VI. DER FRIEDE UND EUROPA
Ausbruch und außergewöhnliche Länge des Krieges waren vor allem die Folge des alles mitreißenden konfessionellen Gegensatzes gewesen. Daher war die große Mehrzahl der politischen Machthaber 1648 bereit, konfessionelle Grundsatzpositionen zurückzustellen. Auch wenn mancher daran dachte, einige der Zugeständnisse später revidieren zu können, war der Religionskrieg fortan keine Option mehr: Künftige Konflikte wurden um politischer Gründe willen begonnen und beendet, das Politische säkularisierte sich und wies dem Ideell-Religiösen einen gesonderten Platz zu, so daß es nicht mehr prägend für das Zusammenleben der Völker war. Das Völkerrecht der Zukunft war ein überkonfessionelles, und es war auch auf außerchristliche Potentaten anwendbar.
Die letzten Jahre der Friedensverhandlungen und die erste Friedenszeit brachten in vielen europäischen Staaten Umwälzungen, bereits 1640 in Portugal und Katalonien, 1647 in Neapel durch den Aufstand des Masaniello. 1648 brach in Frankreich die Fronde aus, der wohl schwerste Angriff der Stände auf die königliche Gewalt. Die Vereinigten Niederlande sahen 1650 den fehlgeschlagenen militärischen Angriff ihres Statthalters Wilhelm II. von Oranien auf die Stadt Amsterdam, wenig später dann den plötzlichen Tod des Prinzen. Da dessen einziger Sohn noch ein Säugling war, konnte sich die Republik für mehr als zwei Jahrzehnte als Ständestaat organisieren. Amsterdam errichtete ein neues Rathaus, das gleichermaßen Tempel des Friedens und der republikanischen Identität war wie Monument seiner Weltgeltung in Handel und Verkehr. Historische Gemäldezyklen im Gebäude spiegeln die Befreiung der Niederlande.
Auf den Westfälischen Frieden folgte keine Phase dauerhafter Waffenruhe für Europa. Trotz der inneren Unruhen setzten Frankreich und Spanien ihren Krieg gegeneinander fort. Erst 1659 siegte Frankreich im Pyrenäenfrieden. Ein Jahr später endete auch der "Nordische Krieg" zwischen Schweden und Polen (1655-1660) durch den Frieden von Oliva. Spätere Friedenskongresse griffen allerdings auf die Verfahrensweise des Verhandelns in Münster und Osnabrück mehrfach zurück. Die Verhandlungspartner bekräftigten zudem das System des Westfälischen Friedens als Grundordnung für das Zusammenleben der Völker in Europa, zuletzt im Frieden von Teschen 1779. Die Bilder der Friedensschlüsse dokumentieren die neue Bedeutung der Diplomatie.
"Minerva schützt Pax vor Mars" - das Thema der großen Allegorie, die Peter Paul Rubens während seiner Tätigkeit als Friedensdiplomat 1629/30 malte, ist programmatisch für das Bild des Friedens in der Epoche. Mit Figuren der Mythologie und Personifikationen abstrakter Begriffe ließen sich Allegorien zusammenstellen, in denen sich auch die Segnungen des Friedens, Wohlstand und Lebensfreude entfalten. Eine Allegorie des europäischen Friedens gibt es nicht; Europa selbst erscheint nur als klagende Figur in Rubens' Gemälde "Die Folgen des Krieges". Doch kann die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und der Friedensschlüsse 1648 bis 1660 als Höhepunkt der Friedensallegorien in der europäischen Kunst gelten. Aufgabe der Kunst war es, allegorisch die Politik zu überhöhen, doch konnte sie in ihren besten Werken zugleich die humane Dimension des Friedens und den fundamentalen Gegensatz zum Krieg zum Ausdruck bringen.
J. A. / HM. K.