MARC CHATELAIN und HERMANN ARNHOLD Krieg, Ruhm und klassische Ästhetik: "Les Triomphes de Louis le Juste" von Jean Valdor (Paris, 1649) |
In dieser Periode stellt Antoine de Laval Sully die Pläne für eine historische Gemäldegalerie im Louvre vor, als Reaktion auf die mythologischen Ausschweifungen der italienischen oder in italienischer Manier malenden Künstler, die zuvor in Fontainebleau tätig waren [1] und deren Arbeit bereits die Kritik vorausnahm, die Félibien später gegen Rubens richten sollte. Er warf Rubens vor, in der Galerie des Palais du Luxembourg Legende und Geschichte, mythologische Fiktion und faktische Wahrheit vermischt zu haben. [2] Wie man weiß, erhielt Laval nicht recht; ebenfalls weiß man, daß Jahre später das historische Programm, das der Staatsrat Le Brun für die Spiegelgalerie in Versailles auferlegt hatte, verwirklicht wurde, obwohl der Maler zunächst vorhatte, die Tugenden des Königs in einer mythologischen Darstellung zu rühmen, und zwar in einem den Werken des Herkules gewidmeten Gemäldezyklus. [3] Im 17. Jahrhundert standen so die verschiedensten Möglichkeiten offen: auf der einen Seite die mythologische Betrachtungsweise, die zwar den Vorwurf der Nichtigkeit hinnehmen mußte, aber auf die Bedeutung und das Prestige einer langen Tradition und ruhmreicher Modelle zurückblicken konnte, vor allem aber den Vorteil besaß, dank der allegorischen Natur ihrer Figuren die Lobpreisung auf eine allgemeingültige Ebene zu heben [4]; auf der anderen Seite die geschichtliche Darstellung, in der die Verherrlichung sich ausschließlich auf die Wahrheit der berichteten Geschehnisse stützt ("Ornari res ipsa negat, contenta doceri", wie Laval schreibt [5]) und so eine besondere Kraft erlangt, dafür aber den Nachteil hat, die Zufälligkeit der Ereignisse zu unterstreichen, welcher die menschliche Geschichte unterworfen ist.
I. Jean Valdors Idee eines Buches als posthumes Herrscherlob Ludwigs XIII.
Zwischen dem ersten Stadium des Projekts und der endgültigen Veröffentlichung im Jahre 1649 haben zwar einige Änderungen stattgefunden, doch betreffen diese nicht die Qualität des Lobes, sondern dessen Umfang: Ursprünglich beschränkte sich Valdor nicht auf die kriegerischen Handlungen des Herrschers. Die Liste der erinnerungswürdigen Ereignisse, die dem Gesuch an Anne d'Autriche beigefügt war, enthält insbesondere die Königsweihe und die Krönung, den feierlichen Einzug des Königs in Bordeaux im Jahre 1615, seine Hochzeit und die darauf folgenden Festlichkeiten oder auch die Ernennung neuer Ritter des Heiligen Geistes im Jahre 1620. [7] Diese bedeutenden Episoden des Zivillebens verschwanden schließlich in dem 1649 veröffentlichten Buch, das nur dem kriegerischen Heldentum des Königs gewidmet war: Was in dem Brief an Anne d'Autriche noch den Titel "La Vie de Louis XIII dit le Juste" trug, wurde 1649 zu Les Triomphes de Louis le Juste. Die ersten zehn Herrschaftsjahre wurden ganz weggelassen. Valdor hielt eine streng chronologische Reihenfolge ein und begann sein Werk mit der Darstellung des 1620 geführten Feldzugs, der die Stadt Caen wieder in die Befehlsgewalt des Königs bringen sollte. Nach einer langwierigen Vorbereitungsarbeit, die "sechs ganze Jahre" dauerte, wenn man den Angaben Valdors Glauben schenkt [8], wurde das Buch zweifellos recht überstürzt veröffentlicht. Im Königreich hatten mittlerweile die Jahre der Fronde begonnen, und die damit einhergehenden Unruhen bedrohten natürlich die Weiterführung dieses außerordentlich teuren Unternehmens [9] - ganz zu schweigen davon, daß Valdor Mazarin Untertänigkeit geschworen hatte, und die politische Lage des letzteren 1649 äußerst heikel geworden war. [10] Dennoch läßt nichts darauf schließen, daß die friedlichen Geschehnisse der politischen Umstände wegen weggelassen wurden: Da die meisten von ihnen in die Anfänge der Herrschaft fallen, wären die Stiche, die diese Ereignisse hätten wiedergeben sollen, sicher zuerst fertiggestellt worden. Wahrscheinlicher ist, daß die Gestaltung des Buches selbst umgeplant worden ist: Valdor hat sich wohl bewußt auf das Thema Krieg konzentrieren und die Wirklichkeit des Krieges zum Hintergrund für die Verklärung des Herrschers zum Helden machen wollen. Dies ging nicht ab ohne einige Übertreibung, denn das militärische Leben Ludwigs XIII. war zwar ereignisreich, aber mehr durch Spazierritte und Kurzangriffe als durch entscheidende Gefechte und großartige Schlachten gekennzeichnet.
Jean Valdor, bekannt als in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Paris arbeitender Kupferstecher, war zugleich Künstler und Geschäftsmann. Der 1616 in Lüttich geborene Flame erhielt höchstwahrscheinlich seine erste Ausbildung von seinem Vater, der selbst Kupferstecher war. 1637 zog er nach Rom [11], wo er in der Umgebung von Andrea Sacchi arbeitete, also genau da, wo unter der Schutzherrschaft der Barberini die klassische Ästhetik des Grand Siècle entstand. Er verließ Rom schon 1640, und 1642 war er wieder in Paris tätig, wo er eine Laufbahn antrat, die alle Zeichen des Erfolges aufwies. Insbesondere erreichte er bereits 1645, daß der König ihm eine der Wohnungen überließ, die er in den Galerien des Louvre für in seinem Dienst stehende Künstler bereithielt. Valdor war auch in anderen Bereichen aktiv: Er betätigte sich nicht nur als Stecher und Graphik-Verleger, sondern handelte auch in recht beachtlichem Ausmaß mit Kunst und nutzte dabei seine Beziehungen zu Flandern. Zugleich diente er dem Kurfürsten von Lüttich als diplomatischer Agent. [12] So bekannt seine bevorzugte soziale Stellung ist, so wenig weiß man über die Entstehungsgeschichte seines Werkes: Fast nichts steht mit Sicherheit fest. Das wenige, was man über das Werk Valdors weiß, ist das, was Mariette über ihn berichtet hat: "Dieser Valdor gab sich als Maler aus und malte nicht; er fing Arbeiten an und ließ sie dann von geschickten, ihm ergebenen Leuten ausführen. Er rühmte sich, Kenner zu sein; wahrscheinlich war er ein zünftiger Kunsthändler; sprachgewandt wie Mitridate". [13] Kurz, Valdor sei ein Hochstapler und ein Scharlatan gewesen, dessen einziges Talent darin bestanden habe, daß er seine Mittelmäßigkeit mit Hilfe seiner guten Beziehungen zu den Künstlerkreisen und seiner breiten Sprachkenntnisse zu verbergen wußte. [14] Mariettes hartes Urteil gilt auch für "Les Triomphes de Louis le Juste": "1649 gab er das Buch "Die Triumphe Ludwigs des Gerechten" heraus, für dessen Anfertigung er verschiedene Helfer angeheuert hatte, sowohl Zeichner als auch Stecher; er wollte aber glauben machen, das Buch sei ganz allein sein Werk und rühmte sich vor den Mächtigen damit. Nach allem, was mir zu Ohren kam, war er ein Intrigant, der seine Zeit mit allem möglichen verbrachte, nur nicht mit Zeichnen". [15]
Dieses späte Urteil, das sich, wie Mariette übrigens selbst unterstreicht, auf fremde Quellen stützt, muß mit einiger Vorsicht betrachtet werden. Für jeden, der das 1649 veröffentlichte Buch auch nur flüchtig untersucht, steht jedoch fest, daß "Les Triomphes de Louis le Juste"nicht von Jean Valdor allein angefertigt wurde. Der bekannteste der "geschickten Helfer", die Valdor zu dieser Gelegenheit angestellt hat, ist Stefano Della Bella: An verschiedenen Stellen ist seine Signatur zu lesen, an anderen wiederum erkennt man seine Linienführung und die Festigkeit, die für seine Kupferstiche charakteristisch ist. [16] Nur wenige Namen anderer Stecher tauchen auf: Jean Marot, der seine Signatur auf dem Stich hinterlassen hat, der das Grab des Königs zeigt; Gabriel Ladame, dessen Signatur unter einem Stich zur Einnahme der Stadt Hesdin im Jahre 1639 zu finden ist; Louis Richer, der im Zusammenhang mit der Unterwerfung Wolfenbüttels durch den Grafen von Guébriant im Jahre 1642 eine topographische Karte unterzeichnet; schließlich René Lochon, dessen Monogramm dem Portrait des Kardinals von La Valette beigefügt ist. Untersuchungen der in dem Buch enthaltenen Stiche haben es ermöglicht, noch andere Mitarbeiter auszumachen [17]: Michel Natalis, Claude Goyrand und Samuel Bernard haben unbestreitbar an "Les Triomphes de Louis le Juste" mitgewirkt, sowie wahrscheinlich - wenn auch mit geringerer Sicherheit - Israël Silvestre, Pierre Richer, Gilles Rousselet und Pierre Daret. [18] Zu welchen Zuordnungen sie auch führen, aus den Untersuchungen geht eindeutig hervor, daß "Les Triomphes de Louis le Juste" nicht das Werk eines einzelnen ist. Nun kommt erst die eigentliche Rolle Jean Valdors zutage: Er ist zugleich derjenige, der den Anstoß zu dem Projekt gab, der "Erfinder" im alten Sinne des Wortes und Herr über eine Art großer Baustelle. Die unterschiedliche Herkunft der Beiträge führt hier und da zu Qualitätsschwankungen, ändert aber nichts an der stilistischen Einheitlichkeit, über die Valdor wohl allein wachte
II. Die Architektur des Buches als Galerie und die monarchische Ideologie
Dieser monumentale Aspekt der Struktur des Buches stellt lediglich die Grundlage dar für das sehr genau durchdachte In-Szene-Setzen des Königs. Die Verklärung des verstorbenen Königs zum Helden wird auf zwei Ebenen weiterverfolgt: Auf der einen Seite geht es darum, eine dem Bildnis des Königs würdige Bleibe zu schaffen - daher die palastartige Architektur der aufeinanderfolgenden Galerien -, zum anderen soll das Bildnis die Eigenschaften einer lebendigen Person haben, denn nur so ist es in der Lage, eine starke Bewunderung hervorzurufen. Der allgemeine Aufbau des Buches dient dieser zweiten Funktion, indem er den königlichen Helden in seiner Allmacht und Unsterblichkeit darstellt, was diesem zu einer Art wundersamer und absoluter Gegenwart verhilft. Das Gefühl der Allgegenwart wird insbesondere durch die Vielzahl der Karten im gleichbleibenden Schauplatz der dritten Galerie erreicht, ein Atlas des königlichen Ruhms. Die Vereinigung der verschiedenen Kampfplätze in einem einzigen Raum ruft unvermeidlich den Eindruck hervor, der Herrscher sei weiterhin anwesend; etwa, als sei er von nun an auf allen Schauplätzen seiner Triumphe gleichzeitig zugegen, und als sei die zeitliche Folge der Ereignisse durch die Erwähnung ihrer Geographie verwischt. Das Prinzip der Aufzählung, das in der Galerie herrscht, stellt auf symbolischer Ebene den Eindruck der Allgegenwart her, von dem die Literaturwissenschaftler gezeigt haben, daß er eine der Hauptregeln der Heroisierung der Kriegsherren im 17. Jahrhundert bildet. [25]
Was den Eindruck der Unsterblichkeit angeht, so entsteht dieser vor allem durch die Aufteilung der ersten Galerie, in der die verschiedenen "Tage" der königlichen Siege aufgezählt werden. Diese Aufzählung läßt den "Tag" wie eine unbewegliche Zeiteinheit erscheinen, wie ein Zeitkonzentrat, das derart intensiv ist, daß es die Züge der Ewigkeit annimmt [26] - einer Ewigkeit, die als Augenblick festgehalten ist. Der Aufbau des ersten Teiles stimmt demnach genau mit dem Grundsatzdogma der monarchischen Religion überein, dem zufolge der König unter den Menschen das vollkommenste Abbild Gottes ist. Es ist übrigens bemerkenswert, daß die Physiognomie des Königs von einem Bild zum anderen dieser Galerie unverändert bleibt: Das Gesicht des Königs ist immer dasselbe, weder das Alter noch die Feldzüge können ihm etwas anhaben. Lediglich die Gesten ändern sich, also das, was im Körper des Herrschers dem Willen Ausdruck gibt und nicht das, was Leidenschaft verraten könnte. Wie es später in einer Lobpreisung Ludwigs XIV. heißt, verharrt der König "inmitten der verschiedenen Bewegungen in einem unbeweglichen Ruhm" [27] und bleibt immer der gleiche. Valdors Buch übernimmt hier lediglich eine sehr alte monarchische Ideologie. Aber zum Zeitpunkt der Entstehung des Buches, d.h. in einer Periode, in der die monarchische Autorität geschwächt war, hat dies unbestreitbar zum Ziel, der Legitimität der königlichen, gottgegebenen Macht eine neue Bestätigung zu verleihen.
Die Unveränderlichkeit der Figur des Königs ist zweifellos das auffallendste Merkmal des Buches von Valdor. Zum Prinzip erhoben, hat sie insbesondere eine Darstellung des Krieges zur Folge, die paradoxerweise die Beschreibung der kriegerischen Aktion selbst meidet: Der König ist zwar ein heldenhafter Krieger, aber im Feuer des Gefechts ist er nie zu sehen. Diese Regel kennt so gut wie keine Ausnahme. "La Punition des villes rebelles" ist einer der wenigen Stiche, die unmittelbar die Wirklichkeit des Krieges darstellen: Man erkennt Kampfszenen und eine Stadt in Flammen. All dies ist jedoch in den Hintergrund verbannt, während im Vordergrund der König in der Pose des Heerführers den Angriff befiehlt. Während seine Begleiter marschierend abgebildet sind, steht der König mit beiden Füßen fest auf dem Boden und streckt beide Arme nach vorne, in der rechten Hand den Kommandostab haltend. Einerseits scheint man ihn hier also als Krieger zeigen zu wollen, andererseits deutet aber seine feierliche Haltung darauf hin, daß wir es weniger mit einem kämpfenden als mit einem strafenden König zu tun haben: Er erscheint nicht so sehr als Anführer seiner Truppen, sondern vielmehr als zürnender Herrscher. Wie schon erwähnt, sind die Stiche in "Les Triomphes de Louis le Juste" verschiedenartig und von unterschiedlicher Qualität; aber diese Verschiedenartigkeit ist nur stilistischer Art: Dahinter offenbart sich immer dieselbe, mit großer Beständigkeit verfolgte Absicht, ein Bild des Königs zu schaffen, das keine andere Bewegung als den Gestus der Herrschaft enthält.
Diese Absicht ist noch auffallender, wenn man die Stiche mit zeitgenössischen Darstellungen des Krieges vergleicht, zum Beispiel mit Rubens' Gemälde zur Schlacht von Ivry, auf dem Heinrich IV. inmitten des Kampfgewühls zu sehen ist. [28] Oder aber mit den Illustrationen Johann Wilhelm Baurs für das Buch "De bello Belgico" des Paters Famiano Strada, die das Aufeinandertreffen der Armeen zeigen, voller Bewegung und Gewalt. Ebenso aufschlußreich ist der Vergleich der Stiche in "Les Triomphes de Louis le Juste" mit den begleitenden Texten. Gleich zu Beginn der Siegesserie greift Beys auf eine etwas lautstarke Rhetorik zurück, um die Heldenhaftigkeit Ludwigs XIII. während des Caen-Feldzugs zu beschreiben: "Ne pouvant plus tenir sa vaillance cachée, / Il reconnoist le fort, visite la tranchée, / Et la vertu l'expose au tonnant appareil / Comme un aiglon s'esprouve à l'esclat du soleil." (Seine Tapferkeit kann er nicht mehr verbergen, / Er erkundet die Festung, beschaut die Gräben, / Und tugendvoll setzt er sich dem donnernden Kriegsgerät aus, / Wie der Adler dem Glanz der Sonne sich stellt.) Der Stich "La reddition de Caen" übernimmt nichts von diesem heldenhaften Gebaren: In der Mitte einer klar verständlichen Szene, auf der links die königlichen Truppen zu sehen sind (gekennzeichnet durch die senkrechte Bewegung - stehende Personen, aufgerichtete Lanzen, Bäume im Hintergrund), rechts die knienden Besiegten, schreitet majestätisch der König voran. Überschwenglich im Wort, bewußt zurückhaltend im Bild: Der Gegensatz ist ebenso groß zwischen dem Stich "La Réduction de Saint-Jean d'Angély", auf dem der König zu sehen ist, wie er eine beschwichtigende, großmütige Geste zu dem zu seinen Füßen liegenden, sich das Gesicht verhüllenden Soubise hin macht, und der Gewalt, von der in Beys' Gedicht die Rede ist: "Sich zum Angriff zweier grausamer Furien rüstend / Errichtet er hier Altäre, stellt dort Truppen auf, / Tapferkeit und Frömmigkeit sind eins, in ihm, / Hier legt er Gelübde ab, dort trägt er Waffen, / Dort vergießt er Blut, hier Tränen (...) / Wo sein Anblick allein die Rebellen nicht bannt, / Richtet er die Seinen auf mit neuer Kraft: / Salpeter und Feuer, wenn sie aufeinanderstoßen, / Öffnen eine Schneise sich und den Soldaten. / Die Adligen, erblickend die tragischen Ruinen, / Wie einen Eingang, führend zu herrlichem Prunk / Durch enge Wege sich behende vorwärtskämpfend / Bezwingen die gegnerischen Reihen; / Ihren Anführern werden die Befestigungen zum Grab, / Und endlich sinkt mit den Mauern ihr Mut." [29] Für diese Gewalttaten ist auf den Stichen kein Platz: Hier geht es im Gegenteil darum, die Macht ohne Kriegshandlung, die kriegerische Überlegenheit des Königs, aber nicht den Krieg selbst zu zeigen.
III. Die "Nicht-Darstellung" des Krieges und die Ästhetik des Attizismus
Die Übertragung des Lebens Ludwigs XIII. in die Antike liefert den Beweis, daß die geschichtliche Lobpreisung, wie sie in dem Buch Valdors zum Ausdruck kommt, keineswegs einer realistischen Darstellung der Ereignisse entspricht. Es handelt sich im Gegenteil um eine Sicht der historischen Wirklichkeit, die - indem sie diese idealisiert - der Geschichte des Königs eine moralische Wahrheit verleiht, während der reine Realismus sich mit der axiologischen Neutralität der Reportage begnügt hätte. Die an die Antike angelehnten Elemente dienen folglich dieser moralischen "Überprüfung": Sie reihen den König in die moralische Gemeinde der antiken Helden ein, die übrigens gegenüber der Gemeinde der mythologischen Götter den Vorteil hat, daß die Werte, die sie vermitteln soll, historisch belegbar sind. Man wird hier erinnert daran, was Pellisson um 1670 in seinem "Projet de l'histoire de Louis XIV" schrieb: "Die Geschichte läßt viele Umstände unbeachtet, von denen Zeitungen berichten oder Memoiren (...). Allem Großen, dem sie begegnet, verleiht sie Schönheit durch ihren edlen, durchdachten Stil, der auf wenig Platz viel zu sagen vermag, kein Satz ist umsonst (...). Wenn all das nicht vermischt und verbunden ist zu einem anschaulichen Bild voller Abwechslung, Kraft und Glanz, eher gemalt als erzählt, wenn nicht die Leser alles zu Papier Gebrachte vor sich sehen und gefesselt sind, und wenn nicht so ihr Interesse an dem Geschehen geweckt wird, so handelt es sich nicht um Geschichte, sondern höchstens um ein Register oder eine Chronik". [32]
Valdor stellt "Geschichte" dar im Sinne Pellissons: Die Hauptaufgabe des Werkes ist nicht, die Wirklichkeit wiederzugeben, sondern sie in ein vorteilhaftes Licht zu setzen, ihr Anschaulichkeit zu verleihen ("eher gemalt als erzählt"). Darin besteht die Funktion der Antike bei der Darstellung der Landschaften und der Menschen in "Les Triomphes de Louis le Juste": Sie zeugt nicht etwa von mangelnder Kenntnis oder Geringschätzung der Geschichte, sondern macht diese durch Übertreibung verständlicher und "erweckt das Interesse der Leser". Indem sie das aktuelle Kriegsgeschehen überdeckt, erlaubt die Erinnerung an die Antike der Vorstellungskraft, sich zu entfalten, ohne daß der Phantasie völlig freier Lauf gelassen würde (ein Eindruck, der eher von der mythologischen als von der antiken "Hülle" erweckt wird). Im Gegenteil wird hier jene Kraft frei, die, wie Pascal schreibt, "den Dingen ihren Preis gibt". Der Rückgriff auf die Antike kann auf keinen Fall mit dem reinen Akademismus gleichgesetzt werden, der immer dieselbe vorgegebene Formel wiederholt. Vielmehr ist die Vorstellungskraft hier auf positive und durchdachte Weise am Werk, sie wandelt die Fakten in Geschichte um, besser gesagt, sie vollendet die Fakten.
Die Entscheidung für den Klassizismus, die in Valdors Buch überall deutlich wird, gibt dem Werk nicht nur eine antike Färbung, sondern bringt auch eine ganz bestimmte Darstellungsform mit sich, nämlich den Fries. Diese Wahl verleiht der Galerie der Schlachten eine Strenge, die mit dem heroischen Stoff, der behandelt werden soll, in Einklang steht. Aus der Strenge wird in manchen Stichen gar Starrheit, wie in der Abbildung der Belagerung von Perpignan, dem letzten Stich der Serie. Hier erreicht die "Disziplin der Antike" einen Höhepunkt: Ludwig XIII. und Minerva, die im Paradeschritt die Stadtbefestigungen entlangreiten, gleichen zwei genau parallel zueinander aufgestellten Reiterstatuen. Dieser Parallelismus der Figuren sowie die einfarbige Mauerfläche als einziger Dekor zeugen von dem Willen, die Szene wie ein Relief zu gestalten: Der Zeichner bemüht sich, die perspektivische Wirkung dadurch zu erzielen, daß er die dem Bildhauer vorbehaltene Kunst des Plastischen nachzuahmen sucht. Die Vorbedingung für die klassische Bildästhetik ist demnach, daß die Bildhauerkunst als Modell der figurativen Kunst anerkannt wird. Dazu kommt, daß die Bildhauerei vor allem als die Kunst gilt, die Form festzuhalten, was bei der Reiterstatue des Königs in dem Stich über die Belagerung Perpignans besonders deutlich wird. Während Francesco Mochi kurz zuvor, zu Beginn des Jahres 1620, in seiner Reiterstatue Alexander Farneses das schwierige Problem der Einheit zwischen Pferd und Reiter gelöst hatte, indem er beide in derselben Drehbewegung erfaßte [33], erreicht der Künstler, der die Belagerung von Perpignan zeichnete, eine ebenso große Einheit auf entgegengesetzte Weise, d.h. indem er jede Bewegung von der Bildfläche verbannt. Dank der genau senkrechten Falte im königlichen Mantel verharren Pferd und Reiter in derselben Starre: Der parallel zu den Beinen des Pferdes fallende Mantel verleiht der Figur eine wunderbare Kadenz, einen ebenso mächtigen wie im musikalischen Sinne feierlichen Rhythmus.
Sicher sind nicht alle Stiche von einer derartigen Feierlichkeit geprägt, auch geht nicht von allen derselbe Eindruck der hieratischen Unbeweglichkeit aus. Doch handelt es sich in diesem Fall nicht um den König selbst, sondern um Personen, welche die von dem Anblick des Herrschers hervorgerufenen Leidenschaften ausdrücken sollen, während er selber für alle Leidenschaften verschlossen bleibt. So ist Ludwig XIII. in Nancy vor zwei knienden, besser gesagt, sich tief verneigenden Frauen stehend abgebildet. Die eine hält den Kopf demütig zum König erhoben und blickt ihn voll Ehrfurcht an, während sie ihm die Schlüssel der Stadt überreicht; die zweite dagegen schaut zu Boden und schlägt sich mit der rechten Hand auf die Brust zum Zeichen der Scham und der Reue.
Die Vorliebe für den Fries als Darstellungsform und der damit verbundene Willen, den Leidenschaften einen stärkeren Ausdruck zu geben, erinnern an die Lehre Poussins. Es besteht ganz offensichtlich eine gedankliche Verwandtschaft zwischen den am besten geglückten Stichen in "Les Triomphes de Louis le Juste" und Gemälden von Poussin wie "La Vierge apparaissant à saint Jacques le Majeur" (Rom, um 1630) oder "Le Miracle de saint François-Xavier" (Paris, Kapelle des Jesuitennoviziats, 1642). In mehr als einer Hinsicht geht der Aufbau der Stiche in "Les Triomphes de Louis le Juste" auf die Fragen zurück, die zur selben Zeit in Rom und Paris das Werk Poussins aufwarf: Fragen zur Symbolik der Gesten in der Malerei, zum decorum, das auf ideale Weise die Haltung des christlichen Helden bestimmt, zum Ausdruck der Leidenschaften derjenigen, die sich nicht in diesem decorum befinden, zu dem Anspruch, diese Gegensätze (heldenhaftes decorum und menschliche Leidenschaften) in der harmonischen Einheit des Bildes einander gegenüberzustellen - eine der möglichen Lösungen dieses Problems bietet der Fries. [34] Übrigens ist nicht sicher, welchen Anteil der Poussin nahestehende Maler Charles Errard an "Les Triomphes de Louis le Juste" hat. Schon Odile Uhlmann-Faliu stellte die Hypothese auf, daß dieser an Valdors Buch mitgearbeitet haben könnte: Die Figuren Ludwigs XIII. und der Religion in "Le Rétablissement des ecclésiastiques en Béarn" sowie der Casal-Stich könnten Errard zugeschrieben werden. Es ist möglich, daß Errard auch an anderen Stichen mitgearbeitet hat, aber da man nur wenig über Errards Werk weiß und die Stiche in Valdors Buch von sehr unterschiedlicher Qualität sind, ist Vorsicht und Zurückhaltung geboten. Das wichtigste erhaltene Werk, das mit Sicherheit von Errards Schaffen in den Jahren 1640 zeugt, ist die Illustration für das "Breviarium Romanum", das 1647 von der königlichen Druckerei veröffentlicht wurde. [35] Doch auch da kennen wir nicht die Originalzeichnungen, sondern nur deren manchmal sicher etwas ungetreue Weiterverarbeitung durch die Stecher Pierre Daret, Gilles Rousselet und Karl Audran. Dennoch sind Ähnlichkeiten festzustellen zwischen der einen oder anderen Figur des "Breviarium Romanum" und manchen Figuren aus "Les Triomphes de Louis le Juste": zum Beispiel zwischen Soubise in dem Stich "La Réduction de Saint-Jean d'Angély" und dem schlafenden römischen Soldat, der in dem "Breviarium" in der Wiederauferstehungsszene im Vordergrund zu sehen ist. [36] Im übrigen hat man auf den Stichen Errards verschiedene Charakteristika ausmachen können, zu denen die starke Muskulatur der Körper zählt, eine Vorliebe für Gesichter im Profil und einen Hang dazu, den Figuren "Ähnlichkeit mit einer antiken Skulptur" zu verleihen [37]: Wenn man auch darüber hinaus nicht viele Anhaltspunkte hat, so ist doch bemerkenswert, daß die genannten Charakteristika auf viele Stiche der ersten Galerie von "Les Triomphes de Louis le Juste" zutreffen. Auch die biographischen Details sprechen nicht gegen eine mögliche Beteiligung Errards, ohne diese jedoch zu beweisen: Wie man weiß, war Errard, nach einem ersten Aufenthalt in Rom, wo er wie Valdor in der Umgebung von Andrea Sacchi arbeitete, im Jahre 1643 nach Paris zurückgekehrt, also genau zu der Zeit, als Valdor begann, über sein Buchprojekt nachzudenken. Noch einen anderen Hinweis gibt es, der zwar kein wirklicher Beweis, aber zumindest ein eigenartiger Zufall ist: Zurück in Frankreich, arbeitet Errard, wie durch Guillet de Saint-Georges, den Historiographen der Académie de peinture et de sculpture, belegt ist, "an Zeichnungen, die für Tapisserien gedacht sind und die Geschichte des Tobias darstellen". [38] Nun trifft es sich aber, daß Valdor sich zu dieser Zeit viel mit dem Handel von Tapisserien beschäftigte. Man weiß sogar, wiederum über Guillet de Saint-Georges, daß er, nachdem Le Brun 1646 von Rom nach Paris zurückgekehrt war, bei diesem Zeichnungen bestellte für Tapisserien "zum Thema Tobias". [39] Zusammengenommen ermöglichen diese verschiedenen Informationen den Schluß, daß Errard sehr wahrscheinlich bei seiner Rückkehr aus Rom für Valdor gearbeitet hat. Und möglicherweise beschränkte sich diese Zusammenarbeit nicht nur auf Tapisserien.
Wie groß auch immer die Beteiligung Charles Errards gewesen sein mag, "Les Triomphes de Louis le Juste" stellt ganz offensichtlich ein bedeutendes Beispiel klassizistischer Kunst in der Mitte des 17. Jahrhunderts dar und liefert einen wertvollen Beleg dafür, welche ideologischen Möglichkeiten der Klassizismus in Kriegszeiten zum Lob der Monarchie bot. Es bedarf dazu einer wohldurchdachten Alchimie, die darin besteht, die Realität des Krieges zum Ausgangspunkt zu nehmen, um die Darstellung des Krieges selbst um so besser vermeiden zu können. Valdor wählt zwar das Register des historischen Lobes, aber von dem eigentlichen historischen Ereignis wird fast nichts festgehalten: Ihn interessieren einzig die Gesten und Haltungen, zu denen das Ereignis den Anlaß bot, in einer Art geläutertem und friedlichem Rückblick, in dem die Geschichte hinter ihren verschiedenen Symbolen verschwindet. Die königlichen Gesten und Haltungen erscheinen im Relief, alle anderen als Vertiefung. Sie sind die Symbole eines monarchischen Heldentums, das nicht durch die kriegerische Aktion selbst zustande kommt, aber sich bei dieser Gelegenheit offenbart. Die Symbole der Gerechtigkeit - die Gesten des Königs schwanken zwischen Bestrafung und Milde - treten an die Stelle der Kriegsgeschichte. [40] Der Krieg macht nicht den Ruhm des Königs aus: Er gibt Gelegenheit, diesem Ruhm Ausdruck zu geben. Ein Ruhm, der seinem Wesen nach einer übermenschlichen Ebene angehört. Auf diese Weise konnte die Geschichte eine Allgemeingültigkeit und Legitimität erlangen, die ihr manchmal zu fehlen schienen, wenn es darum ging, die Größe des allerchristlichsten Königs, des vollkommenen Abbildes Gottes zu preisen.
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