nicht mit der Politik der Union gleichsetzen. Seit 1574 war die Formulierung und Handhabung der Außenpolitik ausdrücklich eine Angelegenheit der Union als Ganze. Obwohl der König mit der Leitung der Regierung beauftragt war, konnte er ohne die Erlaubnis des Sejm oder der Senatsversammlung, die zwischen den Sitzungen des Sejm sicherstellen sollte, daß der König den Gesetzen Folge leistete, keine Botschafter entsenden oder empfangen, Krieg erklären oder Frieden schließen. Sein Handlungsspielraum hatte auch ganz praktische Grenzen. Der Sejm bewilligte Steuergelder nur von einer Sitzung bis zur nächsten, zum einen, weil er auf einer sorgfältigen Prüfung der zurückliegenden Politik des Königs bestand, um sicherzustellen, daß alle von ihm bewilligten Gelder auch in seinem Sinne ausgegeben wurden, zum anderen, weil er auf einer genauen Beurteilung der zukünftigen Pläne des Königs beharrte.
Nichtsdestoweniger ignorierten oder umgingen die Monarchen häufig die gesetzlichen Beschränkungen ihrer Machtbefugnisse, indem sie ihre eigenen, persönlichen Unterhändler entsandten und Außenpolitik mit Unterstützung königstreuer Senatoren hinter dem Rücken des Sejm betrieben. Diese Praxis hatte bereits unter Bathory zu Spannungen geführt; unter den Wasa führte sie zu einem offenen und erbitterten Konflikt. Zwar konnte die Legitimität von Sigismunds Streben nach seinem schwedischen Erbe kaum bestritten werden, doch man wünschte sich keinen abwesenden Monarchen, und so gab es wenig Unterstützung für seine Reisen nach Schweden in den Jahren 1593/94 und 1598. Der Expansionsdrang der Union war im 16. Jahrhundert im wesentlichen ostwärts und südwärts gerichtet; der Versuch der Wasa, ihn wieder in Richtung Norden auszurichten, widersprach den Interessen vieler Magnaten, die eine Expansion nach Moldawien, der Walachei und Transsilvanien wollten und für die der Habsburger Bund höchst lästig war.
Bis 1621 schien Sigismunds Verfolgung persönlicher Interessen keine große Gefahr zu bedeuten: Die Versuche Karls IX., in Livland einzufallen, wurden mit Verachtung beiseite gefegt. Für die Verteidigung Livlands kam zunehmend Unterstützung auf, obwohl niemals genug Geld zur Verfügung stand, um richtige Garnisonen anzulegen oder wirkungsvolle Befestigungsanlagen zu bauen, und es zunehmend mehr als Last denn als Vorteil für die Union betrachtet wurde. [32] Mit dem Fall Rigas wurde Schwedens neue militärische Leistungsfähigkeit offenkundig; die Zurückeroberung Rigas würde eine bedeutende militärische Anstrengung erfordern. Den Streit mit Schweden betrachtete man jedoch weitgehend als Privatangelegenheit des Königs; dies wurde besonders deutlich, als Sigismund Angebote Gustav Adolfs ablehnte, die Eroberungen in Livland zurückzugeben, falls Sigismund im Gegenzug auf seinen Anspruch auf den schwedischen Thron verzichten würde. Obwohl nach 1626 eine Vertreibung der Schweden aus Preußen mehr und mehr unterstützt wurde, war doch die Ansicht noch verbreitet, daß die Invasion durch Sigismunds Unnachgiebigkeit provoziert wurde, und es gab wenig Rückhalt für seine ehrgeizigen Baltikum-Projekte, die weit über die bloße Verteidigung der Union hinausgingen. Die starken Streitkräfte, die 1620/21 aufgestellt wurden, um die türkische Bedrohung abzuwehren, und 1632-1634, um den Angriff Moskowiens auf Smolensk zurückzuschlagen, zeigten: Die Schlachta war immer noch in der Lage, beträchtliche Anstrengungen zu unternehmen, um die Interessen der Union zu verteidigen. Um 1635 gab jedoch die ehrgeizige Außenpolitik der Wasa der weitverbreiteten Ansicht Auftrieb, die Union solle nicht den Krieg suchen, sondern lediglich zur Selbstverteidigung bereit sein.
Überdies kamen durch Sigismunds Unterstützung für die Habsburger noch weitreichendere Streitpunkte ins Spiel. In Polen gab es große Sympathie für die böhmischen Aufständischen und ihre Verteidigung der Ständerechte, zugleich war man über Sigismunds ungesetzliche Hilfe für Ferdinand II. in den Jahren 1619/20 verärgert. Der Sejm zeigte sich wohlwollend gegenüber Annäherungen von seiten der böhmischen Aufständischen, wie etwa gegenüber einer Botschaft von den schlesischen Landständen vom November 1620, in der behauptet wurde, daß Sigismunds Vorgehen den alten Bund zwischen Böhmen, Schlesien und der Union bedrohen würde. Obwohl die königstreue Regierung die Schlesier ausmanövrieren konnte, indem man ihnen nach Schließung des Sejm auf ihr Gesuch eine kühle Antwort gab, gelang es Sigismund nicht, die offizielle Verurteilung des Lisowczyk-Feldzugs zu verhindern. Der ganze Vorfall machte die Frage unausweichlich, ob, wie Sigismund behauptete, internationale Abkommen zwischen Monarchen geschlossen werden oder, wie seine Kritiker meinten, zwischen Völkern, wie sie in ihren Ständen repräsentiert werden. [33]
Der schärfste Angriff auf Sigismunds prohabsburgische Politik kam in Gestalt einer gepfefferten Streitschrift des oppositionellen Magnaten Jerzy Zbaraski, die 70 Argumente dafür anführte, eine Verwicklung in den Böhmischen Aufstand zu vermeiden. [34] Obwohl Zbaraski Katholik war, betonte er seine Unterstützung für die protestantischen Aufständischen und verdeutlichte die politische Qualität seiner Einwände, indem er die Jesuiten angriff und zugleich behauptete, daß den Interessen der katholischen Kirche in der Union am besten gedient sei, wenn man neutral bleibe. [35] Er erinnerte daran, daß die böhmischen Stände Rudolf II. an seinen Versuchen gehindert hatten, Erzherzog Maximilian in den Jahren 1587/88 zur Hilfe zu kommen, und daß der Widerstand der Ungarn und Böhmen gegen Habsburg vollkommen gerechtfertigt sei: "inn deme sie ihnen alle Freyheiten und Leges fundamentales [...] verdrucken, und auß einem frey? Wahl Königreich ein Erbland machen wollen". [36]
Diese Attacke verfehlte ihr Ziel nicht. Das Recht der freien Wahl wurde seit langem als die wirkungsvollste Garantie für die Privilegien der Schlachta angesehen, und man erinnerte sich sehr gut an Sigismunds Überlegungen, zugunsten der Habsburger abzudanken, und an seinen Einsatz für die ungesetzliche Wahl Ladislaus' vivente rege. Die skrupellose Niederschlagung des Böhmischen Aufstands und die folgende Umgestaltung des politischen Systems in Böhmen - wie sie von zahlreichen Aufständischen, die in den 1620er Jahren nach Polen flohen, detailliert beschrieben wurden - bestätigten viele Polen nur noch in ihrer Überzeugung, daß die Habsburger engagierte Befürworter des absolutum dominium waren und verdeutlichte ihnen die Brüchigkeit konstitutioneller Sicherungen gegen königliche Macht.
In den 1620er Jahren kam der Wendepunkt in der Beziehung zwischen Monarchie und Union. Sigismunds Eingreifen in den Böhmischen Aufstand sowie sein Versuch, Habsburgs Unterstützung für seine antischwedische Politik zu gewinnen, brachten einen Konflikt zum Ausbruch, der im Gemeinwesen seit langem untergründig schwelte. Mit zunehmender Sorge beobachtete man, daß die komplizierten, seit 1574 installierten konstitutionellen Sicherungen Sigismund nicht davon abhalten konnten, seine eigene Außenpolitik zu betreiben. Als Sigismund 1629 die Verstärkungstruppen Wallensteins ohne Zustimmung des Sejm illegal nach Preußen durchziehen ließ, schien dies vielen Beobachtern als unheilvolles Indiz. [37] Wenn auch die Verteidigung des Herzogtums Preußen bei weitem mehr Zustimmung hervorrief als dies bei Livland der Fall war, so sorgte das Mißtrauen gegenüber Sigismunds Plänen dafür, daß die Verhandlungsführer der Union bereit waren, den Frieden von Altmark trotz hoher Kosten zu erkaufen.
Nach 1629 zeigte der Widerstand oder die Gleichgültigkeit gegenüber ihren Plänen, daß die Wasa nicht in der Lage waren, in den Dreißigjährigen Krieg einzugreifen oder auch nur aus den Schwierigkeiten der österreichischen Habsburger eigenen Vorteil zu ziehen, und so wurden sie von den führenden Mächten mehr und mehr als Faktor außer acht gelassen. Schwedens Bündnis mit Frankreich fesselte jedoch Ladislaus fest an den unbefriedigenden Habsburger Bund. Die Tatsache, daß Ladislaus das Abkommen von 1637 ausdrücklich als König von Schweden unterzeichnete, ohne seine polnischen Titel zu erwähnen, veranschaulichte die Sackgasse, in die das Herrscherhaus sich verrannt hatte. Als König von Schweden hatte Ladislaus überhaupt keinen Einfluß; als König von Polen-Litauen hatte er durch die Politik seines Herrscherhauses gründlich den Einfluß verspielt, den er andernfalls hätte haben können. All dies war für ausländische Mächte nur zu offensichtlich, die bereits zu lernen begannen, wie sie auf die Meinung in der Union Einfluß nehmen konnten, um ihre eigenen Ziele zu erreichen oder um diejenigen politischen Ziele des König zu durchkreuzen, die sie nicht billigten.
Es ist deshalb auch kaum überraschend, daß die Staatsmänner in Westfalen Polen-Litauen wenig Aufmerksamkeit schenkten. Dieses Versäumnis jedoch sollte das ganze 1648 so sorgfältig konstruierte Gebäude in Gefahr bringen. Der schnelle Zusammenbruch des polnischen Widerstands gegen die schwedische Invasion im Jahre 1655 brachte die erneute Aussicht auf einen Krieg gegen Schweden mit sich, als die Kaisernachfolge für die Habsburger umstritten war. Zwischen 1658 und 1660 erhielt Polen-Litauen endlich militärische Unterstützung von den österreichischen Habsburgern, aber diese kam nur langsam in Gang, und das halbherzige Engagement der Österreicher, die eine Ausweitung des Konflikts auf das Reich unbedingt zu verhindern suchten, verstärkte nur noch die antihabsburgische Stimmung. Leopold I. konnte einen Neubeginn des Dreißigjährigen Krieges verhindern, und der Westfälische Frieden bestand seine erste große Bewährungsprobe, die Kosten für die habsburgisch-polnischen Beziehungen jedoch waren hoch.
Die großen Konflikte West- und Nordosteuropas waren schließlich, trotz des hohen Grades von Überschneidungen, getrennt geblieben. Wenn es richtig ist, daß die im Westfälischen Frieden vollzogene Gründung eines nicht-expansionistischen Heiligen Römischen Reiches im Herzen Europas für die Zukunft der internationalen Beziehungen von fundamentaler Bedeutung war [38] , dann ist es gleichwohl ebenso wichtig zu betonen, daß die Konsolidierung des neuen internationalen Systems nach 1648 nur möglich war, weil auch die Union zu einer nicht-expansionistischen Macht geworden war. Dies war neu: Polen-Litauen war seit 1558 in beträchtlichem Maße expandiert, seine Grenzen hatten allerdings schon 1619 ihren größten Umfang erreicht. Die Ablehnung von Angriffskriegen in den Jahren 1619 bis 1648 mußte bedeutende Folgen haben. Mit der Weigerung, im Ausland zu kämpfen, entfiel ein Weg, langfristige militärische Anstrengungen zu unternehmen, während durch die Unfähigkeit des politischen Systems, die Außenpolitik des König anders zu kontrollieren, als ihm die Mittel für Aggressionen zu verweigern, der Union ein geschlossenes Verteidigungssystem entzogen wurde, was nach 1654 in grausamer Weise deutlich wurde. Obwohl sich die Union schließlich zusammenraffte, um die Invasoren zu vertreiben, war der Frieden von Oliva, der den zweiten Nordischen Krieg beendete und für die endgültige Aufgabe des polnischen Anspruchs auf den schwedischen Thron sorgte, lediglich ein internationales Abkommen. Es gab keine Vereinbarung in der Art des Westfälischen Friedens für die Beilegung der inneren Probleme der Union. Dies sollte für die folgende Geschichte Europas ebenso bedeutsam sein wie die erfolgreiche Neuordnung des Reiches im Jahre 1648.
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