III. DER KRIEG - REALITÄT UND BILD
Das Theatrum Europaeum präsentiert die handelnden Personen und Bühnenbilder, die Heldentaten und Greuel, die Schlachtpläne mit vielen Details. Dagegen gibt es kaum Auskunft über die Struktur des Krieges, sein Funktionieren, den Alltag der Soldaten und der übrigen vom Krieg betroffenen Menschen, ebensowenig über Strategie und Taktik oder gar über Wirtschaft und Finanzierung des Krieges. Das Leben der Soldaten war eine Welt für sich. Wie eine Stadt, ein Dorf, ein Kloster, eine Universität bildete die Armee einen eigenen Rechtskreis, der über die Person des Obristen und Regimentschefs nur locker an den Fürsten als Kriegsherrn angebunden war. Es war ein Personenverband aus Geworbenen vieler Völker, die aus Abenteuerlust, aber nicht selten auch aus Not das "Kriegshandwerk" betrieben. Der Obrist sorgte für Bewaffnung und Bezahlung und befahl, was die Soldaten auf Leben und Tod auszuführen hatten. Weil der Kriegsherr praktisch nie über ausreichend Geld aus regulären Steuern verfügte, mußte der Krieg die Kosten aufbringen. Wallenstein brachte das auf die Formel: "Der Krieg ernährt den Krieg". Bauern und Bürger hatten die Heere durch Quartier, Verpflegung und Geldzahlungen zu unterhalten. Die Folge war, daß große Heere vor allem dorthin zogen, wo sie aus dem Lande versorgt werden konnten.
In Fachbüchern wurde die "Kunst des Krieges" gelehrt, über Taktik und Drill, Festungsbau, Artillerie- und Belagerungswesen geschrieben. Zunächst dominierte die spanische Kriegstaktik, vom Heer der Liga unter ihrem General Tilly mit Meisterschaft praktiziert, bis der Schwedenkönig Gustav Adolf dessen Heer bei Breitenfeld 1631 vernichtend schlug. Die Schweden profitierten von Reformen, die in den Niederlanden durch die Prinzen von Nassau-Oranien seit etwa 1600 entwickelt worden waren ("oranische Heeresreform"): Verbesserter Drill mit Piken und Musketen hatte die Feuerkraft erhöht, und eine bewegliche Feldartillerie erwies sich als gefährliche Waffe gegen die großen, über 1.000 Mann starken Haufen ("Tercios") der Spanier.
Merian verwertete und kopierte in seinem Werk Flugschriften und Bildflugblätter. Vielfach unterschätzt ist die Bedeutung dieser Propaganda, die das "Image" einer Armee bestimmte. Der Erfolg von Werbungen war entscheidend abhängig von dem Ruf eines Heerführers und Obristen - ob man ihm eben Erfolg zutraute: egal, ob Tilly, Wallenstein oder Gustav Adolf, der in kürzester Zeit 1631/32 sein Heer vervielfachte und zu einer Ikone der Protestanten wurde. Legendär war der bayerische General und Reiterführer Jan von Werth; er personalisiert die Aufstiegsmöglichkeiten, die sich theoretisch jedem Soldaten boten.
Erwarben die Heerführer oft unermeßlichen Reichtum, konnten die einfachen Soldaten ohne Löhnung ihr Überleben oft nur notdürftig sichern. Entscheidend dafür war der Troß, der das Heer versorgte: Frauen, die die Mahlzeiten für die Männer und ihre Kinder zubereiteten, und Marktenderinnen, die mit allem Lebensnotwendigen, auch mit Beutegut, handelten. Die Armee funktionierte nach eigenen Regeln und mußte Versorgungsaufgaben lösen, dargestellt in S. Vrancx’ Bild des belagerten Ostende. Aus dem moralischen Blickwinkel der Maler war es eine Gesellschaft der Gewalt, der Unmoral, der Faulheit und aller Untugenden. G. D.
Lit. Langer 1978, S. 61-102, 127-185; Schormann 1993, S. 85-111; Burkhardt 1992, S. 213-225; vgl. die Beiträge von Kroener und Langer in Bd. II dieses Katalogs.