III. DER KRIEG - REALITÄT UND BILD

Der Frankfurter Verleger Matthäus Merian veröffentlichte 1633 unter dem Titel Theatrum Europaeum, Oder/ Außführliche und Warhafftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten/ vom Jahr 1617 biß auff das Jahr 1629 einen umfangreichen und reich illustrierten Folianten über die Geschichte der ersten zehn Jahre des Krieges. Der Krieg als Theater, als eine Bühne, auf der die Akteure ihre politischen und militärischen Taten aufführen? Merians Werk hatte ungeheuren Erfolg, erlebte Fortsetzungen, Neuauflagen und wuchs bis 1652 auf sechs Bände an. Den Krieg sehen wir mit seinen Augen; seine Sichtweise spiegeln auch gemalte Schlachtansichten, so jene von Pieter Snayers.

Das Theatrum Europaeum präsentiert die handelnden Personen und Bühnenbilder, die Heldentaten und Greuel, die Schlachtpläne mit vielen Details. Dagegen gibt es kaum Auskunft über die Struktur des Krieges, sein Funktionieren, den Alltag der Soldaten und der übrigen vom Krieg betroffenen Menschen, ebensowenig über Strategie und Taktik oder gar über Wirtschaft und Finanzierung des Krieges. Das Leben der Soldaten war eine Welt für sich. Wie eine Stadt, ein Dorf, ein Kloster, eine Universität bildete die Armee einen eigenen Rechtskreis, der über die Person des Obristen und Regimentschefs nur locker an den Fürsten als Kriegsherrn angebunden war. Es war ein Personenverband aus Geworbenen vieler Völker, die aus Abenteuerlust, aber nicht selten auch aus Not das "Kriegshandwerk" betrieben. Der Obrist sorgte für Bewaffnung und Bezahlung und befahl, was die Soldaten auf Leben und Tod auszuführen hatten. Weil der Kriegsherr praktisch nie über ausreichend Geld aus regulären Steuern verfügte, mußte der Krieg die Kosten aufbringen. Wallenstein brachte das auf die Formel: "Der Krieg ernährt den Krieg". Bauern und Bürger hatten die Heere durch Quartier, Verpflegung und Geldzahlungen zu unterhalten. Die Folge war, daß große Heere vor allem dorthin zogen, wo sie aus dem Lande versorgt werden konnten.

In Fachbüchern wurde die "Kunst des Krieges" gelehrt, über Taktik und Drill, Festungsbau, Artillerie- und Belagerungswesen geschrieben. Zunächst dominierte die spanische Kriegstaktik, vom Heer der Liga unter ihrem General Tilly mit Meisterschaft praktiziert, bis der Schwedenkönig Gustav Adolf dessen Heer bei Breitenfeld 1631 vernichtend schlug. Die Schweden profitierten von Reformen, die in den Niederlanden durch die Prinzen von Nassau-Oranien seit etwa 1600 entwickelt worden waren ("oranische Heeresreform"): Verbesserter Drill mit Piken und Musketen hatte die Feuerkraft erhöht, und eine bewegliche Feldartillerie erwies sich als gefährliche Waffe gegen die großen, über 1.000 Mann starken Haufen ("Tercios") der Spanier.

Merian verwertete und kopierte in seinem Werk Flugschriften und Bildflugblätter. Vielfach unterschätzt ist die Bedeutung dieser Propaganda, die das "Image" einer Armee bestimmte. Der Erfolg von Werbungen war entscheidend abhängig von dem Ruf eines Heerführers und Obristen - ob man ihm eben Erfolg zutraute: egal, ob Tilly, Wallenstein oder Gustav Adolf, der in kürzester Zeit 1631/32 sein Heer vervielfachte und zu einer Ikone der Protestanten wurde. Legendär war der bayerische General und Reiterführer Jan von Werth; er personalisiert die Aufstiegsmöglichkeiten, die sich theoretisch jedem Soldaten boten.

Erwarben die Heerführer oft unermeßlichen Reichtum, konnten die einfachen Soldaten ohne Löhnung ihr Überleben oft nur notdürftig sichern. Entscheidend dafür war der Troß, der das Heer versorgte: Frauen, die die Mahlzeiten für die Männer und ihre Kinder zubereiteten, und Marktenderinnen, die mit allem Lebensnotwendigen, auch mit Beutegut, handelten. Die Armee funktionierte nach eigenen Regeln und mußte Versorgungsaufgaben lösen, dargestellt in S. Vrancx’ Bild des belagerten Ostende. Aus dem moralischen Blickwinkel der Maler war es eine Gesellschaft der Gewalt, der Unmoral, der Faulheit und aller Untugenden. G. D.

Lit. Langer 1978, S. 61-102, 127-185; Schormann 1993, S. 85-111; Burkhardt 1992, S. 213-225; vgl. die Beiträge von Kroener und Langer in Bd. II dieses Katalogs.

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III.1. Die Waffenkammer


Gezeigt werden Infanteriewaffen aus der Rüstkammer der Stadt Emden: Piken, Pikenierharnische und -helme ebenso wie Musketen mit ihrem Zubehör. Ein Fußvolkhaufen von 300 Söldnern umfaßte um 1620 etwa 130 Pikeniere, die die rund 170 Musketiere gegen Reiterangriffe schützen konnten. Die schweren Reiter sollten im Gefecht den Feind in die Flucht schlagen. Sie waren mit dem "Kürisser" vom Kopf bis zu den Knien gepanzert; erst nach 1630 setzte sich eine leichte, auf Helm, Brust- und Rückenpanzer beschränkte Schutzrüstung durch, während der Reiterharnisch oft nur noch Prunkrüstung der Offiziere war. Die Artillerie galt noch als Handwerk. Festungs- und Belagerungsartillerie werden hier mit einer Hakenbüchse, einem Mörser und Munition veranschaulicht.

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III.2. Das Schlachtfeld


[ohne Text]

III.3. Der Feldherr und seine Soldaten


Höhepunkt der ersten Kriegsjahre war die Schlacht am Weißen Berg bei Prag (8. November 1620), in der der Kaiser und seine Verbündeten triumphierten. Herrscher und Feldherren ließen solche Siege in großformatigen Gemälden festhalten. Diese Schlachtendarstellungen schildern die militärische Situation, die Art der Kriegführung wurde bis in zahlreiche Details festgehalten. Da die Künstler zumeist nicht Augenzeugen waren, mußten sie den Verlauf der Schlacht anhand schriftlicher Berichte oder überlieferter Kupferstiche nachvollziehen. Die oft in Galerien gezeigten Schlachtenbilder dienten der militärischen Dokumentation, aber auch dem Ruhme der Feldherren und Fürsten.

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III.4.


Um den Krieg zu finanzieren, verschlechterten manche Fürsten gleich zu Beginn den Edelmetallgehalt der Münzen. Das bedeutete die Inflation der Kipper und Wipper, die erst um 1622/23 ein Ende fand. Danach wurde Geld für die Heeresfinanzierung zunehmend durch Sondersteuern ("Kontributionen") aufgebracht, die eigens ernannte "Kommissare" im Auftrag der Heerführer von Ländern und Städten erhoben. Wallenstein perfektionierte diese Methode im Zuge seiner Philosophie "der Krieg ernährt den Krieg". Schutzbriefe (Salvaguardien) mußten ebenfalls teuer erkauft werden. Die Schweden schufen in den eroberten Gebieten eine eigene Militärverwaltung, erhoben Zölle und Steuern. Einzelne Heerführer erhielten sogar durch "Donationen" ganze Territorien zur Verwaltung überwiesen, vielfach geistliche Fürstentümer.

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III.5.


Schon im 16. Jahrhundert war die Kriegführung verwissenschaftlicht worden. Zahlreiche Traktate behandelten das Exerzieren, die Ausrüstung, das Verhalten im Gefecht, das Befestigungswesen, die Artillerie und das Vorgehen bei Belagerungen. Für die Gefechtstaktik waren die Neuerungen der "oranischen Heeresreform" maßgeblich. Kleinere, gut gedrillte und schlagkräftige Einheiten zeigten sich auf Dauer den großen, schwerfälligen Haufen der spanischen "Tercios" überlegen. Hinzu kam die Entwicklung einer leistungsfähigen Feldartillerie, vor allem durch die Schweden. Von zunehmender Bedeutung im Verlauf des Krieges war der Besitz von Städten und Festungen, von denen aus sich das Umland kontrollieren und auch finanziell nutzen ließ. Der Belagerungskrieg beherrschte immer mehr das Kriegsgeschehen.

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III.6. Feldschlacht und Propaganda


Große Feldschlachten wie Breitenfeld mit 70.000 Kombattanten fanden eher selten statt; wenn irgend möglich vermied man sie, um das "Kapital", die Soldaten, nicht unnötig aufs Spiel zu setzen. So bestand die Feldherrnkunst darin, den Gegner geschickt auszumanövrieren. Eine gewonnene Schlacht gab dem Sieger Anlaß zu einer hochfliegenden Propaganda: Berichte, Flugblätter, Stiche, aber auch Theaterstücke und Gemälde sollten die eigene Position in der Öffentlichkeit stärken, die des Gegners dagegen diffamieren. Umgekehrt diente die Propaganda der Verlierer der "Schadensbegrenzung", um sich Bündnispartner weiterhin gewogen zu halten.

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III.7. Die militärische Gesellschaft


Mit den großen Armeen bildete sich neben der städtischen und höfischen eine dritte Gesellschaftsform aus: die militärische Gesellschaft mit eigener Geistlichkeit, Gerichtsbarkeit und eigenem Verhaltenskodex. Vor allem die Aufstiegschancen über alle Standesschranken hinweg machten das Militär für viele attraktiv. Nur noch weniges zeugt heute vom täglichen Leben der Soldaten jenseits des Kampfgetümmels. Am ehesten noch finden wir Szenen aus dem Soldatenleben auf Gemälden. Viele dieser Bilder zeigen aber deutlich, daß sie von den moralischen Vorurteilen der Maler geprägt sind.

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III.8. Der Einzug des Kardinalinfanten Ferdinand in Antwerpen 1635 (Pompa Introitus Ferdinandi)


Antwerpen ehrte 1635 den neuen Statthalter der südlichen Niederlande, den Kardinalinfanten Ferdinand, mit einem feierlichen Einzug: Peter Paul Rubens entwarf fünf bis zu 22 Meter hohe Triumphbögen, vier Bühnen und einen Portikus für den "Pompa Introitus Ferdinandi", die aus Holz und Pappmaché gefertigt und prächtig bemalt worden waren. Doch ging es nicht nur um Gemälde und Statuen der prunkvollen Festdekorationen zum Lob des Fürsten, sondern dem Statthalter sollte auch und vor allem die Friedenssehnsucht der Stadt vor Augen treten. So verdeutlicht ein Großteil des bildlichen Schmuckes die berechtigten Hoffnungen auf den Sieger von Nördlingen als Friedensbringer und damit als Garanten für eine neue wirtschaftliche Blüte der einstmals florierenden Handelsstadt.

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III.9. Höfische Pracht - Feldherren als Kriegsgewinnler


Feldherren und Kriegsunternehmer wie Wallenstein, Wrangel und Friedrich Heinrich von Nassau-Oranien entwickelten durch ihre militärischen Erfolge ein gesteigertes Repräsentationsbedürfnis, das sich im Bau großzügiger Paläste und intensiver Kunstsammeltätigkeit äußerte und durchaus auf Konkurrenz zu den geborenen Königen und Fürsten angelegt war. Diese Ambitionen waren aber zugleich auch Motivation für die dauernde Fortsetzung des Krieges. Im Zentrum der barocken Sammeltätigkeit stand die Kunstkammer, in der die gekauften, geschenkten oder erbeuteten Pretiosen einen Mikrokosmos als Abbild der Weltordnung darstellten.

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III.10. Bataillen - der malerische Krieg


Während sich die Konflikte in Europa zuspitzten, formulierten die Maler gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des 17. Jahrhunderts das Schlachtenthema neu. Sie befreiten sich von dem konkreten Ereignis und konzentrierten sich auf den malerischen Reiz des Kampfes. Neben die traditionell ereignisbezogene Schlachtenmalerei tritt so ein neuer Typus. Dennoch sind auch in diesen Schlachtenszenen Parteilichkeiten oder metaphysische Botschaften erkennbar. Seine drastischste Ausprägung findet das Thema in den Darstellungen der Toten und Verwundeten. Fast, als wollten sie eine Gegenwelt zu dieser Realität schaffen, widmeten sich Künstler, die aus den Kriegsgebieten geflohen waren, den Visionen einer friedlichen Welt: die pastorale Landschaft als utopische Zuflucht, der biblische Triumph als Verheißung des durch Gott geschenkten Sieges.

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