JOOST VANDER AUWERA Historische Wahrheit und künstlerische Dichtung Das Gesicht des Achtzigjährigen Krieges in der südniederländischen Malerei, insbesondere bei Sebastiaen Vrancx (1573-1647) und Pieter Snayers (1592-1667) |
Einleitung
Es wurde bereits früher dargelegt, wie fiktional die Darstellung des Achtzigjährigen Kriegs bei den nordniederländischen Künstlern dieses Genres ist, auch wenn der scheinbar "realistische" Charakter ihrer Kunst das Gegenteil erwarten lassen sollte. [5] Dieser Beitrag soll zeigen, daß gleiches auch für die weniger beleuchtete Bildtradition des Kriegsgenres in den südlichen Niederlanden gilt. Das bedeutet, daß der Nachdruck, der auf die je eigene Identität der streitenden Parteien gelegt wurde - eine Entwicklung, die durch den Ausbruch des Krieges einen starken Impuls bekam und durch die Anerkennung der nördlichen Provinzen als unabhängiger Staat im Westfälischen Frieden offiziell bestätigt wurde -, letztendlich in einer Bildkultur Gestalt annahm, die wesentlich mehr gemeinsame Merkmale aufwies, als man auf den ersten Blick erwarten sollte. Wir hoffen, diese Erkenntnis untermauern zu können, indem wir nacheinander die historische und die künstlerische Seite der Fragestellung betrachten.
Im ersten, historisch ausgerichtetem Teil gehen wir kritisch auf die Rolle der Geschichte - insbesondere der Kriegsgeschichte - als einen möglichen erklärenden Kontext für das Schlachtengemälde und umgekehrt auf den Wert des Kriegsgenres als historische Quelle ein. Die sich hieraus ergebenden kritischen Vorbehalte führen uns anschließend zur Untersuchung der mehr intern-künstlerischen und fiktionalen Logik innerhalb dieser Gattung, unter Berücksichtigung ihrer künstlerischen Quellen, Bedeutung und Entwicklung. Ein kurzer abschließender Abschnitt bezieht sich auf den moralischen Gehalt der Kriegsdarstellungen: Schnittpunkt zwischen den Lehren aus der Geschichte und dem mahnenden Tenor des Bildes. Der begrenzte Rahmen dieses Beitrags erlaubt nur eine exemplarische und keine umfassende Untersuchung. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Oeuvre von Sebastiaen Vrancx und, in geringerem Maße, auf dem von Pieter Snayers [6], da die beiden sich in dieser Periode dem Kriegsgenre mehr als andere Künstler systematisch widmeten und dadurch sowohl zeitlich als auch räumlich einen sehr weitreichenden Einfluß ausgeübt haben. Andere Künstler dieser Gattung waren entweder direkte Nachfolger, wie zum Beispiel Pieter Meulener oder der weniger bekannte Jacques van der Wijen, oder sie fertigten, wie zum Beispiel Robert van den Hoecke, schöne Gemälde in einem mehr persönlichen Stil, die aber nur eine begrenzte künstlerische Resonanz fanden. [7]
I. Das Kriegsgenre im historischen Kontext der südlichen Niederlande
Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß die Annahme einer Parallele zwischen Kampfgeschehen und Kriegsgenre der Kritik nicht standhält. Der Aufstieg des Kriegsgenres in der Malerei der südlichen Niederlanden verläuft keineswegs parallel zum zeitlichen Verlauf der Kampfhandlungen und seine künstlerische Blütezeit ist auch kein Echo intensiven Schlachtenlärms. Wenn wir davon ausgehen, daß die militärischen Operationen ihre stärksten geographischen und gesellschaftlichen Auswirkungen in der ersten Hälfte des Achtzigjährigen Krieges hatten, dann steht dem gegenüber, daß sich das gemalte Schlachtenbild als ein eigenständiges und systematisch entwickeltes, künstlerisches Genre erst ab ca. 1600 zu etablieren beginnt. Vor diesem Zeitpunkt findet das Bild vom Krieg zwar seinen Widerhall in der Graphik, aber nur relativ sporadisch in der Malerei. Frühere Versuche, zum Beispiel in Gemälden Pieter Bruegels d.Ä. den Widerschein konkreter Kriegsereignisse zu finden, stellten sich als wenig überzeugend heraus, so etwa die Idee, im "Selbstmord Sauls" (Wien, Kunsthistorisches Museum) sei die militärische Expedition Albas über die Alpen dargestellt oder der Gedanke, die Soldaten im Hintergrund vom "Kindermord in Bethlehem" (Hampton Court) symbolisierten die Präsenz des spanischen Militärs in den Niederlanden. [10]
Die zeitliche Verschiebung ist jedoch weniger paradox als es auf den ersten Blick scheinen mag. Es ist offensichtlich, daß der Krieg mit seinen negativen ökonomischen Folgen für das künstlerische Schaffen im allgemeinen und für die Produktion langlebiger Kulturgüter wie der Malerei im besonderen prinzipiell keinen fruchtbaren Nährboden bildete. Aus diesem Blickwinkel gesehen, entspricht die verzögerte Entwicklung des Kriegsgenres in dieser Kunstgattung der Zeit, die der Markt für dauerhafte Kunstwerke brauchte, um sich zu erholen. Aus einer Korrespondenz südniederländischer Kunsthändler von 1624 über die Bestellung von Schlachtengemälden Sebastiaen Vrancx' können wir zum Beispiel ersehen, daß jedes einzelne der sechs Gemälde umfassenden Serie ungefähr zwei Drittel des Jahreslohns eines Facharbeiters kostete. [11] So kann es nicht verwundern, daß die Kunden für diese Art von Kunstwerken zu einem großen Teil beim wohlhabenden Bürgertum zu finden waren. In dessen Besitz stoßen wir, zum Beispiel in den Nachlassen Antwerpener Bürger, zur Zeit des Zwölfjährigen Waffenstillstands auf Gemälde mit Sujets aus oder nach Vrancx' Hand, wie zum Beispiel "Een schilderye Convoy", "Bataille" oder auch "Eenen tocht van de soldaten". [12] Wenn die bürgerliche Oberschicht unter der spanischen oder französischen Furie oder unter der Belagerung von Antwerpen gelitten hatte, so lagen diese Ereignisse zu jenem Zeitpunkt doch bereits Jahrzehnte zurück. Falls es sich hier um das Echo einer turbulenten Zeit handelt, dann höchstens um ein sehr verspätetes. Darüber hinaus sind es oft Ereignisse ohne militärische Bedeutung. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die außergewöhnliche Popularität, die eine militärische Bagatelle wie "Das Gefecht zwischen Leckerbeetje und Bréauté" (Abb. 2) [13] in der bildenden Kunst genoß: Von dieser Begegnung in der Vughterheide bei 's-Hertogenbosch zwischen einem spanischen und einem nordniederländischen Reitertrupp im Jahr 1600 existieren zahllose, nahezu identische Darstellungen. [14]
Obwohl wir nicht bezweifeln, daß Bildquellen auf militärisch-technischem Gebiet indirekt Informationen liefern können [15], sollte schon aus dem Vorangehenden deutlich geworden sein, wie kritisch wir der Aussagekraft des Schlachtenbildes als historischer Quelle gegenüberstehen. Ein Beispiel soll die Gründe hierfür konkreter darlegen. Vrancx schuf mehrere Versionen einer historischen Episode aus dem Achtzigjährigen Krieg, die erst vor relativ kurzer Zeit von einem Lokalforscher identifiziert wurde. Bis dahin waren drei Gemälde und eine Zeichnung aus Vrancx' Hand bekannt, die allesamt Variationen desselben Themas - die Plünderung eines unbekannten Dorfes - zu sein schienen. Die verschiedenen Exemplare befinden sich in einer belgischen Privatsammlung (Abb. 3) [16], im Kunstmuseum Düsseldorf (Abb. 4) [17], im Louvre und in der Eremitage in St. Petersburg. [18] Wer genau hinschaut, bemerkt auf allen Gemälden dieselbe verwüstete Kirche im Hintergrund und dasselbe Gehöft im Mittelgrund. Das weckte aber kein Mißtrauen, solange man die Kriegsszene, wie es heute noch in der kunsthistorischen Praxis üblich ist, dem Genre der Dorfplünderung zurechnen konnte. Denn damit wurde die Darstellung der von Soldaten bedrohten Landbevölkerung eher als exemplarische Situation denn als konkretes historisches Kriegsereignis betrachtet. [19 ]Erst als es einem Lokalforscher, Viktor E. Wauters, gelang, die Kirche als die von Wommelgem, einem Dorf in der Nähe von Antwerpen, das die Truppen der Generalstaaten am 26. Mai 1589 brandschatzten, zu identifizieren, und sich zudem herausstellte, daß der Grundriß der Kirchhofmauer mit alten Plänen übereinstimmte [20], kam die Frage nach der historischen Glaubwürdigkeit auf. Es ist deutlich, daß Kirche und Gehöft auf den Gemälden in unterschiedlichen Positionen zueinander abgebildet sind, die mit ein und derselben topographischen Realität unvereinbar sind, selbst wenn man die divergierenden Perspektiven berücksichtigt, aus denen die Kirche auf einigen Gemälden gezeigt wird.
Wir sollten uns fragen, ob wir keinem Anachronismus erliegen, wenn wir heutzutage eine strikte Trennlinie ziehen zwischen der Wiedergabe historischer Ereignisse einerseits und den, mit dem ahistorischen Begriff "Genre" [21] bezeichneten Kriegsdarstellungen andererseits. Und sind wir in unserem Urteil über den historischen Quellenwert derartiger Kunstwerke nicht auch zu sehr geprägt von den zum Standard geworden Sichtweisen des "Photorealismus", mit dem uns die Kriegsberichterstattung unserer Zeit konfrontiert? Vor allem durch das Fernsehen haben wir jenen "Photorealismus" [22] als Norm für die Wiedergabe kontemporärer Kriegsereignisse zu akzeptieren gelernt. "Kontemporär" ist angesichts der heutigen "live"-Kriegsberichterstattung sehr wörtlich zu verstehen. Es muß uns darum zunächst merkwürdig erscheinen, daß zahlreiche dieser Gemälde erst lange nach den historischen Begebenheiten, die sie "abbilden", entstanden sind: Die verschiedenen Versionen der "Brandschatzung von Wommelgem" entstanden, so muß man aufgrund stilistischer Merkmale annehmen, gut zwanzig bis dreißig Jahre später. [23]
Das erscheint jedoch nur dem heutigen Betrachter befremdlich, der historischen Wert so eng mit dem Augenzeugnis verbindet. Berücksichtigt man die damaligen Marktbedingungen, wird die Situation verständlicher: Nicht selten ließen sich derartige, teure Gemälde nur dann zügig verkaufen, wenn die ökonomischen Bedingungen aufgrund abflauender Kampfaktivitäten günstiger wurden; sobald die Nachfrage in Gang kam, galt es, sie mit der Entwicklung von Variationen eines erfolgreichen Sujets zu befriedigen. Übrigens war es nach der damaligen kunsttheoretischen Auffassung durchaus erlaubt und wurde sogar positiv hervorgehoben, ein Historienthema um eigene Einfälle zu bereichern, sofern der Kern der Geschichte nicht darunter litt. [24]
II. Das Kriegsgenre im künstlerischen Kontext der südlichen Niederlande
Die Tatsache, daß Vrancx nicht nur auf Vorbilder aus den nördlichen Niederlanden zurückgriff, sondern die dortigen Künstler auch seinerseits inspirierte, war vielleicht nicht zuletzt auf seine künstlerischen Fähigkeiten zurückzuführen. Im Fall von Vrancx erlauben es uns einzelne Gegebenheiten darüber hinaus, aus verschiedenen Blickwinkeln einen Eindruck von der Art der Wertschätzung zu gewinnen, die seine Zeitgenossen militärischen Darstellungen entgegenbrachten. Zunächst ist es nicht unwichtig zu wissen, daß der Bildtypus der "Bataille" im allgemeinen und der des Reitergefechts im besonderen in den eher theoretischen Betrachtungen in "Den grondt der edel vry schilder-const" in van Manders bekanntem "Schilderboeck" als Kompositionsbeispiele genannt werden. Es geht an dieser Stelle um die "Anordnung" von Figurengruppen, besonders in Verbindung mit anderen anspruchsvollen Kunstgriffen wie zum Beispiel Verkürzungen. [35] Es ist anzunehmen, daß derartige Qualitäten in den komplexen und figurenreichen Schlachten- und Reitergemälden von sowohl Vrancx als auch Snayers hochgeschätzt wurden. Aus dem schon erwähnten Briefwechsel zwischen Kunsthändlern erfahren wir, daß der große Arbeitsaufwand Grund für die hohen Preise von Vrancx' Schlachtengemälden war. [36] Ein so detailliertes Gemälde wie z.B. "Die Belagerung von Ostende aus der Sicht des spanischen Lagers"(Abb. 7) [37], setzt in der Tat viel mehr Arbeit(stunden) voraus als die Wiedergabe des gleichen Stoffes durch weniger gewissenhafte Künstler. Vrancx' Gemälde wurden von einem kleinen Kreis wahrer Liebhaber gesammelt - Menschen, die, so kann man annehmen, die künstlerische Qualität dieser Werke zu würdigen wußten und Geld genug hatten, sie zu zahlen. [38]
Vrancx' Schlachtengemälde wurden auch von keinem geringerem als Peter Paul Rubens hoch geschätzt, wie die Präsenz von Vrancx' "Schlacht König Sebastians von Portugal" in dessen Sammlung belegt. [39] Rubens hatte in seiner Jugend auch kleinformatige Gefechtszenen gemalt, behauptete jedoch später von sich, mehr Talent für die monumentale Kunst zu haben. [41] Dennoch wird er die kleineren Kabinettbilder seines Kollegen Vrancx zu schätzen gewußt haben, so wie er es zweifelsohne auch bei seinem Freund Jan Brueghel d.Ä. tat. [42]
Die Unterscheidung zwischen groß- und kleinformatigen Werken deckt sich in signifikanter Weise mit den Begriffen, die die unterschiedlichen Spezialgebiete von Vrancx und Snayers in den Unterschriften ihrer Porträts in der "Iconographia" charakterisieren: Maler von kleinformatigen Kampfszenen oder "proeliorum minorum" (Vrancx) beziehungsweise von Feldschlachten oder "proeliorum" (Snayers). [43] Hier treffen wir auf eine Differenzierung, wie sie in analoger Weise erst kürzlich für die Marinemalerei derselben Epoche beschrieben wurde. [44] Das scheint uns vom historischen Standpunkt aus betrachtet ein sinnvollerer Ausgangspunkt für eine Kategorisierung der Schlachtenmalerei zu sein als die Trennung zwischen der Abbildung historischer Kriegsereignisse und sonstigen militärischen Themen. Auch deutet die große Kontinuität in der zeitgenössischen Benennung militärischer Darstellungen auf das Vorhandensein eines mehr oder weniger festen und historisch fundierten Repertoires von Kriegsthemen, das sich von unserer heutigen Einteilung unterschied. Bereits bei der Beschreibung von Jan Vermeyens' Zyklus über den Feldzug Karls V. nach Tunis ist beispielsweise die Sprache von "een mars van een leger" [45]. Titel wie "Een tochte van een leger" dagegen, die für Werke von Vrancx in Antwerpener Nachlaßinventaren zu finden sind, stimmen mit den Bezeichnungen für einzelne Bereiche des Kriegsgeschäfts in zeitgenössischen militärischen Lehrbüchern und Kriegsspielen - ein wichtigen Mittel bei der Ausbildung von Prinzen im 16. Jahrhundert, um ihnen die Kriegskunst zu lehren - überein. Und wir begegnen ihnen - malerisch übersetzt - noch stets in den Bildern, die Adam-Frans Van der Meulen im Auftrag Ludwigs XIV. malte. [46 ]Diese Darstellungen bewaffneter Konflikte gehörten also zu dem was Michael Baxandall "the period eye" des 16. und 17. Jahrhunderts genannt hat. [46]
3. Künstlerische Entwicklung
Wie kürzlich gezeigt wurde [52], gab es aber eine große Kontinuität zwischen Meister und Schüler im Bereich der Atelierpraxis, im technischen Aufbau der Gemälde. Ferner sind die kompositorischen Lösungen von Vrancx und Snayers, sowohl beim Reiterscharmützel als auch bei der Schlachtendarstellung, eng miteinander verwandt. Bei der schon erwähnten "Belagerung von Ostende aus der Sicht des spanischen Lagers" von 1618 (Abb. 7) teilt Vrancx die Bildfläche bereits in einer Art und Weise, wie wir sie später auch bei Snayers finden: in einen figurenreichen und anekdotischen Vordergrund und ein Panorama in Vogelschau mit belagerter Stadt im Hintergrund. [53] Ein Vergleich der "Schlacht bei Nieuwpoort" aus dem Museo de Bellas Artes in Sevilla (Abb. 6), die Vrancx in den dreißiger Jahren des siebzehnten Jahrhunderts malte, und dem von Snayers ungefähr zur selben Zeit gemalten "Besuch der belagerten Stadt Breda von Erzherzogin Isabella" (Abb. 8) läßt erkennen, wie sehr sich die Bildaufteilungen gleichen: Auf beiden sehen wir eine stärker individualisierte Gestaltung des Vordergrundes und eine zusammenhängende Masse anonymen Kampfgeschehens im Mittelgrund. [54] Es wird deutlich, daß auch zwischen dem späten Werk Vrancx' und den gleichzeitigen Arbeiten seines Schülers Snayers ein viel engeres Band besteht, als bisher angenommen wurde.
III. Lehren aus Krieg und Frieden und der moralische Gehalt ihrer bildlichen Darstellung
Dieser Gedanke schließt sich nahtlos den Todesmahnungen beim Bildtypus des Reitergefechts in den nördlichen Niederlanden an, auf die in diesem Band von unseren niederländischen Kollegen hingewiesen wird. Sowohl schriftlich, in der Einleitung zum "Jonstich Versaem der Violieren" von 1619 [57], als auch in einem ihm zuzuschreibenden Rebus-Blason [58] bringt Vrancx das Verlangen nach Frieden und seinen Widerwillen gegen den kunstzerstörenden Krieg in extenso zum Ausdruck. In dieser Hinsicht spiegelt sich in ihm, trotz und vielleicht sogar gerade wegen seiner Tätigkeit als Maler von Militärszenen, ein bei seinen Zeitgenossen im allgemeinen und bei den Künstlern im besonderen weitverbreiteter Gedanke.
Es ist bezeichnend, daß Vrancx, der als Kapitän der Bürgerwehr die Realität einer Wachstube kannte, eine solche "kortegaarde" in Form einer "Singerie" (Abb. 10) darstellt. [59] Dies ist ein Bildtypus, dessen kritischer Unterton außer Frage steht und der dem Bild von der kriegerisch veranlagten Persönlichkeit, die Vrancx aufgrund seines Amts im städtischen Wachdienst zugeschrieben wurde [60], sicher nicht entspricht. In einem vergleichbaren Werk [61] - und möglicherweise ein Pendant zu jenem - treten als Soldaten verkleidete Affen in Erscheinung, unter anderem bei einer Truppenanwerbung und bei anderen dubiosen Tätigkeiten wie dem Kartenspiel. Stilistisch sind diese Werke auf die dreißiger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts zu datieren, mit anderen Worten ungefähr genauso früh wie David Teniers' d.Ä. Darstellung von Affen in einer Wachstube von 1633 [62] (aber später als die Entstehung der Wachstuben-Szenen in den nördlichen Niederlanden). [63 ]
Auch wenn Vrancx zu dem Teil der Bevölkerung gehörte, der für seinen katholischen Glauben bekannt war (was aufgrund seiner städtischen Ämter wahrscheinlich ist) [64], wobei er dem Aufstand durchaus Sympathien entgegenbrachte, so sind diese Werke und Schriften doch deutlich hervortretende Hinweise, daß er, abgesehen von seiner Parteinahme gegenüber Freund und Feind, den Krieg auf einer allgemein moralischen Ebene mißbilligte. Er sympathisierte demnach vielleicht auch mit der Unterschrift des Drucks vom "Gefecht zwischen Leckerbeetje und Bréauté" (Abb. 2) [65], der in den nördlichen Niederlanden nach jenem Entwurf, mit welchem er selber dem Kriegsgenre den Weg bahnte, herausgegeben worden war: "Hooge Moet, Selde Goet" ("Hochmut tut selten gut").
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