II. DRAMATIS PERSONAE - DIE AKTEURE VON KRIEG UND FRIEDEN
Das Bedürfnis nach Repräsentation und Selbstdarstellung kennzeichnet in den Jahrzehnten des Dreißigjährigen Krieges ein besonderes Phänomen. Die Regenten und ihre Minister hatten nicht zuletzt zur Legitimation der eigenen Politik das Interesse, eine ganz konkrete Sichtweise ihrer Person in offiziellen Bildnissen zu vermitteln. Neben dem gemalten repräsentativen Herrscherbildnis erlebte die Bildnisbüste im Barockzeitalter ihre große Blüte. Sie galt traditionell als bevorzugtes Medium zur öffentlichen Selbstdarstellung der Päpste. In zahlreichen Portraits Urbans VIII. und Innozenz’ X. erfährt die Büste durch Gian Lorenzo Bernini in der Wiedergabe eines ausgewogenen Verhältnisses von päpstlichem Herrschaftsanspruch und Erfassung menschlicher Charakteristik ihren Höhepunkt.
Als eine spezielle Form des repräsentativen Bildnisses gilt das Staatsportrait, dessen erstes Anliegen nicht die Individualität des Portraitierten ist, sondern die Darstellung einer Herrscherpersönlichkeit, die politische Macht symbolisiert und feststehende Prinzipien verkörpert. Hinter den konkreten Standards bleibt jedoch die Identität des Dargestellten bestehen. Das Portrait erfüllt einen Doppelanspruch, indem es dem Herrscher eine reale und eine ideale Existenz gibt. Nur hochrangigsten Portraitmalern des Hofes wurde die Gunst zuteil, diese wichtige Aufgabe auszuführen. Der spanisch-habsburgische Typus des repräsentativen Bildnisses in ganzer Figur erhielt seine formale Ausbildung in Darstellungen Karls V. und Philipps II. Diego Velázquez griff auf diese höfische Bildnistradition zurück, indem auch er einen klaren, strengen Aufbau wählte und entgegen der barocken Formensprache eines Rubens oder van Dyck auf jegliche Bewegung in der Pose, in der Behandlung des Stoffes oder des Hintergrundes verzichtete. Besonders auffällig sind die absolute Schlichtheit der Bildnisse, die Konzentration auf die Persönlichkeit und das bewußte Fehlen herrschaftlicher Insignien, kurz: die völlige Zurücknahme des barocken Pathos.
Konträr zum strengen spanischen Stil verläuft die Entwicklung in Frankreich, wobei dort die Sonderform des allegorischen Portraits in Darstellungen Ludwigs XIII. und Annas von Österreich besonders verbreitet war. Zur Überhöhung des Monarchen setzte Simon Vouet im Staatsportrait Ludwigs XIII. Assistenzfiguren ein, die zugleich den Machtanspruch des Monarchen verdeutlichen. Legitimiert wurde ein solcher Machtanspruch nicht selten durch militärische Siege, die häufig Anlaß für Bildnisaufträge waren und auch das ikonographische Programm dieses Typus prägten. Das Portrait Ferdinands III. reiht sich in die habsburgische Tradition der Kaiserdarstellung ein und zeigt den Herrscher in der Rolle des ritterlichen Fürsten. Ein halb aufgerollter Plan der Schlacht von Nördlingen rühmt den Dargestellten als siegreichen Feldherrn.
Im Jahr des Friedensschlusses malte Henri Testelin ein Staatsportrait des erst zehnjährigen Königs Ludwig XIV., das ihn in einer prunkvollen Inszenierung höfischer Repräsentation zeigt. Dieser Bildnistypus sollte wegweisend für den Inbegriff des absoluten Herrschers werden und im Staatsportrait Hyacinthe Rigauds seinen höchsten Ausdruck finden.
Lit. Ebenstein 1906/07, S. 183-254; Jenkins 1947; Martinelli 1955, S. 32-52; Fronung 1973; Bardon 1974, S. 53-61; Winter 1985, S. 161-211; Ahrens 1990; Kusche 1991, S. 4-35