Sehnsucht nach Frieden

Einleitung

Im Zentrum der Ausstellung steht das Gemälde „Allegorie auf den Westfälischen Frieden“, das Joachim von Sandrart 1648 im Jahr des europäischen Friedensschlusses von Münster gemalt hat. Die näheren Umstände der Entstehung und der Auftraggeber dieses beeindruckenden Kunstwerkes, in dessen Mitte die Jungfrau Maria unter einem Baldachin mit dem Jesuskind und dem Johannesknaben dargestellt und von Friedenssymbolen, dem Füllhorn und einem Friedenstempel zu ihrer Linken, umgeben ist, sind nicht überliefert. Dennoch legt die am Sockel des Tempels vom Künstler angegebene Jahreszahl “1648“ unter seiner Signatur sowie die Friedenssymbolik nahe, dass sich Sandrart mit diesem Bild auf den Westfälischen Frieden bezog.

 

Bereits Christian Klemm betonte, dass Joachim von Sandrart aufgrund des Reichtums der ihn betreffenden historischen Quellen einer derjenigen deutschen Künstler des 17. Jahrhunderts ist, über dessen Leben und Künstlerkarriere wir die meisten Informationen besitzen (Klemm 1999, S. 337). Zudem hat Sandrart mit seiner „Teutschen Akademie der edlen Bau-, Bild und Malereikünste“, die er ab den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts in seinen letzten Lebensjahren niederschrieb, erstmals im deutschen Sprachraum eine kunsttheoretische und kunsthistoriografische Schrift vorgelegt, die bis heute eine wertvolle Informationsquelle zu seinem und dem Wirken anderer Künstler darstellt. Sein Freund Sigmund von Birken (1626-1681) hatte die Schrift redigiert und, um zahlreiche Gedichte ergänzt, 1675 und 1679 in zwei Folgen ediert. Dieses Werk, das „Opus Magnum“ Sandrarts, ist die erste deutschsprachige kunsttheoretische Abhandlung und Sammlung von historischen und zeitgenössischen Künstlerviten. Sie umfasst weiterhin reich mit Kupferstichen ausgestattete Lehrbücher zu den drei Kunstgattungen sowie Sandrarts eigene Auslegungen zu den Metamorphosen Ovids.

 

Der Künstler ist 1618 zu Beginn des 30-jährigen Krieges 12 Jahre alt. Er wird einen Großteil seines künstlerischen Werdeganges, der noch vor 1620 mit ersten Übungen im Zeichnen bei Sebastian Stosskopf in Frankfurt am Main beginnt, bis zum Friedensschluss von Münster 1648 in Kriegszeiten zurücklegen. Seine in dieser Zeit entstandenen Gemälde und Stiche – Porträts und Altarbilder – geben jedoch, wie übrigens bei den meisten seiner Zeitgenossen auch, kaum einen direkten Widerschein dieses langen Krieges.

 

Joachim von Sandrart gehört in dieser Zeit zu den vielgereisten Künstlern in Europa. Die Ausbildungsjahre verbringt er zwischen 1619 und 1628 in Frankfurt, Nürnberg, Prag, Utrecht und in Italien. Die Begegnung mit Rubens und das Interesse an der antiken Architektur und Skulptur bewegen Sandrart, mit seinem Mentor Michiel le Blon 1629 nach Italien zu reisen, dem Land, in dem er sechs Jahre bis 1635. Der Aufenthalt in Italien, wo er die Antike, die Kunst der Renaissance und den rämischen Frühbarock studiert, mit Stationen in Venedig, Bologna und Rom, beeinflusste ihn nachhaltig. In Rom begegnet er Domenichino, Claude Lorrain, Nicolas Poussin, Duquesnoy, Pieter van Laer oder Pietro da Cortona und ist in Kontakt mit der Künstlergruppe der ‚Schildersbent‘. Ab 1632 wohnt Joachim von Sandrart im Palazzo Giustiniani in Rom, wo er vermutlich als ‚Kurator‘ die Gemäldesammlung und die „Galleria Giustiniani“ betreut. Auf einer Reise nach Neapel, Malta und Messina lernt er die Werke von Ribera, Artemisia Gentileschi, Stanzione und Gemälde Caravaggios, wie z.B. die „Enthauptung des hl. Johannes“, kennen.

 

Als er 1635 mit reichem Wissensschatz als gemachter Künstler und mit internationaler Erfahrung aus Italien nach Frankfurt zurückkehrt, muss die direkte Begegnung mit dem Krieg in seiner belagerten Heimatstadt mit Hungersnot und Pest wie ein Schock auf ihn gewirkt haben. Das Land beschreibt er seinerzeit als fest in der Hand der „[…] drey Furien, Krieg, Hunger und Pest […] und überall von dem blut- und glut- wütenden Mars unsicher und wüst gemacht“. So berichtet er später in der „Teutschen Academie“ von der direkten Bedrohung des ältesten Sohnes von Matthäus Merian, den er in die Lehre genommen hatte, durch hungernde Bauern: „[…] mit anwurf eines Stricks um den Hals / erwürgen und zur Schlachtbank liefern wollen / dessen sich etliche hungerige Bauren unterstanden / denen er aber glücklich entronnen: hat dieses ihn so perplex gemacht / der Er sich / samt den Seinigen / zu mehrerer Sicherheit / nach Amsterdam verwandlet“ (Teutsche Academie 1675, Lebenslauf, S. 12). Das Erlebnis bringt ihn dazu, Frankfurt zu verlassen und sich und seine Familie in Amsterdam in Sicherheit zu bringen.

 

Nach einem kurzen Aufenthalt in Antwerpen 1645 lässt er sich im gleichen Jahr auf dem von seinem Vater vererbten Gut Stockau nieder. 1649 kommt er – wohl aufgrund der günstigen Auftragslage – nach Nürnberg, wo er mit dem monumentalen Gemälde des sognannten „Nürnberger Friedensmahles“ beauftragt wird, in dem er die Teilnehmer dieses historischen Ereignisses im großen Saal des Nürnberger Rathauses im September 1649, ein Jahr nach dem Abschluss des Westfälischen Friedens, als Gruppe an einer langen Tafel sitzend im Porträt festhält.

 

„Das Nürnberger Friedensmahl“ zeigt den Pfalzgrafen Karl Gustav, Sandrart zufolge der Auftraggeber des Bildes, mit den kaiserlichen und schwedischen Kommissaren sowie die Reichsstände, die sich aus Anlass der Unterzeichnung des dem Westfälischen Frieden folgenden Friedensexekutionskongresses im Nürnberger Rathaus versammelt hatten. Der Künstler hat sich selbst beim Zeichnen des Friedensmahles am rechten unteren Rand des Bildes prominent in die Szene integriert.

 

Kurze Zeit vorher malte Sandrart das Bild „Madonna mit dem Friedenstempel – Allegorie auf den Westfälischen Frieden“, welches sich seit 1890 in der Sammlung des LWL-Museums für Kunst und Kulturgeschichte in Münster befindet. Im gleichen Jahr entsteht das Bild „Jakobs Traum“ (Öl auf Leinwand, 138,5 x 123 cm, München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Inv.-Nr. 1548).

 

Ob Joachim von Sandrart selbst zur Zeit des Friedenskongresses in Münster war, bleibt ungewiss. Im Vorwerk der „Iconologia“ zum Lebenslauf Sandrarts in der „Teutschen Academie“ wird für das Jahr 1645 ein Besuch Sandrarts in der „FriedensGeburt Stadt“ Münster erwähnt, der aber von mehreren Seiten in der Forschung in Zweifel gezogen wird (siehe u.a. Klemm 1986, S. 169, Anm. 5, S. 178, 316, 340, Anm. 50). Der Künstler soll dort einige Unterhändler des Friedens getroffen und porträtiert haben – so u.a. den französischen Gesandten Abel Servien, Matthaeus Wesenbeck und Adolf Wilhelm von Crosieg. Hingegen belegen Dokumente, dass sich Sandrart zwischen 1647 und 1648 in Bayern, konkreter in Neuburg, auf seinem Gut in Stockau bei Ingolstadt aufhielt, bevor er nach Nürnberg aufbrach.

 

Hermann Arnhold